Bonaparte: „Es ist keine Option, etwas nicht zu tun“

Bonaparte: „Es ist keine Option, etwas nicht zu tun“

Es gibt wenige Künstler, denen es immer wieder auf solch wundersame Weise gelingt, sich neu zu erfinden, wie Bonaparte. Gestartet als krawallige Indie-Punkrock-Band hat sich Mastermind Tobias Jundt über die Jahre und insgesamt fünf Alben an diversen Genres abgearbeitet und langsam in Richtung originelle Popmusik mit Gefühl bewegt. Mit dem nun erscheinenden sechsten Album „Was mir passiert“ geht er seinen Weg konsequent weiter und hat doch wieder Essenzielles anders gemacht.

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Zum ersten Mal textet und singt der Schweizer nämlich in dem ihm gar nicht mal zu 100 Prozent vertrauten Hochdeutsch. Er gönnt sich ruhige, nachdenkliche Passagen und beschäftigt sich vor allem mit allerlei Zwischenmenschlichem. Für musikalische Inspirationen hat es ihn gleich mehrfach nach Abidjan an der Elfenbeinküste verschlagen. Das durch die enge Zusammenarbeit mit dort einheimischen Künstlern entstandene Geflecht aus Bonaparte-Sound und Afrobeats macht „Was mir passiert“ zu einem mal wieder abwechslungsreichen und neuartigen Bonaparte-Album.

n-tv.de hat Jundt erzählt, was ihn antreibt und welche Rolle seine beim Interview ebenfalls anwesende achtjährige Tochter Ruby dabei spielt. 

n-tv.de: Tobias, es ist das erste Mal, dass du – nach fünf vorherigen Alben – nicht mehr auf Englisch, sondern auf Deutsch getextet hast. War das eine sehr große Herausforderung?

Tobias Jundt: Es war für mich richtig schwierig, obwohl ich seit zwölf Jahren hier lebe. Ich saß ein Jahr auf dem Album herum, obwohl es fertig war, und habe mich immer wieder gefragt, ob Bonaparte das wirklich kann. Wenn ich assoziativ schreibe, klingt es wie Deichkind; wenn ich den Bonaparte-Sound von früher auf Deutsch mache, klingt es wie andere Bands, die es schon gibt. Am Ende habe ich dann aber über Dinge geschrieben, die im Menschen selbst sehr kleinteilig sind. Über Beziehungen, Gefühle, Weinen … Da fand ich es dann spannend. Bonaparte ist auf Deutsch ein ganz anderer als auf Englisch.

Schafft die deutsche Sprache für dich also eher mehr oder weniger Distanz?

Ich spreche zwar in meinem Leben mehr Englisch als Deutsch, trotzdem habe ich da einen Wortschatz, der größer ist und tiefer geht. Gleichzeitig habe ich keinen emotionalen Bezug zur Sprache. Wenn ich mit jemandem Schwyzerdütsch spreche, verstehe ich denjenigen sofort auch emotional. Alle Leute, die eng an mir dran sind, sprechen sogar noch den Dialekt aus meiner Heimatstadt, selbst hier im Exil in Berlin. Ich beherrsche die deutsche Sprache, aber ich habe sie eben nur gelernt. Ich habe mit der deutschen Sprache regelrecht gehadert.

Trotz aller Zweifel hast du das Ding aber durchgezogen.

Dennoch kommen auch Sachen in meinen Texten vor, die schlicht falsch sind. Zum Beispiel, dass ein Wein Korken hat. Bei euch korkt er. Wir sprechen dem Wein diese Fähigkeit nicht zu. Bei uns ist es eher wie Krankheit, die er hat, weil der Mensch der Flasche einen Korken verpasst hat.


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Glaubst du, dass die deutschen Texte deinem Publikum einen anderen, neuen Zugang zu dir und deiner Musik verschaffen? Vor allem bei den Konzerten.

Ich weiß das noch nicht. Ich habe auf der letzten Tour schon mal ein bisschen was Neues gespielt. Es wird schon schwierig, damit raus auf die Bühne zu gehen. Aber das ist bei fast allen neuen Songs so. Zum Beispiel auch, als ich das erste Mal „White Noise“ gespielt habe, das viel langsamer ist als die alten Bonaparte-Songs. Aber wenn alle den Song kennen, hat man zusammen diesen Moment. Das wird dieses Mal auch passieren, aber es ist ein Weg.

