Fußball, Frauen und Fanfaren

Fußball, Frauen und Fanfaren

Noch liegt nicht einmal eine Woche WM-Wahnsinn hinter uns, und schon gibt es eine Auffälligkeit zu beobachten, die uns auch die kommenden drei Wochen sicher noch begleiten wird: das nicht nur selbst schon äußerst nervige Plastikblasgerät Vuvuzela, sondern auch gleich dazu die ebenso anstrengende weil dauergeführte Diskussion um selbiges.

Für ein großes deutsches Boulevardblatt ein gefundenes Fressen, jedes noch so blöde Wortspiel mit „tröt“ auf die erste Seite zu hauen. Von „Ihr trötet uns den letzten Nerv“ über „Trööööööt-Wahnsinn bei der WM“ bis „Ihre Stimme gegen ‚tröööööt’“ tobt man sich hier nun alltäglich aus. Wann Benjamin Blümchen wohl sein erstes BILD-Interview gibt, um sich über das falsche Zitat zu beschweren? Muss es nicht eigentlich „toröööööö“ heißen? Doch auch noch so viel Wehklagerei seitens TV-Zuschauern aus aller Welt (oder sind es wieder mal nur die intoleranten Deutschen, die sich massiv gestört fühlen?) werden an dem alle Spiele begleitenden akustischen Hornissenschwarm ganz bestimmt nichts ändern. Wie die FIFA jetzt mitteilte, ist ein Verbot des lautstarken Kunststoffteils endgültig vom Tisch.

Gut, der Südafrikaner selbst würde es als Beleidigung gegenüber seiner Tradition empfinden. Ein erster Rückschritt in Richtung Rassismus gar? Vor dem Hintergrund, dass die Vuvuzela allerdings erst seit den 90er-Jahren zum südafrikanischen Stadiongebaren gehört und einst gar nicht als Massenphänomen gedacht war, mag man das mit gemischten Gefühlen betrachten.

Es gehört auch zur Tradition nicht nur deutscher Fußballfans, sich während des Spiels mit Bier volllaufen zu lassen, dennoch verhängt man immer mal wieder in den Stadien unter bestimmten Bedingungen (Champions League, Uefa Cup) ein Alkoholverbot – aus Gründen der Sicherheit und der Gesundheit. Und so manch minderbemittelte Freund des kickenden Ballsports mag es ebenfalls als althergebrachte Tradition empfinden, sich vor, während und nach einem Spiel ordentlich auf’s Maul zu hauen – ganz egal mit wem. Auch das wird ja noch lange nicht geduldet – aus Gründen der Sicherheit und der Gesundheit. Muss also der afrikanische Fußballfan nicht doch auch Rücksicht auf Spieler, Trainer und daheim zuschauende Nationen nehmen – aus Gründen der Sicherheit und der Gesundheit? Ohren wie Nerven liegen mittlerweile bei so manchem Fan blank. Wer verübelt es ihm da schon, wenn er beim Rudelgucken bald dem nächstbesten Vuvuzela-Bläser das Teil rektal einführt, um endlich Ruhe zu haben?

Eine Kommunikation vor den Fernsehgeräten ist aufgrund der Geräuschkulisse schon kaum möglich, auf dem Platz unter den Spieler selbst aber wohl gänzlich ausgeschlossen. Auch sind Fan-Gesänge zumindest in unseren Ohren die angenehmere und stimmungsvollere Untermalung eines Matches – auch darüber lässt sich allerdings streiten – nicht zu hören. Dass aber die Franzosen nach ihrem gähnend langweiligen Auftaktspiel behaupteten, an ihrem Nichtkönnen seien die bunten Tröten schuld, halte ich dann doch für eine äußerst faule und unsportliche Ausrede.

Und nicht nur die Franzosen enttäuschten. Ein Großteil der bisherigen Vorrundenspiele waren doch wirklich zum Einschlafen, sehen wir vom Einsatz der Jogi-Elf mal ab. Hier können wir wahrlich guter Dinge sein, wenngleich ich auch von ersten Prognosen in Richtung WM-Sieg Abstand nehmen möchte. Argentinien ist sicherlich auch nicht ohne, und was Brasilien, Portugal und Spanien so drauf haben, werden wir erst noch sehen. Ich hoffe jedenfalls weiterhin das Beste und damit auf weitere unterhaltsame Spiele unserer Nationalelf – mit oder ohne nervraubendem Unterton. Spätestens beim Public Viewing wird man ja genug von all den unqualifizierten Kommentaren junger Mädels im Trikot und mit Fußballohrringen („Oh guck mal, ist der Poldi nicht süüüß in seiner kurzen Hose?“) und große Ballhüte und buntes Flaggen-Make-Up tragenden Sportstudenten mit Hang zur Besserwisseroberschlaumeierei hinreichend abgelenkt. Doch um mit dem Zitat eines Freundes zu schließen: „Lieber Sex mit Uwe Seeler, als der Sound von Vuvuzela.“

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