„Freies Land“: Deutsch-deutsche Nachwende-Tristesse in Sepia

„Freies Land“: Deutsch-deutsche Nachwende-Tristesse in Sepia

Mit „Freies Land“ bringt Regisseur Christian Alvart die trostlose Seite der Wiedervereinigung in die Kinos. In dem düsteren Krimi treffen zwei Ermittler mit unterschiedlichem Background aufeinander, um gemeinsam einen brutalen Mädchenmörder zu finden.

Vor etwas mehr als fünf Jahren erschien mit „La Isla Minima – Mörderland“ ein spanischer Thriller, der trotz seiner Qualitäten bei uns nur wenige Zuschauer fand. Er erzählt die Geschichte zweier ungleicher Ermittler, die in den 1980er-Jahren – kurz nach Ende der Franco-Diktatur – im Süden des Landes mehrere Morde an jungen Frauen aufklären müssen. Nun hat sich Regisseur Christian Alvart des Stoffs angenommen und ihn ins Jahr 1992 sowie eine Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern transportiert. Damit dürfte die Story auch den deutschen Kinogänger kriegen.

In der Oderregion sind zwei Schwestern im Teenageralter verschwunden. Die Ermittler Markus Bach (Felix Kramer) und Patrick Stein (Trystan Pütter) werden ausgesandt, um die Mädchen beziehungsweise ihre Entführer oder gar Mörder zu finden. Ungleicher könnten zwei Kommissare allerdings nicht sein. Ein todgeweihter und ruppiger Ostler mit fragwürdiger Vergangenheit trifft auf einen augenscheinlich grundanständigen Wessi. Gemeinsam müssen sich die zwei gegen den eisigen Wind stemmen, der ihnen seitens der Dorfbewohner entgegenschlägt. Die Menschen in diesem schon so kurz nach der Wende vereinsamten Landstrich fühlen sich vergessen, sie sind frustriert und alles andere als zugänglich. Lügen und Intrigen sind an der Tagesordnung, und nur gemeinsam können Bach und Stein diesen Fall lösen.

Atmosphäre statt Action

Wer beim Namen Christian Alvart einen handfesten Actionfilm erwartet, wird enttäuscht beziehungsweise – je nach persönlichen Vorlieben – positiv überrascht. Anders als bei „Dogs of Berlin“ oder den Tschiller-„Tatorten“ hat sich Alvart für „Freies Land“ in Sachen Knalleffekt zugunsten der Atmosphäre zurückgehalten. Stattdessen orientiert sich der Film stark am spanischen Original. Seine langsame Erzählweise, die Zeichnung der abgründigen Charaktere, die Kamerafahrten und Drohnenaufnahmen sowie der Sepia-Look sind eine Hommage an die Vorlage von Alberto Rodriguez. Wobei Alvart die Geschichte an einigen Stellen angereichert und soweit verändert hat, dass sie den Sehgewohnheiten der Deutschen und der hiesigen Historie gerecht wird.

Die Stimmung im ostdeutschen Hinterland ist vergiftet. Der Freudentaumel der Wiedervereinigung ist einer unfassbaren Trostlosigkeit gewichen. Alvart gelingt es in seiner zusätzlichen Rolle als Kameramann, diese bedrückende Stimmung optisch einzufangen und die Emotionen in Bildern zu spiegeln. Keiner hier vertraut dem anderen und schon gar nicht zwei Polizisten, die von irgendwo her kommen und im Privatesten herumschnüffeln.

Authentischer Ost-West-Konflikt

Kramer gibt den zu allem bereiten Bach mit so viel Hingabe, dass er für diese Rolle sogar 20 Kilogramm zunahm und sich das Rauchen angewöhnte. Und auch Pütter als sein Konterpart überzeugt durch seine fast stoische Ruhe und spürbare Verletzlichkeit. Der Fall selbst ist im Grunde nicht mehr als eine Kulisse für die emotionalen Konflikte der beiden Ermittler, die sich aneinander abarbeiten. Da ist es wohl zu verzeihen, dass überraschende Wendungen ausbleiben und die Auflösung echten Krimi-Fans vermutlich nur ein müdes Gähnen entlockt.

Vielleicht hätte dem Film an der einen oder anderen Stelle noch ein bisschen mehr Eigenständigkeit gutgetan, doch wer das Original nicht gesehen hat, dem dürfte das natürlich nicht auffallen. Und dann ist „Freies Land“ ein authentisches Stück deutsch-deutscher Thriller-Geschichte, für das sich der Gang ins Kino lohnt.

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