Corey Taylor lässt die Maske fallen

Corey Taylor lässt die Maske fallen

Als Frontmann der Bands Slipknot und Stone Sour ist Corey Taylor eigentlich gut beschäftigt. Außerdem ist er noch Autor und Schauspieler. Trotzdem veröffentlicht der 46-Jährige jetzt zusätzlich sein erstes Soloalbum. Mit ntv.de sprach er über Vergangenheit, Zukunft und die große Hoffnung.

Seit Mitte der 1990er-Jahre ist Corey Todd Taylor nun schon erfolgreich im Rockmusikgeschäft, unterhält mit Slipknot und Stone Sour gleich zwei gefeierte Bands, hat zwei Bücher geschrieben und außerdem in einigen Horrorfilmen mitgespielt. Privat hat er eine Frau, eine Ex, sowie mit ihnen insgesamt drei Kinder. Unterbeschäftigt scheint der 46-Jährige also eigentlich nicht zu sein, trotzdem veröffentlicht er nun auch noch ein Album, für das er nahezu allein verantwortlich zeichnet.

Und während Maskentragen heute Pflicht statt Kür ist, trug er die seine als Frontmann der Metal-Band Slipknot viele Jahre freiwillig. Für seinen Longplayer „CMFT“ – benannt nach seinem Spitznamen aus vergangenen Tagen: „Corey Mother Fucker Taylor“ – hat er das Teil allerdings abgesetzt und gewährt nun einen Blick dahinter. Was man dort sieht beziehungsweise hört, ist anders als alles, was Slipknot und Stone Sour je gemacht haben. Taylor bedient sich aus Genres wie Country und Rock’n’Roll und erschafft so das wohl best gelaunte Album seiner bisherigen Karriere.

Die Präsentation des Albums findet – zu seinem eigenen Bedauern wie dem seiner Fans – gerade nicht live auf der Bühne statt, doch immerhin gibt es zum Release am 2. Oktober ein besonderes Streaming-Event. Darüber und über die Zukunft der USA im Allgemeinen sowie der Musikszene im Speziellen hat der 46-Jährige im Interview mit ntv.de gesprochen. Auch erklärt er, warum es ihm gerade jetzt wichtig war, einen weniger düsteren Sound als üblich unter die Leute zu bringen.

ntv.de: Du machst so viele unterschiedliche Dinge. Arbeitest du daran oft zur selben Zeit oder hat jedes Projekt seinen bestimmten Moment?

Corey Taylor: Ein bisschen kann ich an den Sachen im Hintergrund arbeiten, aber wenn die eigentliche Arbeit an einem Drehbuch, einem Song oder etwas in der Art beginnt, muss ich mich schon darauf fokussieren. Dann hat eben das Priorität. Manchmal ist es aber auch gut, etwas Abstand zu nehmen und kurz etwas anderes zu tun.

Kommt es vor, dass dir doch mal alles zu viel wird, weil dein Kopf zu voll mit Projekten und Ideen ist?

Ich versuche definitiv, einen Gang zurückzuschalten, wenn ich emotional oder kreativ zu gefangen bin. Ich versuche, mich ein bisschen selbst zu limitieren – auf zwei oder drei Dinge. Ich möchte mich nicht so fühlen, als würde ich irgendwie hinterherhinken oder sei nicht zu 100 Prozent bei der Sache. Das ist wichtig, um wirklich gut zu sein.

Gibt es eigentlich irgendwas, das du noch nicht gemacht hast – auf künstlerischer Ebene? Vielleicht etwas, das du noch tun möchtest? Wie sieht es zum Beispiel mit Malerei aus?

Meine Frau hat mir vor fünf Jahren tatsächlich mal eine Leinwand und Farben geschenkt. Bis heute habe ich damit nichts gemacht. Ich bin so ein mieser Ehemann. (lacht) Ich bin nicht so der visuelle Typ, ich konnte es einfach nicht.

Vielleicht ist die Zeit einfach noch nicht reif dafür. So wie sie jetzt erstmal reif ist für dein Soloalbum.

Richtig, ich hatte das schließlich schon seit zehn Jahren im Hinterkopf.

Na bitte, dann hast du ja noch fünf Jahre, um dich der Malerei zuzuwenden.

Wow, das stimmt. Ich habe offenbar einen Zehn-Jahres-Plan. (lacht) Ich habe schon vor ein paar Jahren noch eine Band gestartet, die Junk Beer Kidnap Band, die einfach spaßigere Musik gemacht hat, als wir sie mit Slipknot oder Stone Sour machen. Wir haben einige meiner Songs live gespielt, und da habe ich gemerkt, dass das etwas ist, dass ich weiterverfolgen möchte. Allerdings rutschte das zugunsten der anderen Bands erstmal in den Hintergrund. Nach einem der letzten Slipknot-Alben hatte ich dann aber irgendwie einfach genug von dem harten, toxischen Sound. Ich wollte was mit einem größeren Spaßfaktor machen, etwas, dass das Leben und die Musik mehr feiert. Da wusste ich, dass die Zeit reif ist.

Das war noch vor Corona. Glaubst du, dass die Leute jetzt erst recht bereit dafür sind?

