Dystopie bei „Sky“: Noch „8 Tage“ bis zum Untergang

Dystopie bei „Sky“: Noch „8 Tage“ bis zum Untergang

Ein riesiger Asteroid bedroht Europa und damit auch Ihr Leben. Was würden Sie tun? Diese Frage drängt sich angesichts der neuen Sky-Serie „8 Tage“ auf. n-tv.de hat sie auch den Hauptdarstellern Christiane Paul und Mark Waschke gestellt.

Ein Asteroid riesigen Ausmaßes rast unaufhaltsam auf Europa zu. In acht Tagen wird er einschlagen und Verheerendes anrichten. So das düstere Szenario, das die Regisseure Stefan Ruzowitzky und Michael Krummenacher in der deutschen Sky-Produktion „8 Tage“ zeichnen.

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Die drohende Apokalypse setzt ganz schnell Gesetze außer Kraft. Alte Regeln gelten nicht mehr, es geht ums nackte Überleben. Oder darum, sein Leben auf den letzten Metern noch schnell aufzuräumen. Oder darum, jeden der verbleibenden Tage zu feiern, als wenn es bereits der achte wäre. So drängt sich dem Zuschauer die Frage auf: „Was würde ich wohl tun?“

Wer es sich leisten kann, verlässt Europa – am besten per Flugzeug in Richtung USA, doch gestaltet sich das selbst für Menschen mit Geld und Einfluss schwierig. Das muss auch der von Fabian Hinrichs gespielte Politiker Herrmann feststellen, der versucht, seinen eigenen Hintern sowie den seiner schwangeren Freundin zu retten. Angebot und Nachfrage gehen hier ebenso weit auseinander wie bei den Bunkerplätzen. Wer nicht über die entsprechende Kontakte verfügt, hat praktisch keine Chance.

Besser also, man hat rechtzeitig vorgesorgt und sich eigenhändig einen Unter-Tage-Unterschlupf gebaut. Dann kann man selbst entscheiden, wen man dort duldet. Man entscheidet damit allerdings auch gottgleich über Leben und Tod. So wie Klaus, dargestellt von Devid Striesow, der für diese Rolle alles an Irrsinn und Sadismus aus sich rausholen konnte, was als Schauspieler in ihm steckt.

Herrmanns Schwester Susanne und ihr Mann Uli versuchen derweil, mit ihren zwei Kindern nach Russland zu verschwinden. Allerdings geht auf der Flucht etwas schief, so dass sie sich alsbald wieder in Berlin und damit im vermeintlichen Zentrum der anstehenden Zerstörung einfinden. Konfrontiert mit den Problemen, die sie vorher als Paar bereits hatten. Gespielt werden die zwei von Christiane Paul und Mark Waschke. Mit ihnen hat n-tv.de über Extremsituationen und persönliche Abgründe gesprochen.

Frau Paul, Herr Waschke, wie ist der Stoff an Sie herangetragen worden? Und was waren Ihre ersten Gedanken angesichts des Szenarios?

Christiane Paul: Ich habe die Drehbücher bekommen und gleich recht viele hintereinanderweg gelesen, weil sie so gut waren.

Eine Art „Binge Reading“ quasi?

Paul: Irgendwie ja. Ich saß im Auto auf dem Weg von Hamburg nach Berlin, von einem Drehort zum anderen, und konnte überhaupt nicht aufhören zu lesen. Nachts habe ich sogar davon geträumt, weil es so intensiv war. Danach bin ich zum Gespräch mit den Regisseuren und der Produktionsfirma eingeladen worden und habe die Rolle bekommen.

Mark Waschke: Ich fand die Bücher auch wahnsinnig spannend. Die Geschichte las sich an sich ganz leicht, alles wirkte aber körperlich wahnsinnig wuchtig. Das war der Grund, warum ich zugesagt habe. Ich mag diese Mischung aus Drama mit Action und geradezu grotesken Momenten.

