FINK – Wiederauferstehung 6.0

FINK – Wiederauferstehung 6.0

Was haben Künstler wie U2, Depeche Mode, Sigur Rós, Nick Cave und Soulwax gemeinsam? Auf den ersten Blick gar nicht so viel, doch der Eindruck täuscht. Sie alle durften bereits für ein oder gleich mehrere Alben mit Mark Ellis aka Flood zusammenarbeiten. Der 57-jährige Brite gilt als einer der besten Produzenten unserer Zeit – legendäre Langspieler wie Depeche Modes „Violator”, Placebos „Meds”, „To Bring Me Your Love” von PJ Harvey und U2s „POP” tragen seine Handschrift. Dieser beeindruckenden Liste wird nun „Resurgam” von Fink hinzugefügt. Nach „Perfect Darkness” und „Hard Believer”, die beide in Los Angeles unter der Regie von Billy Bush entstanden, ging es für Fin Greenall und seine Bandkollegen Tim Thornton und Guy Whittaker dieses Mal nach London. Zurückgekommen ist der Mittvierziger mit zwei Handvoll neuer Tracks und einigen besonderen Erfahrungen.

 

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Genau davon erzählt er mir, als ich ihn an einem Freitag in seinem Studio in Berlin-Wedding besuche. Unter dem Schornstein des ehemaligen Krematoriums und nicht unweit des Friedhofs sitzen wir mit einem Tee auf dem Ledersofa und überziehen die eigentlich für das Interview angesetzte halbe Stunde deutlich. Obwohl Fin ja auch schon zu spät kam – die Tram fuhr halt nicht. Da stellt sich mir die Frage, ob andere Flood-Künstler wie Bono Vox und Dave Gahan eigentlich auch noch die Öffis benutzen. Wer weiß? Fin jedenfalls tut es und er redet gern – über Musik, über das Leben. Und über die Arbeit mit dem Superproducer. „Resurgam” ist das sechste Studioalbum von Fink, dazwischen erschienen unter anderem das Remix-Album „Horizontalism”, die Live-Aufnahme eines Konzerts mit dem Royal Concertgebouw Orchestra in Amsterdam und zuletzt im März „Fink’s Sunday Night Blues Club Vol.1”, ein Blues-Album eben. „Dass ich so viel produziere, hat zwei Gründe: Ich bin jemand, der gern mit einem Song fertig wird. Selbst wenn er scheiße ist. Am nächsten Tag gefällt er mir ja vielleicht. Andersherum gilt das natürlich genauso. Und der zweite Punkt ist: Ich bin kein Perfektionist, denn das bedeutet, dass du niemals fertig wirst. Nichts ist jemals perfekt.” Und so hört Fink selbst seine Alben ab dem Moment der Veröffentlichung nicht mehr. „Ich muss sie ja gut 500-mal hören, bis sie wirklich im Kasten sind. Wenn du die Songs dann für die Live-Shows aufarbeitest, ist das noch mal was anderes. Es ist ähnlich wie bei einem DJ-Set. Da nimmst du dir auch eine besonders gute Stelle aus einem Track und wiederholst diese für vier Minuten oder so. Und so machen wir es live. Wenn das Beste an einem Song das Intro ist, dann kann das schon mal auf fünf Minuten ausgedehnt werden. Oder das Outro auf zehn. Das beste Beispiel dafür ist ,Berlin Sunrise’ vom Album ,Perfect Darkness’. Die Albumversion ist etwas mehr als drei Minuten lang. Live ist das Ding massiv und geht gut zehn Minuten.”

 

 

