„da nich für!“ endlich bereit / Dendemann beendet die Wartezeit

„da nich für!“ endlich bereit / Dendemann beendet die Wartezeit

Ende 2016 steigt Rapper Dendemann als musikalischer Sidekick von Jan Böhmermann beim „Neo Magazin Royale“ aus. Ein neues Album gibt es trotzdem erst jetzt. Warum das alles so lange gedauert hat, verrät er n-tv.de im Interview.

„Wann ist dein Album fertig?“ war die Frage aller Fragen, die sich Dendemann in den vergangenen Jahren am häufigsten anhören musste. Selbst sein damaliger Arbeitgeber Jan Böhmermann schloss damit die letzte „Neo Magazin Royale“-Sendung mit Dendemann-Beteiligung im Dezember 2016. Eine konkrete Antwort blieb ihm der sonst so wortgewandte Rapper – wie allen anderen – schuldig. Bis jetzt.

Am 25. Januar erscheint unter dem Titel „da nich für!“ nun also endlich sein dritter Longplayer. Mit den ersten Auskopplungen „Keine Parolen“, „Littbarski“ und „Wo ich wech bin“ legte Dendemann selbst die Latte hoch, doch erfüllt er sämtliche Erwartungen auch auf Albumlänge mit Leichtigkeit. Kluge Texte zwischen Aktualität und Zeitlosigkeit, Reime zwischen Humor und Ernsthaftigkeit, Beats zwischen HipHop und Trap – der 44-Jährige ist in Topform.

Den 1974 in Wickede geborene und im sauerländischen Menden aufgewachsenen Ebel zog es Mitte der 1990er-Jahre ins rap-musikalisch ausgereiftere Hamburg. So dauerte es nicht lange, bis sich erste sicht- und hörbare Erfolge einstellten, unter anderem als MC an der Seite von DJ Rabauke mit dem HipHop-Duo Eins Zwo. 2006 erschien mit „Die Pfütze des Eisbergs“ Dendemanns Solo-Debüt, 2010 gefolgt von „Vom Vintage verweht“, das Moses Schneider (Beatsteaks, Tocotronic) produzierte. Anschließend – zumindest in Sachen Album – lange nichts.

Man könnte nun Böhmermann und dem „Neo Magazin Royale“ daran eine Mitschuld geben. Immerhin hielt Dendemann seine Anstellung als ständiger Gast mit wöchentlichem Rap-Output zwei Jahre lang vom Produzieren neuen Materials ab. Doch tut das nicht einmal Dendemann selbst. Dabei steht die häufigste Frage, die er sich heute in Interviews stellen lassen muss, immerhin in direkter Kohärenz zu Böhmermanns letzter.

Warum hast du neun Jahre gebraucht, um ein neues Album an den Start zu bringen?

Dendemann: Dafür, dass ich eigentlich eine recht kurze Leitung habe, wirkt das tatsächlich verwunderlich. Die Antwort darauf liegt irgendwo zwischen „Weil ich es kann“ und „Weil ich nicht konnte“. Immer, wenn die Funktionalität soweit hergestellt war, dass es theoretisch hätte losgehen können, gefiel mir das Resultat nicht. Das war zwar immer alles in Ordnung, das konnte man schon so machen, hatte ich allerdings eben auch genau so bereits schon gemacht. Vielleicht in jüngeren Jahren sogar besser, was man im Nachhinein gar nicht mehr so richtig beurteilen kann. Also schiebt man erstmal alles auf die Musik und versucht, den Sound zu finden, der einen zu Höchstleistungen antreibt. Damit verbringe ich ganz locker schon mal ein Jahr. Also damit, Beats zu machen und per Ausschlussverfahren ans Ziel zu kommen.

Das Ziel trägt jetzt den Namen „da nich für!“, umfasst zwölf Songs und wurde mit dem Produzenten-Team Die Krauts (Peter Fox, Marteria) aufgenommen, die du noch aus Hamburger Eins-Zwo-Zeiten kennst. Wann habt ihr das Ganze auf den Weg gebracht?

