(Fast) ein Interview mit Känguru: Bei Verschwörungsmythen wird es „ganz wild“

(Fast) ein Interview mit Känguru: Bei Verschwörungsmythen wird es „ganz wild“

Die „Känguru-Verschwörung“ bringt Kleinkünstler und Beuteltier nach dem Corona-Lockdown-Flop des ersten Teils zurück ins Kino. Mit ntv.de sprechen Autor Marc-Uwe Kling und Hauptdarsteller Dimitrij Schaad über wilde Verschwörungstheorien und die Hybris von Filmschaffenden.

14 Jahre ist es bereits her, dass Marc-Uwe Kling und sein Känguru über den RBB-Radiosender Fritz das Licht der Öffentlichkeit erblickten. Seither ist viel passiert. Aus dem einstigen Radio-Comedy-Format wurde alsbald eine erfolgreiche Buchreihe und eine fast noch erfolgreichere Hörbuchreihe.

Umso gespannter erwarteten die Fans 2020 den ersten Spielfilm. Dass dann doch nur wenige Zuschauer „The Känguru-Chroniken“ im Kino sahen, lag weniger am Film selbst als am ersten harten Lockdown in der Pandemie. Mit „Die Känguru-Verschwörung“ legt Marc-Uwe Kling nun nach – nicht nur als Autor, sondern dieses Mal auch als Regisseur. Neben dem pelzigen Beuteltier erneut in einer Hauptrolle, nämlich der des Autors, zu sehen, ist Dimitrij Schaad. Mit ntv.de haben Kling und Schaad über die Arbeit mit dem an diesem Tag mal wieder abwesenden Känguru gesprochen und darüber, warum es manchmal besser ist, einfach mal die Klappe zu halten.

ntv.de: Mit „Die Känguru-Chroniken“ seid ihr mitten in den ersten Lockdown geraten. Die Kinos mussten eine Woche nach Start des Films schließen. Wie schlimm war das für euch?

Marc-Uwe Kling: Es war genauso beschissen, wie man es sich vorstellt.

Dimitrij Schaad: Es vor allem weird, dass die Plakate monatelang noch überall hingen. Ich bin durch das leere Berlin gelaufen, und am Kino „International“ hing dann mein gemaltes Gesicht. Über Monate, während ich nichts auf dem Konto hatte und von Arbeitslosengeld lebte. Das war wirklich surreal. Trotzdem habe ich das Gefühl, es ist gut, dass wir zumindest noch ein paar Tage im Kino hatten.

Kling: Eine Woche später wäre noch schlimmer gewesen. Ich hatte eine Litfaßsäule direkt vorm Haus, auf der über ein Jahr lang das Plakat hing.

Das alles hat euch aber nicht entmutigt, noch einen Film zu machen – ohne dass ihr beim Start der Dreharbeiten einschätzen konntet, wie sich die Lage entwickelt …

Kling: Das Ziel ist ja klar. Wir haben das jetzt eingeläutet und wollen es auch beenden.

Zu welchem Zeitpunkt fiel denn die Entscheidung zu „Die Känguru-Verschwörung“? Hat Corona hier nochmal etwas verschoben?

Kling: Ich habe schon an der Fortsetzung geschrieben, bevor die Corona-Wand kam.

Schaad: Das erste Mal den gesamten Plot gehört habe ich auf Kinotour, während die Previews liefen. Da hat Marc mir die gesamte Handlung im Auto erzählt.

Was ging dir eigentlich durch den Kopf, als du die Anfrage bekamst, die Rolle von Marc und damit die des Autors der Geschichte zu übernehmen? War das die größte Herausforderung oder eher, an der Seite des Kängurus zu spielen?

Schaad: Die größte Herausforderung war, dass ich in einen Kosmos trat, den es bereits gab und der viele Fans hat. Das gibt es in Deutschland nicht so oft, dass du Adaptionen zur Verfügung hast und etwas machen kannst, das die Leute kennen und von dem sie schon ein Bild haben. Das war für mich das Krasseste: Der Respekt davor, dass das schon eine sehr beliebte Vorlage ist.

Was wiederum musste Dimitrij mitbringen, um als Kleinkünstler neben dem Känguru bestehen zu können?

Kling: Er musste natürlich erstmal viel besser aussehen als ich. Dimi ist ja auch Unterhosenmodel …

Schaad: Aber auf den Danach-Bildern … ach nee, den Davor-Bildern. Mist. Gag versaut. (lacht)

Kling: Es war sein besonderes Gefühl für Pointen und Timing.