Du bist schon mit dem letzten Album „The Return Of The Stravinsky Wellington“ beinahe ruhig geworden. Vom Krawall-Party-Punk-Rocker zum nachdenklichen Singer-Songwriter? Überhaupt erfindest du dich immer wieder neu. Langweilst du dich schnell?

Ja, das war schon immer meine Art. Ich war immer ein reaktionärer Songwriter, ein Reisender. Ich gehe irgendwohin, höre zu und verarbeite das. Dann kommen Ideen, was man damit machen kann. Und dann tue ich es eben. Ich gehe einfach mit dem Flow.

Dieses Mal bist du für die Inspiration nach Abidjan an der Elfenbeinküste gereist. Das hatte ja hörbar Einfluss auf deinen Sound.

Richtig, ich hatte einen Freund, der da unten lebte und Beziehungen in die Musikszene hatte. Dann bin ich einfach dahingegangen, ich hatte keine Ahnung von nichts. Auf den ersten Reisen habe ich immer andere Musiker kennengelernt und mir erstmal angeguckt, was ein lokaler Gitarrist oder Keyboarder mit meiner Musik und meinen deutschen Texten macht. Auf die nächsten Reisen habe ich mich dann ganz anders vorbereitet. So sind diese Hybride zwischen Sachen vor Ort und meiner Soundwelt entstanden wie „Warten“, „Cameroon“ und „Ich koche“. Da verschmelzen die Welten.

Die Menschen in Abidjan waren allem gegenüber offenbar sehr aufgeschlossen. Erlebst du das hier anders?

Absolut. Hier heißt es oft: Das kannst du so nicht machen, das geht doch nicht. Sogar der Begriff der „kulturellen Aneignung“ fiel. Als Schweizer bist du ja für viele per se erstmal reich, egal, aus welcher Schicht du kommst. Und dann gehst du nach Afrika und lässt die Leute da für dich tanzen.

Aber so war es ja nicht?

Nein, denn wenn du die Platte hörst, dahinter steckt schon ein krasser Prozess. Es ist eine echte Kollaboration, wir gehen so auch auf Tour und wollen es vermischen. Es ging immer um den Spirit, was zu reißen. Für mich ist es keine Option, etwas nicht zu tun, weil jemand ein Problem damit haben könnte. Ich habe auch nie die Ideologie des Punk gelebt und trotzdem haben viele Bonaparte früher für Punk gehalten. Man muss einem Künstler auch mal ein bisschen eigenen Willen zugestehen. Zugestehen, dass er macht, worauf er Bock hat. (lacht)

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Es gibt auf „Was mir passiert“ aber auch Nummern, die etwas anders funktionieren. Zum Beispiel „Big Data“, für das du mit Farin Urlaub und Bela B. von den Ärzten zusammengearbeitet hast. In einem provisorischen Video dazu taucht außerdem noch Romano auf.

Es gab ein richtiges Video dazu, aber das wollte ich nicht rausgeben, also habe ich das mit Romano gedreht. Der ganze Song ist ein Versteckspiel, „Big Data“ und so. Aber es ist nicht mein Lieblingslied auf der Platte, obwohl es voll schön war, was mit Farin und Bela zu machen. Meine Tochter Ruby singt im Background und auch die Töchter des Pfarrers aus Abidjan. Aber mich berühren eher die Lieder, die poetisch sind und persönliche Konflikte besprechen, als die „Wir sind lustig und ein bisschen politisch“-Songs.

Und Ruby, wie war es für dich im  Studio?

Ruby: Das hat Spaß gemacht. Im Hintergrund von „Big Data“ sage ich übrigens gar nicht „Big Data“, sondern „Big Dada“, für meinen Daddy. (lacht)

Du bist auf „Was mir passiert“ mehrfach im Hintergrund zu hören. Auf dem letzten Album war mit „High Five In Your Face“ sogar ein Song dabei, den du getextet und gesungen hast.  Möchtest du irgendwann auch ins Musikbusiness einsteigen?

Das weiß ich noch nicht. Das entscheide ich später.

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