Elyas M’Barek: „Muss nicht überall meinen Senf dazugeben“

Elyas M’Barek: „Muss nicht überall meinen Senf dazugeben“

2018 deckt Juan Moreno das falsche Spiel seines „Spiegel“-Kollegen Claas Relotius auf. Im neuen Bully-Herbig-Film „Tausend Zeilen“ übernimmt Elyas M’Barek seine Rolle. Mit ntv.de spricht der Schauspieler über seinen eigenen Umgang mit Medien und sein Vertrauen in den Journalismus.

2018 macht der Fall des „Spiegel“-Journalisten Claas Relotius Schlagzeilen. Viele seiner preisgekrönten Artikel stellen sich als gefälscht, geschönt und teils frei erfunden heraus. Aufgedeckt wird der Skandal von seinem Kollegen Juan Moreno, der das Erlebte in dem Buch „Tausend Zeilen Lüge“ festhält. Sein Bericht diente nun Bully Herbig als Vorlage zu seiner Satire „Tausend Zeilen“. Morenos Rolle übernahm Elyas M’Barek.

Mit ntv.de spricht der Schauspieler jetzt unter anderem über sein ungetrübtes Vertrauen in den Journalismus und seinen Umgang mit Instagram und Twitter.

ntv.de: Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Bully Herbig für „Tausend Zeilen“? Was hat dich an dem Projekt gereizt?

Elyas M’Barek: Erstmal fand ich die Idee des Films grundsätzlich super. Und ich war happy über das Genre. Man würde doch erstmal vermuten, dass Elyas und Bully einen lustigen Film zusammen machen. „Tausend Zeilen“ ist zwar durchaus unterhaltsam und auch humorvoll, aber es ist jetzt keine klassische Komödie. Im Gegenteil. Ich glaube, Satire wird es genannt, dabei hat der Film auch sehr viele ernsthafte Aspekte.

Ihr habt während Corona gedreht. Wie schwierig war das an der einen oder anderen Stelle?

Der Film spielt in vielen verschiedenen Ländern – von Kuba über Spanien bis zu den USA. Ich hatte mich schon auf viele Auslandsreisen und viele verschiedene Drehorte gefreut. Am Ende aber haben wir einen großen Teil in Spanien drehen müssen, was aber super funktioniert hat. Der Film sieht trotzdem international aus. Man checkt gar nicht, dass Kuba dann gar nicht in Kuba gedreht wurde.

Wie viel wusstest du vor den Dreharbeiten über die Causa Claas Relotius?

Eigentlich recht viel, denn ich hatte so einige seiner Artikel gelesen und fand sie auch wirklich gut. Das waren Artikel, bei denen mir dann später bewusst wurde, dass vieles davon nicht gestimmt hat, zum Beispiel bei „Jaegers Grenze“ mit den Border-Patrol-Jungs, die auf mexikanische Flüchtlinge schießen. Und wie in dem Film jetzt auch habe ich damals gedacht: „Was geht da ab?“ Ich habe mich echt betrogen gefühlt.

Was hat dich dann besonders an der Rolle von Juan Moreno gereizt, der im Film nun als Juan Romero erscheint?

Ich hatte das Buch von ihm gelesen, auf dem der Film basiert, „Tausend Zeilen Lüge“. Überhaupt bin ich ein großer Fan von ihm als Autor. Ich hatte sofort große Lust auf das Projekt und dachte, dass das eine tolle Heldenreise ist. Eine Geschichte über einen vermeintlichen Helden, der gar keiner ist und einen, der es eigentlich ist und dem keiner glaubt.

Ich gehe also recht in der Annahme, dass du dich in Vorbereitung auf die Rolle mit Juan Moreno auch getroffen hast?

Wir sind sogar befreundet mittlerweile. Ich habe immer noch Kontakt zu ihm. Ich kann auch jedem nur empfehlen, seine Bücher zu lesen. „Glück ist kein Ort“ und „Tausend Zeilen Lüge“ sind wirklich herausragende Bücher. Er ist ein super Mensch, vor allem ein sehr schlauer Kerl. Es ist superinteressant, was er so erlebt hat und wie toll er schreibt. Und vor allem: Er bleibt bei der Wahrheit. Das ist der große Vorteil dem anderen Kollegen gegenüber. (lacht)

Macht der Kontakt zu einer real existierenden Figur das Spielen selbiger einfacher oder schwieriger – zumal man ja weiß, dass sich diese Person das Ergebnis hinterher auch anschauen wird?!

Der Film basiert zwar auf realen Begebenheiten und ist inspiriert davon, wir erzählen aber schon noch eine fiktionale Geschichte. Ich habe keine historische Figur gespielt und vielen Leuten ist die Story auch gar nicht so bekannt. Die meisten haben den Skandal am Rande mitbekommen, werden sich auch erst durch das Sehen des Films erstmal davon unterhalten lassen und dann vielleicht auch noch nachgucken, was damals genau passiert ist.

So lange ist es auch noch gar nicht her. Der Fall ist von 2018, das Ganze wirkt wohl nur durch die Pandemie wie aus einer anderen Zeit.

Genau, doch ist das Thema umso relevanter gerade in Zeiten, in denen schnell von Fake News geredet wird. Eine Botschaft, die der Film transportiert, ist, dass man Journalismus auf jeden Fall glauben darf und soll und dass es leider Einzelfälle gibt, die aber nicht für den Journalismus im Ganzen stehen. Und die leider wirklich großen Schaden anrichten. Aber ich glaube nach wie vor an den Journalismus. Ich glaube, was ich in der Zeitung lese und im Fernsehen in den Nachrichten sehen. Das erwarte ich allerdings auch. Ich erwarte, dass da professionelle und ehrliche Leute arbeiten, die ihren Job machen.

