Promille vs. Dioptrien

Promille vs. Dioptrien

Ich sehe nicht besonders gut, zumindest nicht ohne Kontaktlinsen. Immerhin bin ich inzwischen alt genug, um ganz selbstbestimmt auf das Tragen einer Brille zu verzichten. Das war nicht immer so, traten die ersten Augenprobleme doch schon in frühester Kindheit auf, und zu dieser Zeit waren es noch meine Eltern, die gewisse Entscheidungen für mich fällten.

Sehr zu meinem Leidwesen, ich schielte nämlich, und um das zumindest teilweise zu korrigieren, verschrieb mir der Kinder offensichtlich nicht besonders mögende Augenarzt eine Brille, bei der man das um die Ecke schauende Auge (oder war es das andere?) mit einem undurchsichtigen Pflaster zupappte. Nicht nur, dass das das dreidimensionale Sehen unmöglich macht – ich hatte als Kröte extrem viele Blutergüsse, weil ich einfach gewisse Abstände grundsätzlich falsch einschätzte – auch sah das  verdammt scheiße aus. So macht man sich im Kindergarten schon mal keine Freunde.

Kaum war diese Phase überstanden, der übrigens außerdem noch eine Zahnspange und Einlagen folgten, befiel mich die bereits erwähnte Kurzsichtigkeit. Meine Hoffnung, später mal dank Altersweitsichtigkeit einen Ausgleich schaffen zu können, zerschlug vor einiger Zeit jemand mit mehr medizinischem Sachverstand als ich ihn besitze. Gott sei Dank gibt es für Grobmotoriker  – die weder mit Brillen (hier setzt man sich gerne mal drauf) noch den hauchdünnen Linsen (die reißt man beim Einsetzen oder Herausnehmen immer mal wieder mittig durch) klar kommen – inzwischen weiche Kontaktlinsen, die man einen ganzen Monat nicht mehr entfernen muss, nicht einmal zum Schlafen. Einmal eingesetzt ist es ein bisschen wie ein Wunder: Man kann barrierefrei sehen.

Meistens zumindest, denn gestern habe ich mal wieder festgestellt, dass ein steigender Promillewert offenbar einen negativen Einfluss auf den Dioptrienwert hat. Nach dem ersten Bier war die Welt noch in Ordnung. Nach dem zweiten fiel es mir schon bedeutend schwerer zu erkennen, ob die Band, auf deren Konzert ich mich befand, zu dritt oder zu viert auf der Bühne stand. Und nach der dritten Flasche gab ich es auf erkennen zu wollen, ob überhaupt noch jemand da war und verließ mich ganz auf meine Ohren. Es war dann das vierte Bier, das meine Sorgen bezüglich meines Augenlichts zerschlug und durch eine angetrunkene Heiterkeit und Allesegalhaltung ersetzte.

Ich habe mir jetzt jedenfalls doch mal eine Brille bestellt, die ich beim nächsten feucht-fröhlichen Abend zusätzlich zu meinen Linsen aufsetzen werde, um für euch herauszufinden, ob sich so wenigstens ein Ausgleich schaffen lässt. Vielleicht aber frage ich auch einfach mal jemanden mit mehr medizinischem Sachverstand als ich ihn besitze.

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