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Die Alben „Perfect Darkness” und in der Folge vor allem „Hard Believer” waren bereits ein riesiger Schritt nach vorn für die Band. „Wir gingen auf Tour, die Hallen wurden größer, wir verdienten mehr Geld. Irgendwas war passiert. Es war Los Angeles, es war Billy Bush. Bei ,Hard Believer’ hatten wir von vornherein den Plan, eine große Popscheibe zu machen. ,Looking Too Closley’ ist definitiv ein Popsong. Doch danach war uns schnell klar, dass das Konzept nicht noch einmal aufgehen würde. Sonst hätten wir uns in The National oder etwas in der Art verwandelt. Also haben wir erst mal das Blues-Album gemacht, eine großartige Erfahrung für mich. Dann hörte Flood – die Legende, das Genie – die Demos und mischte sie ab. Jeder will mit diesem Mann arbeiten. Absolut jeder. Als Flood bereit war, auch das nächste Fink-Album zu produzieren, war klar, dass sich alles nur um ihn drehen würde. Wo will er es machen, wann? Egal, wir machen alles mit.” Während die beiden Vorgängeralben in 14 und in 17 Tagen im Kasten waren, forderte Flood für „Resurgam” ganze neun Wochen ein. Eine völlig neue Art des Arbeitens für Fin. „Er öffnete unseren Geist, zerlegte unsere Demo-Songs komplett, nichts war ihm heilig – das war faszinierend. Zu sehen, wie er von außen auf die Dinge schaut und sie überdenkt, das war echt eine außergewöhnliche Erfahrung. Wir wollten unbedingt mit ihm arbeiten, wir wollten seine Magie erleben. Und das haben wir. Sein Trick ist: Es ist ihm wichtig, er kümmert sich, er macht nur Alben, die er mag, und das merkt man.” Vielleicht hört man dem Album die Reise, die es genommen hat, nicht direkt an. Fink klingen wie Fink, aber eben doch anders. Reduzierter, fokussierter als zuletzt. Das volle Spektrum von „Resurgam” entspinnt sich erst nach und nach, entblättert sich wie eine Burlesque-Tänzerin. Immer wieder entdeckt man etwas Neues, wenn man genauer hinhört. „Das Album hat für mich eine Art christlichen Vibe. Darum haben wir auch diesen Titel gewählt. ,Resurgam’ ist ein lateinisches Wort und bedeutet ,Ich werde auferstehen’. Das habe ich von einer Kirche in meiner Heimat Cornwall. Wir hatten erst einen anderen Titel, aber als wir das Albumlayout mit diesem Titel fertig hatten, gefiel mir das überhaupt nicht. Es fühlte sich falsch an, sah falsch aus. Ich meine, es ist das sechste Studioalbum und jede Platte ist ein komplettes Reset. Es fühlt sich immer wie eine Wiederauferstehung an. Jedes Mal, wenn du anfängst, an einer neuen Platte zu arbeiten, bist du zwei Jahre weiser, zwei Jahre erschöpfter oder was auch immer. Als wir den Track ,Resurgam’ fertig hatten mit der Textzeile ,I will rise up’, dachte ich, dass genau dieses Gefühl eigentlich doch perfekt zur kompletten Platte passt.”

 

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Trotz aller Professionalität, trotz der Producer-Künste von Flood: Auch „Resurgam” ist kein Album für die große Festivalbühne oder ein Stadionkonzert vor 50 000 Menschen. Zwar werden die Hallen für Finks Konzerte immer größer, doch ein gewisses Maß an Intimität wird dabei bewahrt. Und so sind die Locations der anstehenden Tour bei uns das Batschkapp in Frankfurt, das Docks in Hamburg, das Kölner E-Werk oder auch – traditionell zum Abschluss der Tour – das Tempodrom in Finks Wahlheimat Berlin. Insgesamt ist so ein Fink-Tourplan eng gestrickt, drei Monate mit zig Terminen von Schweden bis Italien. Dennoch gelingt es Fin jedes Mal, mit derselben Energie wie am Vorabend auf der Bühne zu stehen. „Das ist einfach. Die Leute kommen, um meine Musik zu hören, da kann ich nicht viel falsch machen. Als DJ ist das anders. Es war Tiga, der neulich etwas auf Facebook postete, das mich sehr berührt hat. Ich erinnere mich aus meiner Zeit als DJ noch sehr genau an dieses Gefühl, das er dort beschreibt. Nicht jeder Gig funktioniert, egal, wer du bist. Sein Text, dazu das Foto, auf dem er auf der Straße in Rom sitzt – jeder DJ kennt das. Und das ist die Herausforderung, wenn du ein DJ bist, und zugleich der größte Unterschied zum Touren als Band. Als DJ weißt du nie, was die Leute an diesem Abend hören wollen. Sie wollen einfach eine großartige Zeit haben, aber darunter versteht eben jeder etwas anderes. Wie also soll man sich darauf vorbereiten? Wenn die Leute aber auf ein Konzert deiner Band kommen, ist die Playlist definiert. Du spielst dein eigenes Zeug. Du bist gar nicht dem Druck ausgesetzt, den ein DJ erlebt und den Tiga so toll beschreibt. Als Sänger einer Band habe ich diesen Druck nicht mehr, und das ist für mich eine wahnsinnige Erleichterung.” All das kann man dann auch wieder hören, spüren und erleben, wenn Fink im Herbst neun Termine in Deutschland spielen.

www.finkworld.co.uk

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