Früher waren wir doch unsterblich

Früher waren wir doch unsterblich

… heute stehst du mit einem Bein im Grab. – Udo Lindenberg

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Der Tod scheint – momentan mehr denn je – unser ständiger Begleiter zu sein. Beinahe täglich neue Meldungen über mit brutalsten Mitteln herbeigeführtes Massensterben – an Flughäfen, in Konzerthallen und anderen sogenannten „weichen Zielen“. Ausgelöst durch Menschen, die fest daran glauben, nur durch das Säen von Hass zu ihrem vermeintlichen Recht zu kommen. Völliger Irrsinn. Gehirnwäsche deluxe. Oder wir lesen Berichte über verzweifelte Kreaturen, die in einer finanziellen Notlage oder einem persönlichen Gefühlsdesaster keinen anderen Ausweg sehen, als sich der gesamten Familie einschließlich sich selbst zu entledigen.

Dann sind es mal mehr, mal weniger langwierige Krebsgeschwüre oder andere hinterlistige Erkrankungen, die den Leuten für immer die Beine unter dem Arsch wegziehen. Wie jetzt Roger Cicero. Gerade mal 45 und von einer Sekunde auf die andere einfach weg. Das macht betroffen, ganz gleich ob man ihn persönlich kannte oder nicht, seine Musik gern hörte oder lieber ignorierte.

Unweigerlich mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert, wird einem in solchen Momenten einmal mehr bewusst, wie wichtig es ist, sein Leben mit Freude und Genuss zu leben. Vorrangig Dinge zu tun, die Spaß machen und Glück verheißen – was immer Glück für den einzelnen auch bedeutet. Wie viel Zeit man jeden Tag damit verschwendet, sich über Lapalien zu ärgern, über die Dummheit anderer oder auch ruhig mal die eigene aufzuregen sowie nervige Dinge zu tun, die man genauso gut auch lassen könnte.

Ich bin im Privaten bislang von großen Schicksalsschlägen verschont geblieben. Meine Konfronation mit dem Tod bezog sich auf entfernte Familienmitglieder, die ein zum Sterben legitimes Alter erreicht hatten, oder flüchtige Bekannte, die aus ganz unterschiedlichen Gründen zu früh abtraten. Jeder dieser Todesfälle brachte mich zwar kurz total aus der Fassung, doch dann drehte sich die Erde recht schnell wie gewohnt weiter.

Ein kurzer Moment der Besinnung, der gute Vorsatz, Dinge künftig anders, das Leben im Allgemeinen bewusster anzugehen und sich von Nichtigkeiten weniger stressen zu lassen – und schon 24 Stunden später hat die meisten von uns die Alltagsmaschinerie wieder fest im Schwitzkasten. Es wird sich wie gewohnt geärgert, aufgeregt und jede Menge Zeit mit Mumpitz vergeudet. So lange, bis es einem selbst für immer die Beine unter dem Arsch wegzieht. So richtig bereuen wird man vieles wohl erst, wenn dann wirklich gar nichts mehr geht.

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