Isolation Berlin: Ein Prosit auf die Hoffnung

Isolation Berlin: Ein Prosit auf die Hoffnung

Tag 11 in der Isolation. Oder ist es Tag 13? Ich weiß es nicht genau, und es spielt eigentlich auch keine Rolle. Alles, was ich weiß: Dieser Zustand wird noch eine ganze Weile andauern. Meine Ratio hat das vernommen, emotional bin ich noch immer nicht so weit. Und doch verschwimmen die Erinnerungen an die Zeit davor bereits. Nur mit viel Willenskraft kann ich das eine oder andere positive Gefühl, das ich in dieser oder jener Situation vor dem Tag X hatte, für einen kurzen Moment in mir rekonstruieren. Es sind Erinnerungen, von denen ich dachte, sie hätten sich so eingebrannt, dass ich noch ewig davon zehren würde. Jetzt bin ich froh, dass ich sie durch das Scrollen durch mein digitales Fotoalbum künstlich am Leben halten kann. Um mich daran zu erinnern, dass noch bis vor Kurzem die Welt in all ihrer Krankheit und ihrem Irrsinn völlig normal war.

Nach wie vor finden sich zu unserem 18-Uhr-Rotwein-Call immer dieselben Leute ein, auch wenn die Einladungsliste von Tag zu Tag länger wird. So verzweifelt und einsam scheinen die meisten also doch gar nicht zu sein. Das ist einerseits schön, andererseits ärgert es mich auch ein wenig. In der Bar lässt man jemanden doch auch nicht einfach so sitzen. Und ich möchte wissen, wie es allen so geht, und das handele ich derzeit ungern in zwei, drei kurzen Textnachrichten ab. Eine funktionierende Kommunikation ist das Einzige, was uns gerade zur Aufrechterhaltung von Zwischenmenschlichkeit bleibt. Dass man mal nicht in Stimmung ist oder einfach ein paar Tage für sich braucht, um die rasanten Veränderungen zu verarbeiten, die zwar alle betreffen, aber doch sehr subjektiv sind, finde ich nachvollziehbar. Doch mache ich mir Sorgen, wenn ich jemanden frage, wie es ihm oder ihr geht und dann Tage oder gar Wochen nichts von der Person höre. Natürlich muss ich davon ausgehen, dass ich in ihrem Leben in Sachen Wichtigkeit gerade mal hinter das Virus und die damit einhergehenden Umstände gerutscht bin. Doch so ganz will mein Ego das nicht akzeptieren. Dieses Gefühl zurückzustellen ist wohl auch etwas, das ich in dieser Krise lernen muss.

Die ungewöhnliche Gemengelage, in der wir uns alle gerade befinden, hat aber auch positive Nebeneffekte im zwischenmenschlichen Bereich. Plötzlich melden sich Leute bei mir, die ich seit Jahren nicht gesprochen habe. Vielleicht haben sie in meiner Instagram-Story etwas gesehen, das sie getriggert hat. Oder sie haben meine Texte zur Lage der Nation im Allgemeinen und meiner im Speziellen gelesen und für sich einen Mehrwert daraus gewonnen. Gemerkt, dass sie mit ihren trüben Gedanken nicht alleine sind und es eben auch anderen schwer fällt, ständig irgendeine Form der „Positivity“ vor sich herzutragen. Doch ich bemühe mich wirklich, einen lebensbejahenderen Tenor zu finden, auch wenn dabei nicht jeder Aspekt meines Lebens mitspielt. Aber ich freue mich wahnsinnig über die Resonanz und die Kontaktanbahnungen, und ich wünsche mir, dass sich zumindest das in der Zukunft nicht wieder ändert.

Ansonsten bringt mir der Wochenanfang die übliche Arbeit, während ich am Wochenende die Finalisierung meines Drehbuchs für „Soko Stuttgart“ künstlich in die Länge gezogen habe. Vielleicht aus Angst vor der Leere, die entsteht, wenn das Thema auch erstmal durch ist. Zwar weiß noch keiner, wie es weitergeht, denn auch die Dreharbeiten im ganzen Land ruhen ja jetzt erstmal. Zumindest wird am Donnerstag (26.03., 18 Uhr, ZDF) meine erste Folge wie geplant ausgestrahlt. Und jetzt sind ja genug Leute zu Hause, um einzuschalten, selbst wenn mir persönlich gerade die Konzentration fehlt, mich auf jedwede Unterhaltungsformate einzulassen.

Die viel beschworene Hoffnung, die wir gerade alle ein Stück weit verloren haben, stirbt am Ende doch zuletzt. Und das womöglich an Covid-19. Aber bis dahin werde ich sie noch eine Weile hegen und pflegen und vermutlich jeden Abend ein Glas Wein auf sie erheben. Prosit!

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