Nach den ersten zwei, drei gemeinsamen Songs war klar, dass wir die ganze Platte zusammen machen wollen. Da hätte es dann theoretisch losgehen können. Das war ein Jahr, bevor das mit dem „Neo Magazin“ anfing …

Also 2014?

Genau. Wir waren auch wirklich ganz zügig bei der Sache damals, dann kam jedoch die Anfrage vom „Neo Magazin Royale“, und – warum auch immer – das musste ich machen. So hat es dann ein bisschen das Tempo aus der Sache genommen. Es hat sich aber dadurch auch ganz viel entwickelt, was sonst heute nicht auf der Platte wäre.

Das „Neo Magazin Royale“ hat dich also nicht nur konkreter ins Bewusstsein der Menschen gerückt und deinen Fame-Faktor vergrößert, sondern dich auch inhaltlich und künstlerisch weitergebracht?

Wie es für meinen Bekanntheitsgrad getan hat, wird erst die Zukunft zeigen. Und in Sachen Handwerk hat mich das Arbeiten dort viel gelehrt. Man hat mich quasi ins Bootcamp geschickt, ins kalte Wasser geschmissen. Ich weiß jetzt, dass ich mich sprachlich auf mich verlassen kann, egal, ob ich fünf Minuten oder fünf Jahre Zeit habe, an einem Rap zu arbeiten. Dazu der Zeitdruck einer wöchentlichen Sendung und das Wissen, dass nach dem Text der Vorwoche dann kein Hahn mehr kräht. Dann die Rückendeckung der Klauseln von Kabarett und Satire – all das hat mir Freiräume geschaffen, die zwar immer da waren, die ich aber so nie wahrgenommen habe in meiner Kunst.

Ist all dem auch der Umstand geschuldet, dass du heute mutig gesellschaftspolitische Themen angehst und nicht rein selbstreferenziell funktionierst?

Ganz sicher. Ich habe immer versucht, Songs zu machen, die man lange hören kann. Hätte ich vor zehn Jahren über eine rechte Partei mit drei Buchstaben gerappt, wären es beispielsweise noch drei andere Buchstaben gewesen als heute. Warum also sollte ich das von meiner Warte aus tun? In einer Satireshow den Zeigefinger maximal weit ausfahren und sarkastisch sein zu können, Feindbilder zu finden, die ich vorher so gar nicht hatte – und das dann auch noch als Auftragsjob mit maximaler künstlerischer Freiheit, das war gut. Bei der Gelegenheit habe ich natürlich viele Sachen abgetastet, später im Studio aber auch gemerkt, dass nicht alles davon übertragbar ist.

„Unser Rückgrat ist stufenlos verstellbar“ – In „Keine Parolen“ geht es darum, trotz Politikverdrossenheit eine Haltung zu entwickeln.

Ein vielleicht nicht so politischer Typ, der trotzdem eine Meinung hat, kann eine bessere Identifikationsfigur sein und die wichtigeren Fragen stellen als der, der versucht, die Verdrossenheit wieder umzukehren. Wie im Song „Zeitumstellung“, der als Gegenpol zu „Keine Parolen“ funktioniert, das so allein nicht stehen bleiben konnte. Aber auch da war noch nicht alles gesagt, also kam „Müde“ dazu. Und „Zauberland“ war wie bei Rio Reiser erst ein Trennungslied, bis uns auffiel, dass noch so viel mehr in diesem Fragment steckt.

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Du sampelst also Rio Reiser, Hildegard Knef und MIA., hast aber auch „echte“ Gäste dabei: Casper, Trettmann, die Beginner und Arnim von den Beatsteaks. Alles Wunsch- oder auch Zufallskandidaten?

Die Beginner hatte ich von Anfang an geplant, weil es so gut geklappt hat, als ich mit ihnen „So schön“ für ihre letztes Album aufgenommen habe. Ich wusste aber nie, wie die Zusammenarbeit aussehen könnte. Das hat sich erst ganz am Ende ergeben. „BGSTRNG“ lag schon lange herum, funktionierte nur solo überhaupt nicht. Inhaltlich aber passte es perfekt zu den Beginnern, also habe ich meine Strophen gelöscht und es ihnen geschickt. Trettmann war ein klassischer Fan-Wunsch, weil ich keine Platte öfter gehört habe als sein Album „#DIY“. Meine Nähe zu den Beatsteaks ist ja auch dokumentiert und Arnim war zufällig gerade selbst im Studio nebenan, als wir jemanden brauchten, der singen kann.

