„The House That Jack Built“ – Gewaltexzess in Lars-von-Trier-Manier

„The House That Jack Built“ – Gewaltexzess in Lars-von-Trier-Manier

Skandal-Regisseur Lars von Trier schickt Matt Dillon als zwangsgestörten Serienkiller durch die 1970er-Jahre. Die exzessive Darstellung von dessen Gewalttaten ist typisch für den dänischen Filmemacher und nichts für Sensibelchen.

Der hochintelligente, mit einer ausgeprägten Zwangsneurose ausgestattete Jack (Matt Dillion) wird in den 1970er-Jahren per Zufall zum Mörder, als er einer Anhalterin (Uma Thurman) ihren defekten Wagenheber über den Schädel zieht. Ein Befreiungsschlag für den Bauingenieur, den ihm der Zuschauer angesichts des Nervfaktors seines ersten Opfers nicht einmal verübeln kann.

In den nächsten zwölf Jahren lässt Jack 60 weitere Morde folgen, mit jedem wird sein Treiben planvoller, aber auch riskanter. Dabei ist es ihm – im Gegensatz zum sonst üblichen Serienmörder – völlig egal, ob Mann oder Frau, Erwachsener oder Kind, ob mit dem Gewehr, dem Messer oder den bloßen Händen. Es geht um das Ausüben von Macht und das Töten an sich. Jacks Morde lassen kein wiederkehrendes Muster erkennen, nicht mal er selbst hat in seiner Außendarstellung so etwas wie einen roten Faden. Mal Typ bebrillter Klemmi, mal eher raubeiniger Holzfäller.

Horror in fünf Kapiteln

Von fünf Morden Jacks erzählt „The House That Jack Built“ im Detail, und bei allen ist das Opfer weiblich und von einer gewissen Einfalt. Es ist stets ihre eigene Dummheit, die sie in die tödliche Nähe Jacks bringt. So unterhaltsam und ironisch die Dialoge, so grotesk die Mordinszenierungen und -aufräumarbeiten, so gnadenlos und schwer zu ertragen das Leid der Opfer, so brutal die Darstellung unfreiwilliger Brustamputationen oder präparierter Kinderkörper auf Eis. Nur in den Episoden, in denen Jack, der eigentlich gern Architekt wäre, immer wieder aufs Neue versucht, das für ihn perfekte Haus zu planen und zu bauen, bleibt Zeit, sich vom eben gesehenen Grauen zu erholen.

Für zarte Gemüter ist Lars von Triers neuestes Werk also nichts, aber genau das ist ja quasi sein Markenzeichen. Wir erinnern uns an den „Antichrist“ aus dem Jahr 2009, ein verstörender Mix aus Psycho- und Horrorthriller, der wegen seiner expliziten Darstellung von Sexualität und Gewalt in der Kritik stand. Oder „Melancholia“ von 2011, die dystopische Geschichte einer depressiven jungen Frau, die von Visionen des Weltuntergangs und schließlich dem Weltuntergang selbst heimgesucht wird. 2013 dann „Nymphomaniac“, der in acht Kapiteln eindringlich geschilderte Weg einer mittelalten Nymphomanin. „Dancer in the Dark“, „Breaking the Waves“, „The Element of Crime“ – seichtes Popcorn-Kino war noch nie von Triers Ding.

„Verletztes Zartgefühl“

Anders verhält es sich mit der philosophischen Betrachtung der Kunst, des Lebens, des Todes und allem, was danach kommt. Auch hier macht „The House That Jack Built“ keinen Unterschied zu seinen Vorgängern. Jack steht im Off im permanenten Dialog mit einem Mann namens Verge (Bruno Ganz). Ein Dialog, der zunächst offen lässt, ob es sich bei Jacks Gegenüber um dessen Psychiater, um Gott oder doch den Teufel handelt. Ein bisweilen langatmiger und belehrender Dialog, untermalt mit Footage-Material aus Zeichentrickfilmen, Bildern vom KZ Buchenwald, Lehrmaterial zu gotischen Kathedralen und Aufnahmen von Pianist Glenn Gould. Das Ganze gipfelt dann in einem metaphorischen Epilog, der Himmel und Hölle zusammenbringt.

Das Bemerkenswerteste an „The House That Jack Built“ ist Matt Dillon, der über 155 Minuten sehr viele Facetten von sich und eben jenem unberechenbaren Killer zeigt. Bei der Premiere in Cannes im Mai versah man den Film mit dem Warnhinweis: „Bestimmte Szenen sind geeignet, das Zartgefühl der Zuschauer zu verletzten“. Einige unterschätzen diese Warnung offenbar und verließen sichtlich geschockt vorzeitig den Kinosaal, was den Film für andere wiederum erst so richtig interessant machen dürfte. Von Trier pfeift auf moralische Ansprüche, platziert Humor und Gewalt direkt nebeneinander und setzt alles daran, zu schockieren. Der Plan geht auf, „The House That Jack Built“ ist Provokation pur, wenngleich weitaus abgenutzter und vorhersehbarer, als es früher noch bei den Filmen des 62-Jährigen der Fall war.

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