Isolation Berlin: Freizeitstress

Isolation Berlin: Freizeitstress

Inzwischen liegen mehr als 14 Tage Isolation hinter mir, kreativ hat mich das bislang leider nicht gemacht. Allerdings treibt die Langeweile gerade andere seltsame Blüten.

Heute habe ich es mit Kochen versucht und einmal mehr festgestellt, dass ich es abgrundtief hasse. Ich habe ein mieses Timing, kein Gespür für Gewürze, und der kurze Moment der Nahrungsaufnahme rechtfertigt in keinster Weise die Zeit, die ich später zum Aufräumen brauche. Außerdem ist es momentan wichtig, dass ich mein Lieblingsrestaurant unterstütze und dort etwas bestelle. Schließlich geht’s um Solidarität.

Noch weniger Spaß als Kochen macht mir sonst nur Sport, und selbst den schließe ich momentan nicht mehr aus. Immerhin steht mein Rennrad seit einiger Zeit festinstalliert auf der Rolle im Gästezimmer und bietet sich … nein, es drängt sich mir nahezu bei jedem Vorbeigehen auf. Ich schätze, in zwei oder drei Tagen hat es mich soweit. Dann reaktiviere ich meinen „Zwift“-Account und fahre digital durch Städte wie London und New York. In der Welt der Indoor-Cycling-App sind die Straßen der Metropolen – bis auf tausende andere Quarantäne-Radfahrer – gespenstisch leer. Das bildet die aktuelle Situation dort wohl ganz gut ab.

Heute habe ich mit einem Grundlagenkurs der Meditation begonnen. Zwar wird man erstmal mit einer nur siebenminütigen Übung an das Thema herangeführt, doch selbst in dieser kurzen Zeitspanne merke ich, wie schwer mir das Loslassen fällt. Immer wieder schweifen meine Gedanken in alle möglichen und unmöglichen Richtungen ab. Doch ist Meditieren angeblich eine Sache der Übung, und es braucht wohl einfach seine Zeit. Davon habe ich gerade mehr als genug, warum also nicht? Ob ich es wohl obendrein schaffe, mein Spanischkenntnisse ein bisschen aufzufrischen? Wobei ich nach all den Jahren, die seit den letzten Lerneinheiten vergangen sind, vermutlich wieder bei Null anfangen muss, sodass ich es auch gleich mit Isländisch, Hebräisch oder Japanisch versuchen könnte.

Wenn ich so weiter plane und auch nur einen Bruchteil meiner Ideen neben der Arbeit in die Realität umsetzen kann, werden die nächsten Wochen in Quarantäne ganz schon stressig. Denn da sind ja auch noch die vielen privaten Skype-, Zoom-, und FaceTime-Calls, die gerade den Tag durchstrukturieren. Ich habe schon sehr lange nicht mehr mit so vielen Leuten so viel und so lange geredet wie in den vergangenen zwei Wochen. Kein nerviges Hin- und Her-Texten mehr, keine albernen Sprachnachrichten, die ich genervt und unkonzentriert abhöre, um dann trotzig mit einem Textbeitrag zu reagieren. Es ist so viel unkomplizierter, direkt miteinander zu kommunizieren, wenn man wissen möchte, was den anderen gerade so umtreibt. Das ist für mich der schönste Nebeneffekt der Coronakrise und ein echter Lichtblick in dieser ansonsten nach wie vor bedrückenden Lage.

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