Frau Paul, hatten die Autoren Sie womöglich bereits beim Schreiben der Bücher für die Rolle der Susanne vor ihrem inneren Auge? Immerhin ist sie wie Sie Ärztin und Mutter zweier Kinder.

Paul: Ich glaube, diese Entscheidung hatte weniger mit mir zu tun. Arzt ist ein akademischer Beruf mit einem relativ hohen gesellschaftlichen Ansehen. Damit setzt man ja etwas als Figur. Wäre Susanne Juristin, würde das andere Dinge implizieren. Die Autoren wollten eher aus inhaltlichen Gründen, dass sie Ärztin ist. Mit mir hatte das nichts zu tun, denke ich. Es ist eher ein Zufall, dass ich auch Ärztin bin.

Ich gehe mal davon aus, dass Sie nicht zufällig Ärztin sind, Sie haben dafür immerhin studiert?

Paul: Das stimmt (lacht). Ich meine, dass Susanne und ich zusammengekommen sind, war ein Zufall.

Die erste Frage, die sich – zumindest für den Zuschauer – angesichts der Geschichte aufdrängt: Was würde ich in dieser Situation tun? Wie würde ich die letzten Tage auf der Erde verbringen? Ging es Ihnen auch so?

Paul: Darüber habe ich überhaupt nicht nachgedacht. Vermutlich ist das der Effekt, den die Serie auf den Zuschauer hat. Ich habe mich das nicht gefragt, denn das nahende Ende ist das Überthema. Doch wir gehen als Schauspieler mit den Figuren von Situation zu Situation. Dabei bin ich bei meiner Figur und frage mich, wie sie jetzt handelt und warum sie etwas tut. Das sind die Fragen, mit denen ich mich dann eher beschäftige.

Waschke: Aber das ist doch die Frage, die man sich jeden Tag im Leben stellt. Willst du dich verpissen, willst du Drogen nehmen und feiern? Am besten doch beides. Letzten Endes bringt das alles nichts und du kommst immer wieder bei dir selber an. Du schaust immer wieder in die Abgründe, die du mit dir rumschleppst, und die gehen davon auch nicht weg. Wenn du dann aber in diesen Abgrund guckst und merkst, du stirbst daran gar nicht, kommst du bei der Binse an, die aber doch so wahr ist: Dein Leben findet hier und jetzt statt.

Ist für Sie denn nachvollziehbar, wie Susanne handelt? Je näher Tag X rückt, umso radikaler wird sie. Oder ist Sie Ihnen womöglich nicht radikal genug?

Paul: Ich finde sie total nachvollziehbar, aber ja, man hätte vielleicht noch extremer werden können. Das Interessante ist ja, dass man einfach nicht weiß, wie man in einer Extremsituation tatsächlich handelt. In Mitteleuropa erleben wir das doch eher nicht. Wir haben weder Krieg noch Anarchie oder Gesetzlosigkeit und sind weit entfernt von einem Szenario, wie es „8 Tage“ beschreibt. Nach dem, was ich in meinem Leben an existenziellen Situationen bislang erlebt habe, weiß ich, dass man vorher nicht sagen kann, was man tun wird. Am Ende passiert etwas völlig anderes, als man es sich vorgestellt hatte.

Herr Waschke, können Sie im Gegenzug Ulis Motivation nachempfinden? Braucht man eine gewisse Grundsympathie für seine Figur?

Waschke: Im deutschen Fernsehen gibt es immer noch die Kategorien „sympathisch“ und „unsympathisch“. Da wird sich gegen Dinge entschieden, weil sie einen Charakter unsympathisch machen würden. Aber das gibt es doch im echten Leben auch nicht. Es ist nur wichtig, dass man mit der Figur mitgehen kann, dass man ihr das abkauft, was sie gerade tut. Es geht um Empathie und nicht um Sympathie. Bei Uli denke ich allerdings oft, er habe nicht mehr alle Latten am Zaun. Man will ihm doch zurufen, er solle mal den Stock aus dem Arsch ziehen, sich mal locker machen.