Absolut! Es ist die perfekte Zeit. Niemand möchte mehr depressive, traurige Musik hören, so fühlen wir uns doch sowieso schon. Die Quarantäne, Covid und alles, was sonst noch so passiert – da brauchen wir mal wieder einen Grund zum Lächeln, um den Stress abzubauen. Ein Song kann jemandem durch harte Zeiten helfen.

Aber ein bisschen hilft es ja sicher auch dir selbst?

Auf jeden Fall! Diese Songs wieder hervorgeholt zu haben, hat mir geholfen, tief durchzuatmen und eine Menge von dem Schmerz, mit dem ich die letzten Jahre gekämpft habe, loszulassen. Das Schwerste daran ist, dir selbst zu erlauben, zu heilen. Du fühlst dich wohl und sicher in deiner Dunkelheit. Und genau das tue ich jetzt nicht mehr. Es gibt mir einen Grund zu lächeln – neben meiner Familie, meinen Kindern -, einen Grund, weiterzumachen. Es startet den Heilungsprozess. Die letzten vier Jahren waren mental wirklich hart. Kreativ gesehen waren es sicher die besten meiner Karriere, aber persönlich … Einige der Songs auf „CMFT“ hätte ich damals nicht aufnehmen können, weil ich mich an einem solch dunklen Ort befand. Ich musste erst von dort weg und genug Strecke zurücklegen, um diese völlig andere Energie aufzubringen.

Die Quarantäne hatte sogar einen positiven Einfluss auf den Arbeitsprozess. Geplant war das Album doch eigentlich erst für 2021?

Wir wollten es eigentlich erst im Januar oder Februar aufnehmen, nach der Slipknot-Tour. Als dann aber alles dicht gemacht wurde, war ich gut drei oder vier Wochen nur zu Hause. Da habe ich erkannt, dass das vielleicht die Gelegenheit ist, das Album einfach früher aufzunehmen. Meine Leute waren alle zwei Wochen in Quarantäne, damit wir sicher waren, als wir mit der Arbeit anfingen. Wir haben in der Zeit auch niemand anderen gesehen. Wir hatten so etwas zu tun und auch noch Spaß dabei.

Du lebst in Las Vegas. Wie ist die Situation dort gerade hinsichtlich Corona?

Es ist ein ständiges Auf und Ab. Andauernd ändert sich was. Einige Schulen sind offen, andere nicht. Gerade steigen die Fallzahlen wieder. Ich hoffe einfach, dass es irgendwann zurück zur Normalität geht.

Ein frommer Wunsch. Was auch bedeuten würde, dass du mit deinem Album auf Tour gehen könntest. Das ist ja erstmal nicht möglich …

Leider nein. Dafür präsentieren wir das komplette Album am Release-Datum in einem Livestream mit dem Titel „Forum or Against’em“ – ich weiß, das ist ein geiles Wortspiel. (lacht) Das Ganze wird zwei Stunden gehen, und wir spielen auch Stone-Sour- und Slipknot-Songs. Es gibt sogar Pyros, die volle Show eben. Okay, es wird wohl für uns etwas seltsam sein, weil wir kein Publikum haben. (lacht)

Klingt gut, aber ist natürlich trotzdem nicht dasselbe …

Glaub mir, ich zähle die Tage, bis wir wieder auf Tour gehen können. Ich war 20 Jahre lang ja quasi nur auf Tour, das fehlt mir extrem.

Hat dich die Pandemie also privat oder beruflich härter getroffen?

Nun, man ist natürlich privat schon immer in Sorge um seine Familie und die Freunde. Aber beruflich ist das nochmal was ganz anderes. Ich hoffe so sehr, dass nächsten Sommer wieder mehr geht. Ich wünschte, klügere Menschen wären für die Sache zuständig und würden auch mit besserem Beispiel vorangehen. Es gibt keinen richtigen Leitfaden zurzeit. Das bringt uns überhaupt erst in diese Situation, und das schon für sechs oder sieben Monate jetzt. Man kann einfach nur das Beste hoffen, mehr kann ich selbst leider nicht tun, um die Lage zu ändern.

Wie viele kleine Clubs werden nächstes Jahr wohl noch übrig sein?

Die Situation ist in den USA genauso wie bei euch. Für nachfolgende Generationen – an Bands und Zuschauern – ist das eine Katastrophe. Es gibt die Möglichkeit zu spenden für verschiedene Locations. Das ist wichtig.

In einem Monat ist Präsidentschaftswahl in den USA. Vielleicht treten da erste Änderungen ein?

Das ist die große Hoffnung, die ich habe. Es ist nur eine Frage der Zeit. Jeder fragt mich, wen ich wählen werde, und es ist nicht Trump. Es ist Zeit für dieses Land, dass jemand kommt, der wieder Ruhe reinbringt. Alles, was Trump uns gebracht hat, ist Chaos. Der wirtschaftliche Erfolg geht noch auf die Obama-Regierung zurück. Trump hat nur die Früchte geerntet, das hätte auch ein anderer Politiker gekonnt. Trump ist verantwortlich für Chaos, Antisemitismus, die Vorherrschaft der Weißen und den totalen Verlust von jeglichem Respekt. Ich denke schon, dass die meisten Leute müde davon sind und nur darauf warten, ihn abzuwählen.

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