Alexander Bernstein schickt „West Side Story“ um die Welt

Alexander Bernstein schickt „West Side Story“ um die Welt

Mit der Geschichte von den Sharks, den Jets und einer Liebe, die nicht sein darf, begeistert „West Side Story“ Musical-Fans seit den 50er-Jahren. Alexander Bernstein, Sohn von Komponist Leonard Bernstein, freut sich im Interview mit ntv.de darauf, das Werk bald sogar auf Welttournee zu schicken.

Leonard Bernstein ist einer der wichtigsten Dirigenten und Komponisten der Gegenwart. Auch wenn er selbst bereits 1990 verstarb, überdauern ihn seine Werke bis heute. Sein wohl bekanntestes Musical ist „West Side Story“, das nicht nur immer wieder am Broadway aufgeführt wird und zuletzt von Stephen Spielberg noch einmal als Film neu umgesetzt wurde. Es wird in einer frischen Version bald sogar auf Welttournee gehen und Station in Städten wie Paris, Tokio und München machen.

Anlässlich dessen traf ntv.de Leonard Bernsteins Sohn Alexander Bernstein bereits Ende Juni im Familienapartment nahe des New Yorker Central Parks. Der heute 67-Jährige ist das zweite von drei Kindern des Komponisten und in sämtliche Projekte, die das Andenken seines Vaters erhalten, involviert. Im Interview verrät er, was ihm „West Side Story“ ganz persönlich bedeutet und wie es sich anfühlt, die Arbeit seines Vaters einmal um die ganze Welt zu schicken.

ntv.de: Mr. Bernstein, Sie waren erst zwei Jahre alt, als „West Side Story“ 1957 uraufgeführt wurde. Wann kamen Sie zum ersten Mal bewusst damit in Berührung?

Alexander Bernstein: Ich weiß es nicht mehr ganz genau, aber es muss ungefähr zu der Zeit gewesen sein, als wir die Platte zu Hause hatten und meine Schwester und ich sie die ganze Zeit spielten. Ich kannte also die Musik zuerst. Und dann, als der Film 1961 erschien – da war ich sechs Jahre alt -, habe ich zum ersten Mal die dazu tanzenden und schauspielernden Menschen gesehen.

Können Sie sich nicht daran erinnern, was Sie dabei empfunden haben?

Es war total aufregend, weil ich die Musik so gut kannte. Die Action zu erleben, war einfach fantastisch.

Welche Bedeutung hat „West Side Story“ seither für Sie?

Diese Show ist ein wichtiger Teil meines Lebens, in vielerlei Hinsicht. Ich habe in der Grundschule unterrichtet und dann mit der Mittelstufe Theater gemacht. Ein Jahr nach dem Tod meines Vaters haben wir mit der Highschool eine Produktion von „West Side Story“ herausgebracht. Ich führte Regie und spielte auch selbst mit. Das war außergewöhnlich. Ich hatte vorher keine Ahnung, wie schwer diese Show ist.

Was war daran die größte Herausforderung?

Alles, um ehrlich zu sein. (lacht) Zu singen ist schwer. Die Musik ist schwierig, weil die Rhythmen sich ständig ändern. Also ist es auch schwer, dazu zu tanzen. Und es ist schwierig, zu schauspielern und sowieso, all diese Dinge gleichzeitig zu tun. In dem Alter, in dem die Schüler waren, ist es sowieso schwer, sich so zu bewegen. Es war eine Gruppenleistung, für die alle so hart gearbeitet haben. Das war eine großartige Erfahrung.

Nun wird „West Side Story“ auf Welttournee gehen. Inwieweit sind Sie von der Entwicklung dieser Idee bis zu ihrer finalen Umsetzung involviert?

Meine Schwestern und ich leiten sozusagen das Unternehmen Bernstein. Aber ich bin nicht mehr in die kreativen Arbeiten involviert. Ich gehe zu den Treffen mit den anderen Autoren – den Vertretern des Sondheim-Nachlasses (Autor Stephen Sondheim – Anm. d. Red.) und denen von Jerome Robbins (Choreograf – Anm. d. Red.). Der Lawrence-Nachlass (Maria-Darstellerin Carol Lawrence – Anm. d. Red.) hat all die Daten gesammelt. Und so entscheiden wir als Gruppe, wer was machen darf. Das ist fantastisch. Wir kommen alle gut miteinander aus und treffen gute Entscheidungen, denke ich.

Welche Entscheidungen sind das bezogen auf diese Tournee?

Die Produktion ist so gut, so gründlich, so professionell. Und es sind alles so gute Leute. So gut, dass man sich fragt: ‚Wie könnten wir das nicht machen wollen?‘ Besonders Regisseur Lonny Price und sein Team von außergewöhnlichen Talenten. Ich kann es kaum erwarten, die Besetzung zu sehen, an der sie gerade arbeiten.

Zumal Sie mit Lonny Price eine lange Freundschaft verbindet …

Wir kennen uns schon sehr, sehr lange. 1980 spielte er die Hauptrolle in Stephen Sondheims Musical „Merrily We Roll Along“. Er war ein sehr junger Mann, der die Rolle von Charlie spielte. Ich arbeitete als Produktionsassistent bei „ABC Documentaries“, und wir drehten einen Film über die Entstehung der Show. Meine Aufgabe war es, die Schauspieler kennenzulernen, denn ich war der Jüngste im Team. Ich musste auf die Partys gehen, mit ihnen abhängen. So freundete ich mich nicht nur mit Lonny an, sondern auch mit einem Haufen anderer Darsteller. Aber Lonny und ich sind uns in diesem Jahr besonders nahe gekommen, denke ich, und ich bin ihm immer nahe geblieben. Er ist einer der großartigsten Menschen auf der Welt und zufällig auch ein wirklich talentierter Regisseur.