Wenn Sie sich über die längere Erzählzeit einer Serie mit einer Figur auseinandersetzen, haben Sie dann ohnehin einen anderen, vielleicht engeren Bezug zu ihr als bei einem 90-minütigen Spielfilm?

Waschke: Da sich die Erzählstränge relativ unabhängig voneinander entwickeln, hatte ich mit 26 Drehtagen nur ein bisschen mehr als üblicherweise bei einem Film. Wenn man aber all die Dinge sieht, die ich so mache – mit meinem Sohn auf einen Zug springen, mit einem Porsche durch die Gegend rasen – dann ist das wie ein großer Abenteuerspielplatz. Es ist immer was los. Ansonsten war die Vorbereitung für mich auf diese Rolle aber nicht viel anders als sonst. Am Ende geht es ja immer nur um zwischenmenschliche Konflikte.

Paul: Das Tolle an Serienformaten ist natürlich, dass man eine Figur über einen längeren Zeitraum horizontal entwickeln kann. Nun war es im Falle von „8 Tage“ sehr „ensemblig“. Ich fand es aber auch gut, als es dann vorbei war, denn es ist durchaus fordernd, mit einer Figur wie Susanne in einer solchen Situation zu bleiben. Das Szenario, der Druck, die Anspannung müssen ja aufrechterhalten werden. Das ist extrem kräftezehrend. Ich bin froh, wenn ich Figuren auch zwischendurch mal gehen lassen kann.

Da der Serien-Boom derzeit unaufhaltsam scheint, ist diese Art der Auseinandersetzung mit einem Thema aber natürlich zukunftsweisend. Merken auch Sie eine Verschiebung auf dem Markt? Kommen mehr Anfragen für Serien als für Spielfilme rein?

Paul: Ich habe 2016 mit „Paranoid“ meine erste internationale Serie für ITV in Großbritannien gedreht, die bei Netflix läuft. Und ich habe 2017 und 2018 „Counterpart“ eine amerikanische Serie für den Pay-TV-Sender Starz gemacht. Als Nächstes steht wohl wieder etwas Serielles an. Ich habe aber letztes Jahr auch zwei Kinofilme gedreht. Und das ist das Tolle. Es ist gerade alles möglich, es herrscht ein bisschen Goldgräberstimmung. Es freut mich richtig, dass deutsche Regisseure und Autoren jetzt auch international arbeiten können. Und das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist gezwungen, sich ein bisschen zu öffnen und das merkt man bereits.

Waschke: Ich finde es gut, wie alles, was gerade so erscheint, sich gegenseitig infiziert. Alles wird mutiger. „Bad Banks“ ist beispielsweise eines der spannendsten Projekte der letzten Jahre und kommt von einem öffentlich-rechtlichen Sender. Andere Sachen, von denen man sich mehr erwartet hätte, sind grandios gescheitert. Wenn Netflix, TNT oder Sky die Muster von Serien wie „Weinberg“, „8 Tage“ oder „Dark“ bekommen, wollen sie es oft noch fetter, größer und radikaler. Im deutschen Fernsehen ist das leider – noch – komplett anders. Da hat man immer Angst um den Zuschauer.

Sie sind aktuell auch nicht gerade unterbeschäftigt. Neben den Serien „8 Tage“ und „Dark“ drehen Sie noch den Berliner „Tatort“ an der Seite von Meret Becker und spielen Theater …

Waschke: Ich mache das, was jetzt sein muss, was jetzt wichtig ist und was mit einer persönlichen Vision zu tun hat, die weit über den Beruf hinausgeht. Eine Vision, die eher etwas mit Leben zu tun hat. Wenn ich morgen früh aufstehe und denke, ich müsste ein Jahr Pause und etwas ganz anderes machen, wäre das für mich auch stimmig. Ich bin in der privilegierten Position, verschiedene Dinge machen zu können, demnächst zum Beispiel eine Krimilesung in einem Einrichtungshaus in Fulda. Und am 2. und 3. März bin ich mit der Lecture-Performance „Ich ist ein anderer dieses wir bin nicht eine Pfeife (Metaware)“ in der Schaubühne Berlin.

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