An dieser Einstellung hat der Fall Relotius also nichts geändert?

Nein, ich fand es sehr positiv, wie damit aufgeräumt wurde. Man kann heute noch die Artikel im Archiv nachlesen, die Relotius verbreitet hat, und einsehen, was daran alles nicht stimmte. Es wurde dann, wenn auch zu spät, Transparenz geschaffen. Mich hat das nicht in meinem Vertrauen erschüttert. Ich dachte nur: „Krass, ist dem eigentlich bewusst, was er damit anrichtet?“ Ich glaube, er dachte, er kommt damit davon.

Ist ihm vielleicht der erste Erfolg zu Kopf gestiegen? Wurde dann von ihm zu viel erwartet? Wurde ein Anspruch an ihn gestellt, weil man sich gern mit ihm schmückte, dem er ohne seine Lügen nicht gerecht werden konnte?

Ich glaube, es ist die Kunst von Hochstaplern und Manipulatoren, dass sie die Leute einnehmen und genau damit spielen. Deswegen kam er auch so weit. Weil die Leute das nicht glauben wollten, denn er war doch „so nett, so charmant“. Das ist auch in unserem Film der Fall. Es gibt eine Szene, in denen der Pförtner im Verlagshaus denkt, ich sei der Taxifahrer – nur aufgrund meines äußeren Erscheinungsbildes wird mir kein Glauben geschenkt. Das ist ein bisschen die Botschaft: dass man sich nicht von Oberflächlichkeiten blenden lassen und immer genau hingucken sollte. Dass man mit offenen Augen durchs Leben gehen sollte und gerade in den sozialen Medien nicht allem Glauben schenken darf, was verbreitet wird. Lieber sollte man fundiertem Journalismus, also Leuten, die ihre Arbeit machen und Recherche betreiben, ein Grundvertrauen entgegenbringen.

Gerade während der Hochzeit der Corona-Pandemie sind einige deiner Kollegen in die Richtung von Fake News aus den sozialen Medien abgedriftet …

… und einige sind da immer noch.

Glaubst du, es ist besser, sich als Schauspieler öffentlich aus gesellschaftspolitischen Diskursen besser herauszuhalten, was ja nicht gleichbedeutend damit ist, privat keine Meinung zu den Dingen zu haben?!

Ich glaube vor allem, dass ich kein Journalist bin. (lacht) Ich denke, ich muss gar nicht immer überall meinen Senf dazugeben, weil ich von gewissen Dingen auch einfach gar keine Ahnung habe. Und klar habe ich eine Meinung dazu und die sage ich auch, wenn ich danach gefragt werde. Aber – genau wie du gesagt hast – nicht ungeprüft. Es ist einfach gefährlich, denn ich bin mir meiner Verantwortung bewusst. Wenn ich in einem Interview etwas sage oder auch irgendwas poste, dann lesen Leute das und glauben es vermutlich. Da muss ich meine Worte bewusst wählen und mir sicher sein.

Wie gehst du selbst mit den eben von dir erwähnten sozialen Medien um? Gerade Twitter kann einem schon mal die Laune verderben. Oder auch der eine oder andere Kommentar bei Instagram …

Ich habe ein zwiespältiges Verhältnis dazu. Ich nutze die sozialen Medien selbst und konsumiere da auch, aber mit Bedacht. Ich glaube nicht alles, was geschrieben wird und bin mir bewusst darüber, dass ganz viele Leute ihren Frust im Internet rauslassen, oft auf dem Rücken anderer, meist schutzloser Menschen. Die Algorithmen können der Teufel sein, man kann sich da schnell in so einer Blase aufhalten, was ich nicht möchte. Ich informiere mich woanders, nicht auf Twitter und vor allem nicht auf Instagram. Das ist zum Bildergucken und nicht zum Meinung bilden.

Hast du das schon immer so gehandhabt oder war das ein Lernprozess? Gerade was Kommentare zur eigenen Person und der eigenen Arbeit betrifft …

Na ja, ich weiß aus eigener Erfahrung, dass vieles einfach Schwachsinn ist. Ich weiß das, wenn ich Geschichten über manche Kollegen höre, und ich weiß es dank Geschichten, die ich über mich selbst höre oder lese. Da weiß ich dann einfach, dass gerade in sozialen Medien und auch in vielen Boulevardmedien total viel Unfug getrieben wird. Dadurch habe ich einen professionellen Umgang damit und kann es meistens gar nicht so ernst nehmen. Mir tut es eher leid um Leute, die vermutlich wirklich annehmen, dass das alles wahr ist und die dann wütenden Mobs im Internet glauben und gar nicht mehr abwägen.

Selektierst du deine Interviewpartner, also gibt es bekannte Boulevardmedien, mit denen du nicht sprichst?

Prinzipiell glaube ich, es ist das Recht eines jeden, der sich dafür interessiert, ein Interview mit mir zu machen. Natürlich gibt es mal ein oder zwei Leute, mit denen ich schlechte Erfahrungen gemacht habe, aber das ist doch wie im normalen Leben: Ich begegne den Leuten in Frieden. Wenn jemand aber mein Vertrauen missbraucht oder mit meinem Vertrauen spielt und mir nicht die Wahrheit erzählt, dann gibt es auch keinen Grund, mit ihm zu sprechen.

Previous post „Tausend Zeilen“: Satirische Aufarbeitung eines Medienskandals
Next post Wanda: „“Der Hype um uns war ein falsches Versprechen“