Vor einem Jahr erschien ein neuer „West Side Story“-Film von Steven Spielberg. Wie kommt es zu so etwas? Klingelt Ihr Telefon, Steven ist dran und pitcht seine Idee?

So ähnlich. (lacht) Allerdings ist das in dem Fall schon 13 Jahre her. Damals hatte er mir bei unserem ersten Treffen erzählt, dass er diesen Film schon immer machen wollte. Und natürlich haben wir dazu ja gesagt. Dann hat es aber eben noch eine ganze Weile gedauert, bis er so weit war und alles dafür Nötige zusammen hatte. Ich finde, der Film ist wirklich fantastisch geworden.

Wie oft haben Sie ihn gesehen?

(lacht) Schon ein paar Mal. Ich war sogar allein im IMAX, um ihn mir anzuschauen. Es war der erste Film seit Beginn der Pandemie, für den ich im Kino war. Es waren außer mir nur noch 40 Leute da, Abstand zu halten war also eher kein Problem.

Bei den anstehenden Vorstellungen wird es bestimmt voller in den jeweiligen Sälen. Wie groß ist die Vorfreude bei Ihnen?

Wir sind alle so aufgeregt, weil das Musical in die Welt hinausgeht. Auch wenn die Show dem Original sehr treu bleibt, ist es eine frische Vision und eine junge Besetzung. „West Side Story“ war schon immer sehr beliebt. Und ich denke, das wird es auch immer sein, weil es – leider – so aktuell ist. Aber zum Glück auch, weil es sich um eine zeitlose Liebesgeschichte handelt.

Die Show macht unter anderem Halt in Tokio und in Paris. Glauben Sie, dass das Publikum die Geschichte überall ähnlich aufnimmt und empfindet? Oder gibt es regionale Unterschiede?

Ich denke, „West Side Story“ ist universell. Und das ist der Grund, warum es so ein beliebtes und dauerhaftes Werk ist, denn egal, wohin die Show reist, die Leute werden die Sharks und die Jets in der einen oder anderen Form auch bei sich sehen. Es wird überall einen Konflikt wie diesen geben. Und es wird Menschen geben, die sich trotzdem lieben. Egal, in welche Kultur. Jeder wird eine persönliche Beziehung dazu haben.

Werden Sie selbst sich Shows außerhalb der USA anschauen?

Ich denke, ich werde zur Premiere nach München fliegen.

Aktuell arbeitet Bradley Cooper an einem Film über Ihren Vater mit dem Titel „Maestro“, in dem er ihn auch selbst spielt. Wie viel wissen Sie darüber?

Ich habe mit Bradley natürlich ein wenig gesprochen. Er ist unglaublich. Er hat eine Menge recherchiert, um meinen Vater zu verkörpern. Manchmal schickt er Fotos und stellt Fragen. Er möchte, dass der Film so authentisch wie möglich wird. Und auch Carey Mulligan wird großartig sein als meine Mutter.

Wer wird Sie spielen?

Ich weiß nicht, ob ich das sagen darf …

Na gut … Aber fühlt sich das alles nicht seltsam an?

Allerdings. Aber es ist auch sehr cool. Im Moment kann ich mir noch nicht vorstellen, dass jemand anders meinen Vater spielt, um ehrlich zu sein. Aber Bradley Cooper ist es einfach, er hat sich voll reingehängt.

Ihr Job ist es, den Nachlass Ihres Vaters zu verwalten und sein Andenken und zu bewahren. Was genau bedeutet das?

Nun, es gibt verschiedene Teile. Bernstein ist der Komponist. Da sind die Theaterstücke, da sind die Sinfonien. Es gibt also eine Menge Lizenzierungsarbeit. Unsere Firma hat eine Lizenzabteilung, eine Musikredaktion. Und wir haben jemand, der die ganze Musik sehr gut kennt. Wer auch immer also die Musik meines Vaters spielt, dieser Mensch weiß es. Und mein Vater war ein unglaublicher Lehrer. Das alles und noch viel mehr ist sein Vermächtnis. Sein Vermächtnis als Pädagoge erstreckt sich auch auf das Projekt, das als „Artful Learning“ bekannt ist. Wir arbeiten derzeit mit über 20 Schulen im ganzen Land und mit Pädagogen zusammen, um die Kunst und die künstlerischen Prozesse in den Mittelpunkt des Lehrens und Lernens in allen Fächern zu stellen.

Das ist aber ein reines US-Projekt, oder gibt es davon auch internationale Ableger?

Das könnte schon irgendwann passieren. Wir müssten uns etwas einfallen lassen, weil es ein Präsenzprojekt ist. Wir haben ein Team von Ausbildern, die in die Schulen gehen, um dort Schulungen für die Pädagogen vor Ort durchzuführen. Aber wir arbeiten seit der Pandemie mehr und mehr auch online. Man kann also nie wissen …

Immerhin hatte doch auch Ihr Vater eine besondere Verbindung zu Deutschland, wenn mich nicht irre?

Absolut. Er hat in den 80er-Jahren Zeit einige Zeit in Norddeutschland verbracht und das Schleswig-Holstein Musik Festival mitgegründet. Beim Eröffnungskonzert 1986 dirigierte er das Symphonieorchester und den Chor des Bayerischen Rundfunks. Und er leitete die Orchesterakademie des Festivals, wobei er sich auf seine frühen Jahre beim Tanglewood Music Festival in Massachusetts bezog.

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