Du bist nach längerer Station in Hamburg vor etwa neun Jahren nach Berlin gekommen. War die Musik der Grund für den Stadtwechsel?

Ich habe damals in Berlin das Album mit Moses Schneider gemacht …

… wofür ein kompletter Umzug jetzt erstmal nicht nötig gewesen wäre …

Nein, aber durch die Zeit in Berlin habe ich zum ersten Mal diese Stadt überhaupt gerafft. Als Wahlhamburger fand ich sie bei meinen Besuchen einfach immer zu groß und zu anstrengend. Wenn man dann aber mal privat und für einen längeren Zeitraum hier ist, merkt man erstmal, dass das alles Quatsch ist. Aber sag es keinem, sonst kommen alle.

Gerade einen Jungen vom Dorf kann die Hauptstadt natürlich einschüchtern. Mit „Wo ich wech bin“ huldigst du einmal mehr deiner Heimat, dem Sauerland, dem Ruhrpott. „Du kriegst mich aus dem Dorf, doch das Dorf nich‘ aus mir“. Was bedeutet Menden für dich heute?

Dort gibt es noch Familie. Inzwischen ist es aber schon schöner, wenn die alle einfach zu mir kommen. Im Sauerland ist ja nicht so viel. Allerdings ist dadurch, dass ich drei Orte in Deutschland habe, an denen ich mich zu Hause fühle, eine Entspannung bei mir eingetreten. Berlin hat aus der Nord-West-Verbindung zwischen Sauerland und Hamburg einen Kreis gemacht, und das fühlt sich gut an.

Würdest du heute anders klingen, wenn du woanders aufgewachsen wärst?

Ich habe offenbar viel Dialektik aus Hamburg übernommen, was ich selbst gar nicht so beurteilen kann. Aber dafür werde ich für meine „Kiärche“ wiederum in Hamburg komisch angeguckt.

Hömma, dabei hammwa im Pott doch gar kein Dialekt!

Auch grammatikalisch ist mir der Pott immer noch näher, gerade in den Fehlern der Grammatik. Bei uns gab es ja nunmal sehr viele Bauern, die auch heute noch nach ihren eigenen Floskeln und Gesetzen leben. Manchmal habe ich das Gefühl, komplett mit diesen Floskeln erzogen worden zu sein. „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.“ Dieser ganze Kram.

„Vater sagt: Der Zweck heiligt die Mittel. Mutter sagt: Der Fleck heiligt den Kittel. Dende sagt: Der Text heiligt den Titel.“ – aus: „3 ½ Minuten“ von 2006

Das ist das, was aus meiner Kindheit einfach in mir steckt. Und ich nehme diese Bauernregeln und zerhacke sie, strukturiere sie um. Ich sampele sie praktisch und baue sie neu zusammen.

Teilt dein Publikum wohl dieses Wissen um alte Sprichworte? In welchem Altersspektrum befinden sich deine Fans, kannst du das aktuell einschätzen? Sind es eher Mittvierziger wie du selbst oder gibt es da einen großen Nachwuchs-Andrang?

Irgendjemand bedankte sich bei Facebook für den Song mit Trettmann. Er sei selbst zwar auch nicht der größte Fan von Autotune, schrieb derjenige, aber so kämen wenigstens nicht nur alte, weiße Männer zu meinen Konzerten.

Das Konzert in Berlin sowie beide Gigs in Hamburg waren ja schon vor Veröffentlichung des Albums ausverkauft …

Ich habe tatsächlich in Hamburg mehr Tickets verkauft als jemals zuvor dort – selbst bei den Eins-Zwo-Gigs früher waren es nicht so viele. Ich habe keine Ahnung, wer da kommt. Und ich glaube ich fange an, diesen Fakt gut zu finden.

„da nich für!“ von Dendemann ist am 25. Januar erschienen.

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