Im Großstadt-Dschungel der Internet-Opfer

Im Großstadt-Dschungel der Internet-Opfer

Oh Gott, worüber soll ich diese Woche bloß schreiben, wenn ich doch nicht mal das Dschungelcamp schaue? Diese Frage stelle ich mir bereits seit zwei Tagen. So lange schiebe ich nun auch schon das Verfassen dieses Textes vor mir her. Eingeschaltet habe ich trotzdem nicht.

Ich lese allerdings über die Ereignisse im australischen Gestrüpp, sofern man von Ereignissen sprechen kann. Viel ereignet sich nämlich offenbar nicht. Das übliche Gejammer und Gezeter und eine beinahe unübliche Langeweile. Irgendwann ist wohl jedes Format und jeder Z-Promi mit nur ein wenig Unterhaltungsfaktor ausgelutscht. Was bleibt sind die Langweiligsten der Langweiligen, die Unwichtigsten der Unwichtigen und die Dümmsten der Dummen. Warum also einschalten?

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Gut, dass nach meinem Umzug nach Berlin weder Internet noch Fernsehen vernünftig laufen, hat auch ein kleines bisschen mit meiner diesjährigen Missachtung des Formats zu tun. Wer braucht als Freischaffender im Medienbereich schon Internet und Fernsehen? Völlig überbewertet, dachten sich zumindest die Leute bei 1&1, die mir ein Produkt verkauften, das sie gar nicht verkaufen durften, weil sie es an Ort und Stelle nicht liefern können – was sie natürlich auf ihrer Website so erst mal nicht mitteilen. Und als sei das nicht schon kundenunfreundlich genug, teilten sie es mir nicht einmal mit, als sie ihren Fehler bemerkten und meinen Auftrag klammheimlich stornierten. In froher Erwartung eines baldigen DSL-Anschlusses stellte ich bei der Überprüfung des entsprechenden Status eher zufällig fest, dass da irgendwas schief läuft. Drei Mal 20 Minuten Warteschleife und diverse computersimulierte Unterhaltungen mit Knöpfchendrücken und viel Ja- und Nein-Sagerei später bot man mir dann an der Hotline zwar keine Entschuldigung, dafür aber eine erheblich langsamere Leitung zum selben Preis. Was sagt man dazu? Richtig: Nein danke. Also alles wieder zurück auf Anfang und zum pinken Riesen gewechselt, was weitere fünf Wochen Wartezeit mit sich bringt.

Langsam glaube sogar ich, dass einem die Digitalisierung das Leben nicht leichter macht. Mir bereitet kein, ein sehr langsames oder limitiertes Internet echten Stress. Und nun gehöre ich plötzlich auch zu den Laptop-Nomaden, die das Berliner Café-Bild so verschandeln, weil sie in jedem Gastraum mit Wi-Fi vor ihrem aufgeklappten Macbook sitzen. Im fahlen Licht des Bildschirms wirken die Augenringe meist noch dunkler als sie so schon sind. Allerdings sehe ich all diese Menschen, die ich früher für Poser hielt, heute als Verbündete. Denn ein Großteil von ihnen ist sicherlich auch nichts weiter als ein Opfer von 1&1, Kabel Deutschland, Unitymedia, der Telekom und wie diese Verbrecher alle heißen. Am Ende wird das doch von ganz oben gesteuert und verfolgt ausschließlich das Ziel, einige von uns zu produktiven Arbeitsbienen zu machen, während die anderen ganz bewusst in ihrem Tun ausgebremst werden, um so das Gleichgewicht wieder herzustellen. Oder um den Umsatz in den Berliner Cafés anzukurbeln, denn so gut geht es der Wirtschaft hier ja nun auch wieder nicht.

Jetzt weiß ich zumindest, warum in Berlin so viel gesoffen und gefeiert wird. Was soll man schon sonst schon groß tun, wenn man kein Internet hat?

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