Verstehe. Es ist aber sicher nicht leicht, eine Figur, mit der man sich so lange schon auseinandersetzt und die autobiografische Züge hat, zu besetzen?!

Kling: Absolut nicht. Am Ende läuft es darauf hinaus: Dimi hat ein Casting-Video geschickt, ich fand das witzig. Und dann war ich in einem Theaterstück am Maxim-Gorki-Theater, in dem er die Hauptrolle gespielt hat. Das fand ich nicht nur witzig, sondern auch clever. Damit war es für mich klar.

Hattest du irgendwann mal die Sorge, dass das Sichtbarmachen deiner Figur und der des Kängurus bei den Fans auf Missfallen stoßen könnte?https://www.youtube-nocookie.com/embed/_Gqxouw7lfA?rel=0&showinfo=0

Kling: Am Ende kann ich ja nur mit mir selbst als Publikum schreiben oder drehen. Ich muss erstmal etwas machen, das mir gefällt. Und dann kann ich hoffen, dass es auch jemand anderem gefällt. Aber wenn es schon mir nicht gefällt, was soll das werden? Damit macht man sich nur unglücklich. Insofern ist das mit dem zweiten Film jetzt gut gelungen, mir gefällt er. Was jetzt passiert, ist alles Bonus. Ansonsten gibt es ja nicht „die Leute“. Es ist gerade bei einer Adaption so, dass es welche geben wird, die sie mögen, und welche, die sagen, sie fanden das Buch besser. Das ist auch okay. Dazu passt der Lieblingswitz von Hitchcock: Sind zwei Ziegen im Filmarchiv und fressen Zelluloid. Fragt die eine: Wie findest du’s? Sagt die andere: Ich fand das Buch besser.

Schaad: Gab es für dich eine Vorlage, die verfilmt wurde und bei der du dich fragst, warum die das so beschissen gemacht haben? Außer David Lynchs „Dune“ …

Kling: Genau den hätte ich jetzt genannt. Den neuen „Dune“ von Villeneuve fand ich aber super.

Dimitrij, wie ist es, an der Seite des Kängurus bestehen zu müssen und mit ihm vor der Kamera zu agieren?

Schaad: Grundsätzlich war das Känguru wie immer großartig und ein sensationeller Schauspieler, aber es ist sehr selten erschienen. Deswegen musste es oft gedoubelt werden und Volker Zack hat das dann übernommen. Er hat sich sich einen Spandexanzug angezogen – das braucht man aber gar nicht für die Animation, er trägt einfach nur wahnsinnig gerne Spandexanzüge.

Kling: Das hatte überhaupt nichts mit dem Dreh zu tun.

Schaad: Das mag er einfach, er ist ein Freak. Jedenfalls hat es die VFX-Firma „Trixter Film“ geschafft, den Körper des Kängurus dann perfekt abzufotografieren, um es auf Zack draufanimieren zu können.

Kling: Auch Dimi ist teilweise animiert. Es gab Phasen zwischen Drehtag 2 und 38, wo er und das Känguru sich total verkracht hatten und klar war: Wenn das Känguru da ist, kommt Dimi nicht und umgekehrt. Deswegen mussten wir immer den jeweils anderen animieren. Manchmal sind auch beide nicht gekommen.

Schaad: Das waren die entspanntesten Tage für dich.

Praktisch für Teil drei, denn dann brauchst du ja beide nicht mehr am Set.https://www.instagram.com/reel/ChWVkK-l_-n/embed/captioned/?cr=1&v=14&wp=586&rd=https%3A%2F%2Fwww.n-tv.de&rp=%2Fleute%2Ffilm%2FDie-Kaenguru-Verschwoerung-Marc-Uwe-Kling-und-Dimitrij-Schaad-im-Interview-article23529941.html#%7B%22ci%22%3A0%2C%22os%22%3A1353.1000000238419%7D

Kling: Stimmt. Ich brauche dann niemanden mehr. Es gibt auch ein Adobe-Tool, mit dem man die Stimme nachbauen kann.

Schaad: Ich kann das vollkommen verstehen. Wenn ich Regisseur wäre, wäre ich sehr froh über Technologien, die es möglich machen, nicht mehr mit Schauspielern arbeiten zu müssen. Die sind einfach so wahnsinnig anstrengend.

Kling: Zeichentrickfilme sind vielleicht die Lösung.

