„A E I O U“: Wer A sagt, muss auch Liebe sagen

„A E I O U“: Wer A sagt, muss auch Liebe sagen

Wie schon 2016 in „Wild“ erzählt Nicolette Krebitz in „A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe“ von einer ungewöhnlichen Beziehung. Mit Sophie Rois und Milan Herms in den Hauptrollen ist ein Liebesdrama im Stil der Nouvelle Vague entstanden.

Denkt man an Nicolette Krebitz, denkt man an ihre vielen TV- und Kinoproduktionen mit ihr als Schauspielerin, darunter der 1997 erschienene Film „Bandits“, für den Katja von Garnier neben Krebitz noch Jasmin Tabatabai, Katja Riemann und Jutta Hoffmann als dem Knast entflohene Girl Band inszenierte.

Vor über 20 Jahren hat Nicolette Krebitz jedoch erstmals die Seiten gewechselt. 2001 führte sie bei dem plotfreien Langfilm „Jeans“ Regie, 2007 erschien „Das Herz ist ein dunkler Wald“. Vor sechs Jahren dann sorgte sie mit „Wild“ für Aufsehen. Das ungewöhnliche Drama erzählt von einer farblosen Sekretärin, die sich in eine obsessive Verbindung zu einem Wolf verstrickt. Und auch Krebitz‘ neuer Film „A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe“ widmet sich einer Beziehung, die zunächst ungewöhnlich scheint – wenn auch weit weniger ungewöhnlich als die einer jungen Frau zu einem Raubtier.

Mitte Februar feierte das Liebesdrama bei der Berlinale Premiere, wo es mit 17 anderen Filmen im Wettbewerb lief, am Ende allerdings leer ausging. Das ist jedoch kein Grund, sich „A E I O U“ nun nicht im Kino anzusehen.

Wie die Liebe hinfällt …

Anna (Sophie Rois) war einst eine erfolgreiche Schauspielerin, heute aber wird sie höchstens noch für Rollen in Radiohörspielen besetzt. Und so schuldet sie ihrem Vermieter und Freund Michel (Udo Kier) bereits einige Monatsmieten. Als ihr Arzt sie darum bittet, einem Schüler Sprachunterricht zu geben, willigt Anna notgedrungen ein. Sie macht auch dann keinen Rückzieher, als sie erkennt, dass der Teenager vor ihrer Tür ein Dieb ist. Noch am Abend zuvor hatte er ihr auf offener Straße vor der legendären Berliner „Paris Bar“ ihre Handtasche entrissen.

Statt Adrian (Milan Herms) also die Tür direkt wieder vor der Nase zuzuschlagen, nimmt sie sich seines Sprachfehlers an. Schon bald entwickelt sich zwischen dem nicht nur aufgrund des Altersunterschieds ungleichen Paar eine intensive Beziehung. Ihre Liebe führt die zwei schließlich raus aus Berlin und an die Côte d’Azur, wo sie sich mit kleineren und größeren Diebstählen über Wasser halten.

Ungewöhnliche Romanze ohne Kitsch

Beziehungen, in denen die Frau deutlich älter ist als der Mann, sind auch im 21. Jahrhundert noch häufig ein medialer Aufreger. So wurde über die 25 Jahre Altersunterschied zwischen dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und seiner Ehefrau Brigitte ebenso diskutiert wie über jene 16 Jahre, die Heidi Klum und ihren Ehemann Tom Kaulitz trennen.

Wer mit derartig gelagerten Partnerschaften ein Problem hat, sollte wohl besser einen Bogen um „A E I O U“ machen, denn hier liegen zwischen der reifen Anna und dem hochgewachsenen Adrian rund 40 Jahre. Dabei verliert man das aus den Augen und aus dem Sinn, je weiter der Film fortschreitet.

Stattdessen rückt immer mehr die verspielte Liebe des Paares in den Fokus, haben sich hier doch zwei einsame und auf ihre jeweils eigene Weise ungewöhnliche Seelen gefunden. Wie lange diese Liebe bestehen kann, lässt Nicolette Krebitz offen. Stattdessen erzählt sie die beinahe surreale Romanze mit viel Fingerspitzengefühl. Nie gibt sie ihre Figuren der Lächerlichkeit preis oder lässt deren Gefühle füreinander dem Kitsch anheimfallen.

Surreal und leichtfüßig

Stattdessen bettet Nicolette Krebitz – gemeinsam mit Kameramann Reinhold Vorschneider – die Handlung in eine visuelle Hommage an die Nouvelle Vague und reichert das Ganze mit Annas Erzählerstimme als poetisches Voiceover an. Der Westen Berlins wirkte selten so romantisch und muss sich nicht hinter den übrigen Drehorten an der Côte d’Azur verstecken. Zudem changiert vieles zwischen verspielt und bizarr, zum Beispiel wenn plötzlich Wellensittiche durch den Raum flattern oder Anna und Adrian auf einem leichtfüßigen Taschendiebstahlstreifzug durch die südfranzösischen Gassen unterwegs sind.

Es ist von Beginn an spürbar und nicht zu übersehen, dass Nicolette Krebitz ein Faible für das französische Kino der 1960er-Jahre und dessen Figuren hat. Daraus macht sie auch keinen Hehl. Und so ist „A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe“ eine moderne und lässige Würdigung jener Ära des Films, in denen noch Männer wie Jean-Luc Godard, François Truffaut oder Claude Chabrol Geschichten von den Frauen und der Liebe erzählten.

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