Albrecht Schuch: „Es wird sich viel zu wenig entschuldigt“

Albrecht Schuch: „Es wird sich viel zu wenig entschuldigt“

Albrecht Schuch gehört derzeit zu den gefragtesten Schauspielern Deutschlands. Nun startet mit „Funeral for a Dog“ eine neue Serie mit dem 36-Jährigen in einer der Hauptrollen. Mit ntv.de spricht er über Strategien gegen die Angst und transzendentale Tanz-Momente.

Albrecht Schuch gehört derzeit zu den gefragtesten Schauspielern, die die deutsche Filmlandschaft abseits einfältiger Kommerzkomödien zu bieten hat. Unter anderem war der 36-Jährige in „Systemsprenger“, „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ und „Berlin Alexanderplatz“ zu sehen. Zuletzt überzeugte er außerdem als Autor Thomas Brasch im Biopic „Lieber Thomas“. Nun ist er neben Kollegen wie Friedrich Mücke und Anne Ratte-Polle Teil des Casts der achtteiligen Sky-Serie „Funeral for a Dog“.

In der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Thomas Pletzinger, der auch an dem Drehbuch mitarbeitete, spielt Schuch den Journalisten Daniel Mandelkern. Der reist für ein Interview zu dem gefeierten Schriftsteller Mark Svensson (Friedrich Mücke), der zurückgezogen an einem See in Italien lebt. Dort wird Daniel in die geheimnisvolle Geschichte von Mark, Tuuli (Alina Tomnikov) und Felix (Daniel Sträßer) hineingezogen, die den Zuschauer rund um die Welt führt.

Mit ntv.de spricht Albrecht Schuch über transzendentale Momente, die ihm das Tanzen seiner Rollen beschert, und möglichen Strategien gegen die Angst in Zeiten wie diesen.

ntv.de: Nach Zeiten virtueller Promo sitzen wir heute live und in Farbe zusammen. Begrüßt du das oder sind Interviews ohnehin mehr lästige Pflicht als Kür?

Albrecht Schuch: Es gibt interessierte Menschen, die gerne wissen wollen, was wir da gemacht haben, und das freut mich auch. Aber die Reduzierung auf Worte finde ich grundsätzlich schwierig. Mir fällt allerdings auch noch kein anderes Medium ein, das wirklich abbilden könnte, was und wie wir etwas gemacht haben.

Deinen Kollegen waren für „Funeral for a Dog“ unter anderem auf Kuba, in Finnland und in New York, du hast in Italien gedreht – und das alles während Corona. Hast du die Pandemie im Job überhaupt zu spüren bekommen?

Wir waren in der Branche relativ schnell mit entsprechenden Konzepten am Start, sodass wir auch gleich wieder arbeiten konnten. Ich gehöre – im Gegensatz zu den meisten anderen – also zu einer privilegierten Handvoll Leute, die sich trotzdem noch austauschen, in einer Gruppe arbeiten und eben auch an Orten wie Italien drehen konnten.

Kanntest du das Buch „Bestattung eines Hundes“ von Thomas Pletzinger, als die Anfrage für die Sky-Serie kam?

Nein, ich habe es erst danach gelesen.

Es ist nicht die erste Literaturverfilmung, bei der du mitwirkst. Jetzt sitzen wir hier in der Bibliothek vom „Borchardt“. Zufall?

Nein, das stand in meinem Vertrag. (lacht)

Man sieht vor Büchern sitzend immer klüger aus. Auch in den sozialen Medien ein gern gewähltes Motiv. Da bist du allerdings gar nicht …

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Albrecht Schuch als Daniel Mandelkern.(Foto: Sky Deutschland GmbH)

Stimmt, aber ich erinnere mich natürlich schon auch an die Zeit als 16-Jähriger, als die Freundin zum ersten Mal zu einem nach Hause kam. Da hat man das Buch extra noch in Position gebracht. Dort, wo die Sonne schien, damit man auch ja im richtigen Kontext betrachtet wurde.

Ohne dass der andere weiß, ob man das Buch überhaupt gelesen hat …

Ganz egal. (lacht) Deswegen finde ich den Moment zwischen meiner Figur, Daniel, und Elisabeth (Anne Ratte-Polle, Anm. der Red.) so schön. Wenn sie in seinem Bett liegen, sich umguckt und die ganzen Bücher in seinem Zimmer anschaut. „Hast du die jetzt nur gezählt oder auch gelesen?“ Ich denke, egal wie klug, intelligent oder wie brotig man ist, jeder hat doch mal diesen Impuls, sich mit etwas zu schmücken oder sich durch etwas aufzuwerten – durch Äußerlichkeiten, materielle Dinge.

Was war es, was dich an der Figur des Daniel Mandelkern interessiert hat?

Es war diese vermeintliche Sprachlosigkeit des Charakters. Vor allem, dass er in der Serie nicht so viel spricht. Für mich ist Kino beziehungsweise Film etwas, das über Bilder und Gefühle funktionieren kann. Es sollte dem Zuschauer überlassen sein, sich dort mit eigenem Untertext selbst hineinzuprojizieren. Das vermeintlich Langweilige an Daniel hat mich interessiert, dass er eher beobachtet. Das fand ich so schön normal. Davor habe ich oft Rollen gespielt, die 180 Grad von mir weg waren. Bei denen mit großen Farben, Tönen und Theatralik gearbeitet wurde. Ich hatte mal Lust darauf, eine kleine, schmale und nicht vordergründig auffallende Persönlichkeit zu spielen.

