Auf in den K(r)ampf …

Auf in den K(r)ampf …

Er nervt. Der Bahnstreik. Die, die es direkt betrifft, sehr. Die, die es nur indirekt betrifft, weil ihre gern auch mit Leib und Leben verteidigten Straßen noch voller sind als üblich, nicht minder. Vor allem nervt es, dass es kein anderes Thema mehr gibt.

GDL und Weselsky beherrschen die Schlagzeilen, die Timelines und den Tagesablauf eines jeden. Ein sechstätiger Bahnausfall tut eben weh, weit mehr als die sonst so üblichen Verspätungen. Aber das muss er ja auch. Stell dir vor, es ist Streik und niemand merkt’s.

Und doch siegt das Interesse für das eigene kleine Schicksal über das für jene, die in den – sicher nicht ganz unberechtigten – Arbeitskampf ziehen. Wie viele der Menschen, die sich in Kommentarspalten, sozialen Netzwerken und auf kurzfristig stillgelegten Bahnhöfen echauffieren, wissen wohl, worum es überhaupt geht? Was dank seiner massiven Medienpräsenz am Ende hängenbleibt, ist der Unsympathiefaktor des Herrn Weselsky, aber auch seine Hartnäckigkeit. Das wird ihm in Zukunft in der freien Wirtschaft sicher einen lukrativen Job einbringen. Aber das ist ein anderes Thema.

Reisende und Pendler sind natürlich nur Kollateralschäden im Kampf gegen das eigentliche Ziel: die Deutsche Bahn. Lokführer werden unterdurchschnittlich bezahlt (max. 2.000 Euro netto nach 25 Dienstjahren – und das bei 2,1 Milliarden Euro Gewinn für die DB in 2014) und machen überdurchschnittlich viele Überstunden. Von der täglichen Verantwortung und der psychischen Belastung durch „Personenunfälle“ mal ganz abgesehen. Doch gefühlt sind sie unsichtbar. Zug kommt. Zug hält. Zug fährt weiter. Nur tut er das eben nicht ohne Lokführer. Wie wichtig sie für den reibungslosen Tagesablauf so vieler Menschen sind, wird oft übersehen – und jetzt schmerzhaft sichtbar gemacht.

Natürlich macht es ein Mann wie Weselsky dem Rest der arbeitenden Zunft nicht gerade leicht, Lokführern und ihren Rechten gegenüber Solidarität zu empfinden. Und doch kann man einen solchen Streik doch auch sinnvoll nutzen. Warum nicht selbst ein Plakat oder Transparent malen und öffentlich machen, was man gerade sucht – neuen Job, neue Freundin – oder wogegen man ist – BND, Massentierhaltung, die aktuelle Freundin oder Bahnstreiks.

Während man also dort so steht und auf den Schienenersatzverkehr, das Taxi oder die Mitfahrgelegenheit wartet, einfach das entsprechende Anliegen an den Mann und die Frau bringen. Und schon fühlt man sich wie ein sinnvoll agierendes Mitglied einer kampfbereiten Gesellschaft und nicht länger wie ein Opfer der GDL.

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