Während sich „Die Känguru-Chroniken“ noch an deinen Büchern orientierte, hast du für „Die Känguru-Verschwörung“ eine komplett neue Geschichte geschrieben. Und mit Verschwörungsmythen und Klimakrise triffst du gerade den Zahn der Zeit. Bist du nicht schon bei der Recherche hier und da an den Menschen verzweifelt?

Kling: Einerseits haben wir noch Witz hineingebracht, andererseits gab es beim Drehbuchschreiben und in der Konzeption des Films Momente, in denen wir dachten, wir müssten etwas zurückrudern von der Realität. „Wenn wir die Realität abbilden, werden uns alle vorwerfen, dass wir völlig übertrieben haben.“ Der Satz fällt auch im Film: „Man kann das nicht mehr überspitzen, man muss das unterspitzen, sonst glaubt es einem keiner.“ Wenn du ins Internet gehst und Verschwörungstheorien googelst, dann wird es ganz wild.

Angst vor Ärger seitens jener Verschwörungsgläubigen, über die ihr euch im Film lustig macht, habt ihr nicht? Sofern man diese Leute überhaupt erreicht …

Kling: Meine Herangehensweise ist, dass das Känguru immer die Tür aufmacht und im Zweifelsfall Boxhandschuhe trägt.

Du greifst mit deiner Kunst und dem Känguru immer wieder gesellschaftskritische Themen auf. Ist das dein Ventil, deine Art, die teils schlimmen Beobachtungen erträglicher zu machen?

Kling: Es ist sicherlich eine Art therapeutisches Schreiben, ein Weg, um aus der Doomscrolling-Depression herauszukommen – aus der Machtlosigkeit, die man empfindet, wenn man die ganzen Horrornachrichten liest. Was kann ich tun? Okay, ich kann gut Pointen bauen und baue dann wenigstens welche, die in die richtige Richtung feuern.

Die „Zeit“ hat Marc-Uwe mal als „einflussreichsten linken Intellektuellen des Landes“ bezeichnet. Bei den „Intellektuellen“, die kürzlich in einem offenen Brief die Waffenlieferungen an die Ukraine kritisiert haben, warst du nicht dabei. Dimitrij im Übrigen auch nicht …

Schaad: Ich finde, es gibt einen Bereich, in dem man sich als „Künstler“ äußern kann und soll, und das ist der Bereich eines Kunstprodukts. Das ist etwas anderes, als sich in eine gesellschaftspolitische Debatte einzumischen. Es gab da einen Moment beim Dreh mit Volker Zack: Ich habe einen Gag gemacht und ein paar Leute haben gelacht. Zack hat sich zu mir rübergelehnt und gesagt: „Denk dran, sie MÜSSEN nett zu dir sein.“ Und so ist es auch. Alle wissen, Schauspieler haben super verletzliche Egos, und deswegen sagen sie: „Klug. Sehr guter Gedanke. Interessant.“ Das meiste, was man als Schauspieler hört, ist: „Gute Idee, probieren wir mal aus.“ Hinter deinem Rücken klingt das dann so: „Was für ein Scheiß. Was denkt der Idiot sich?“ Aber man kriegt das selten direkt gespiegelt. Ich würde schätzen, dass eigentlich 40 Prozent des Jobs eines Regisseurs darin bestehen, Schauspielern möglichst schonend schlechte Ideen auszureden.

Kling: „Interessant“ ist das Nein des Regisseurs.

Schaad: Und da habe ich das Gefühl, dass bestimmte Kolleginnen und Kollegen, die 20, 30 Jahre lang hören, was für kluge und tiefschürfende Gedanken sie haben, ihre intellektuellen Kapazitäten dramatisch überschätzen. Schreib ein Drehbuch, kreiere eine Figur, die sich mit den Themen beschäftigt, die dir am Herzen liegen. Mach das. Das ist deine Aufgabe in dieser Gesellschaft! Sich öffentlich zu schwer erfassbaren Themen zu äußern, ohne irgendeine Art von Expertise oder wirklich kluge Haltung … das finde ich sehr fragwürdig.

Kling: Es gibt das schöne Sprichwort: „Hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben.“ Ich muss mich nicht zu allem äußern. Wenn ich keine Ahnung von etwas habe, dann schadet es nichts, zu sagen: „Ich weiß es nicht. Woher sollte ich auch? Warum fragt ihr mich überhaupt?“

Als Jürgen Klopp in einer Pressekonferenz nach seiner Meinung zu Corona gefragt wurde, hat er auch lieber auf die Experten verwiesen, weil er eben Fußballtrainer und kein Wissenschaftler ist.