Ganz anders als Thomas Brasch zum Beispiel …

Genau. Er war exzentrisch, laut, immer da, körperlich, immer draußen. Oder Reinhold aus „Berlin Alexanderplatz“. Ich möchte das alles gar nicht kleinreden, aber diese komplett andere Tonalität war mal was anderes und spannend zugleich.

Wie schwer oder einfach ist es, einer Romanfigur Leben einzuhauchen?

Natürlich ist es spannend, wenn jemand eine ganz konkrete Idee von einer Figur hat. Im Falle von „Funeral for a Dog“ ist es der Romanautor. Dann folgt dem Roman eine Serie, die dramaturgisch ganz anders gestrickt ist. Du kannst eine innere Stimme nicht einfach so in einer Verbilderung legen. Dann überprüfst du, was dich daran interessiert. Ich glaube, am Ende ist es eine Melange daraus und dem, was passiert, wenn du vor Ort bist. Es ist toll, vom Tisch ins freie Gehege zu gehen. Vom Kopf ins Tun, weil die Situation vor Ort – ob man will oder nicht – immer mal mit einfließt. Und der Ort an sich.

Läuft das bei einer real existierenden Vorlage wie Brasch anders?

Ich versuche, generell jede Rolle mit einem Stück Realität und einem Stück Fantasie auszustatten. Bei einer Figur wie Thomas Brasch versuche ich mich auf jeden Fall zu lösen, weil der Anspruch auf Authentizität ein falscher ist. Es wird immer zu meiner Wahrheit, es ist immer meine Rezeption. Ich bin nicht größenwahnsinnig und sage, so und so war er oder so ist er. Im Laufe meiner Erarbeitung verschiedener Charaktere habe ich festgestellt, dass das befreiend ist. Karl Valentin hat mal gesagt: „Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.“ Also kann ich meiner persönlichen Note vertrauen und der eigenen Fantasie ruhig Raum geben, vielleicht etwas Bestimmtes betonen. Eben, weil mich etwas anspringt oder etwas anderes interessiert.

Ich habe gelesen, dass du tanzt, um dich in Rollen einzuarbeiten. Wie habe ich mir das vorzustellen?

Es ist dieser transzendentale Moment beim Tanzen. Es geht darum, verschiedene Bewusstseinszustände zu erreichen. Das führt auch im normalen Alltag dazu, dass man eine andere Perspektive auf die Welt erlangt, Dinge anders wahrnimmt. Und so mache ich es auch mit dem Rollen. Wenn ich tanze und dabei den Text aufsage, hört er sich anders an. Wenn ich tanze und dabei über die Rolle nachdenke, verschwindet das Verkopfte und rutscht runter in den Körper.

Ebenfalls in einem Interview vom letzten Jahr hast du gesagt, dass du dein Leben nicht von Angst bestimmen lassen möchtest. Nun haben wir die Pandemie noch nicht hinter uns, da müssen wir uns auch mit dem Krieg in der Ukraine auseinandersetzen. Wie sehr gelingt es dir jetzt noch, keine Angst zuzulassen?

Natürlich möchte ich die Angst nicht mein Leben bestimmen lassen, weil sie irgendwann ein Level erreicht, wo sie hemmt. Dann wird es nur noch destruktiv. Angst ist immer ein Berater, aber ab einem bestimmten Punkt eben kein guter mehr. Irgendwann dreht man sich in dieser Spirale. Gesagt habe ich das vermutlich, weil es zu dieser Zeit auch in der Presse viel um diese Angst ging. Das hat mich irritiert: die vielen Angst machenden Aufhänger in den Headlines. Das treibt uns voneinander weg. Man könnte es doch auch anders aufbauen, als Sorge formulieren und gemeinsame Strategien finden. Ich finde es wahnsinnig fahrlässig und einer Gesellschaft absolut nicht dienlich.

Wie bekommen wir beim Blick auf die aktuelle Weltlage da die Kurve?

Mit Kommunikation. Dass man einer Sache auch mal wieder zwei Sätze statt 240 Zeichen widmet oder sich auch mal zwei Tage Zeit nimmt. Und dass man dem anderen zugesteht, an dem einen Tag vielleicht ein bisschen überreagiert zu haben. Und am nächsten Tag kann derjenige das realisieren und sich entschuldigen. Ich finde, dass sich generell viel zu wenig entschuldigt wurde für bestimmte Sachen. Auch von politischer Seite aus. Die Politik hat zu wenig Eingeständnisse gemacht, wenn mal etwas falschgelaufen ist. Man sollte eher den Grundton des Austauschs etablieren. Wir sind gerade alle mit einer sehr kurzen Zündschnur ausgestattet. Es geht scheinbar nur noch darum, wer am schnellsten die prägnanteste Reaktion zeigt und nicht mehr darum, vernünftig zu überlegen.

Mit Albrecht Schuch sprach Nicole Ankelmann

Die Serie „Funeral for a Dog“ ist ab dem 17. März auf Sky Ticket abrufbar.

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