Schaad: Es ist doch erstaunlich, dass es einerseits eine krasse Art von Expertenfeindlichkeit gibt, andererseits aber Leute gefragt werden, die überhaupt nichts zu einer Sache beitragen können. Und das findet alles gleichzeitig statt.

Marc, du gibst eigentlich ja sowieso eher ungern Interviews – wobei du zuletzt immerhin in mehreren Podcasts zu Gast warst. Woher kommt die Interviewfeindlichkeit?

Schaad: Oder hast du das einfach nur behauptet, weil du ganz lange keine Interviewanfragen bekommen hast?

Kling: Erwischt. Es ist so, dass sich zehn Jahre lang niemand dafür interessiert hat. Irgendwann dachte ich, ich sage einfach, ich gebe keine Interviews. Aber dann hat sich das verselbständigt.

Und dann wollten plötzlich alle? Nach dem Dating-Motto: „Willst du gelten, mach dich selten?“

Kling: Exakt! Nein, in Wirklichkeit gibt es so viele Gründe. Das Letzte, was ich will, ist, die Leute zu langweilig. Ein Interview ist aber immer nur so gut, wie meine momentane Verfassung und wie die Fragen, die kommen. Ich bin ein bisschen kontrollfreakig mit meiner Arbeit. Wenn ich eine Geschichte schreibe, dann kann ich die 20 Mal überarbeiten, bis alles so sitzt, wie es haben will. Bei einem Interview muss ich die Kontrolle abgeben und loslassen. Einerseits gebe ich sie dir und andererseits meinem aktuellen Ich. Mein zukünftiges Ich findet das schwierig.

Der Kontrollfreak in dir hat für den zweiten Film entschieden, selbst Regie zu führen. Andere studieren dafür jahrelang an der Filmakademie …

Kling: Was mich dazu getrieben hat, möchtest du sicher wissen!? Totale Hybris. Und jeder Tag war spannend. Die ersten Tage waren noch deutlich spannender. Man wird ins kalte Wasser geworfen und soll schwimmen. Wobei, das stimmt nicht. Es hat mich niemand geworfen, ich bin selbst gesprungen und musste gucken, ob ich schwimmen kann.

Dein vergangenes Ich hat irgendwann mal entschieden, dass es kein Merchandise zum Känguru geben wird. Sieht das dein aktuelles Ich anders?

Kling: Es ist zwiespältig. Ich finde es teils bewundernswert, wie das Bill Watterson bei „Calvin & Hobbes“ gemacht hat. Da gibt es nichts, es gibt nur die Comics. Das hält es sehr rein. Andererseits habe ich mir als Teenie ein gefaktes Calvin-Shirt gekauft, weil ich es unbedingt haben wollte. Ich weiß, dass es jetzt auch Känguru-Shirts auf Amazon gibt, die sind aber nicht von mir. Und ich verstehe das, weil ich auch Nerd-Shirts getragen habe und immer noch welche habe.

Schaad: Übrigens: Kauft bitte meine Känguru-T-Shirts auf Amazon.

Kling: Die hat Dimi aufgelegt, als der erste Kinofilm nicht mehr gezeigt werden konnte.

Schaad: Ich brauchte Geld.

Zu „Die Känguru-Verschwörung“ gibt es nun aber er immerhin das komplette Storyboard als Buch. Das ist ein kleiner Schritt in Richtung Merch …

Kling: Ich finde, das Storyboard ist ein Werk an sich, kein reines Merch-Produkt. Wir haben den ganzen Film geboarded und ich war schon damals fasziniert davon, den Film lesen zu können. Ich fand es schade, dass das verschwindet. Das ist sicher ein Nischending, du musst schon auch filminteressiert sein, um das spannend zu finden. Aber als ich es zum ersten Mal in Händen hielt – ich habe es zeitweise auch verflucht, weil ich es parallel zum Film fertig machen musste – da dachte ich: Geil! Für mich ist das ein Prozessbuch. Schön, zu sehen, wie dieser Film entstanden ist. Man kann sehen, dass die Ideen fast 1:1 von der Zeichnung in den Film gewandert sind.

Marc-Uwe, Dimitrij, vielen Dank für das unterhaltsame Interview.

Schaad: Schade, jetzt sind wir gar nicht dazu gekommen, über meine weitere Produktpalette an nicht autorisiertem Känguru-Merch zu sprechen.

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