James McAvoy: „Ich würde gerne andere Menschen geil machen“

James McAvoy: „Ich würde gerne andere Menschen geil machen“

Nach „Unbreakable“ und „Split“ findet die Geschichte von drei ungewöhnlichen Superhelden mit „Glass“ ihr definitives Ende. Regisseur und Hauptdarsteller haben im Interview mit n-tv.de verraten, welche Superkraft ihnen gefallen würde.

Im Jahr 2000 legte Drehbuchautor und Regisseur M. Night Shyamalan mit „Unbreakable – Unzerbrechlich“ den ersten Teil seiner Superhelden/Superschurken-Trilogie vor, der er stolze 16 Jahre später mit „Split“ eine erste Fortsetzung angedeihen ließ.

Nun läuft mit „Glass“ das Finale der sogenannten „Eastrail 177“-Trilogie im Kino, in dem es ein Wiedersehen mit dem titelgebenden Mr. Glass alias Samuel L. Jackson, dem unverwüstlichen David Dunn, gespielt von Bruce Willis, sowie der von James McAvoy verkörperten „Bestie“ Kevin Wendell Crumb gibt.

n-tv.de hat Jackson, McAvoy und die deren Psychiaterin Dr. Ellie Staple mimende Sarah Paulson sowie Autor und Regisseur Shyamalan in London getroffen und mit ihnen über die Rückkehr alter Bekannter und die besten Superkräfte fürs Privatleben gesprochen.

Mr. Shyamalan, wann genau war Ihnen klar, dass es nach „Unbreakable“ einen zweiten und schließlich noch einen dritten Superhelden-Film aus Ihrer Feder geben wird?

M. Night Shyamalan: Tatsächlich kam diesbezüglich viel Druck von außen, und ich habe mich nicht immer wohl bei dem Gedanken gefühlt. Ich wollte die Trilogie nicht einfach nur machen, weil die Möglichkeit dazu bestand. Einen guten Film zu machen, bedeutet für mich, dabei ganz ehrlich zu sein. Dann hat sich alles aber doch ganz organisch entwickelt, denn ich wollte Kevin Wendell Crumb unbedingt auf die Leinwand bringen. Als das mit „Split“ passierte und vom Publikum gut angenommen wurde, fühlte ich die Zeit gekommen, die Geschichte über den Glauben an sich selbst zu Ende zu erzählen.

Was wäre gewesen, wenn auch nur einer der drei Darsteller seine Teilnahme am Finalfilm verweigert hätte?

Shyamalan: Dann hätte ich ihn nicht gemacht.

Wie fühlt es sich an, dieses langwierige Projekt nun abgeschlossen zu haben?

Shyamalan: Es ist beängstigend, jetzt wieder vor einem leeren Blatt Papier zu sitzen. Das Gute an meinem Job ist, dass ich mich zwei Jahre lang auf ein Projekt konzentriere und dann das nächste kommt. Das bedeutet aber auch, dass man eine lange Zeit sehr eng mit bestimmten Leuten arbeitet und schließlich wieder bei Null anfängt. Ich habe zwar schon einige Ideen für die Zukunft, trotzdem spüre ich gerade vor allem Angst, weil ich mich für eine von ihnen entscheiden und die dann weitere zwei Jahre verfolgen muss.

Wie waren Ihre Reaktionen auf Mr. Shyamalans Idee, Dunn, Glass und Crumb in einem Film zusammenzubringen?

Samuel L. Jackson: Night erzählte mir von „Split“ und wollte, dass ich mir den Film ansehe, allerdings ohne mir zu sagen, warum. Am Ende ahnte ich es dann schon, und hielt es für eine gute Idee. Also sagte ich ihm, dass ich an Bord bin.

James McAvoy: Erstmal war ich überrascht, denn Night erzählte mir davon, als wir gerade noch „Split“ drehten. Ich fand das sofort super, aber wir mussten erstmal abwarten, ob das Sequel funktioniert und Geld einspielt. Davon war abhängig, ob es „Glass“ geben würde. Also habe ich den Gedanken damals zunächst beiseite geschoben. Dass das dann tatsächlich geklappt hat, ist natürlich toll.

Sarah Paulson: Ich habe beide vorherigen Filme im Kino gesehen und war schon immer ein Fan von M. Night Shyamalan. Bei der Schlussszene von „Split“, in der David Dunn auftaucht, ist der ganze Saal ausgeflippt. Meine Begleitung musste mir den Gag erstmal erklären, wenn ich ehrlich bin. Er sagte mir, dass „Split“ eben eine Fortsetzung von „Unbreakable“ sei. Die Idee fand ich einfach genial. Ich musste also nicht lange überlegen, als Night mich fragte, ob ich Dr. Staple spielen möchte.

Mr. Jackson, für Sie und Mr. Willis waren die Dreharbeiten eine Art Klassentreffen mit einigen neuen Gesichtern. Wie hat sich das angefühlt?

Jackson: Die Energie am Set war toll. Bruce und ich haben natürlich eine lange Geschichte, die uns verbindet. Und James McAvoy in „Split“ zu sehen, war schon beeindruckend. Direkt mit ihm in einem Raum zu sein, wenn er von einer Persönlichkeit zur anderen switcht, das war aber doch noch mal etwas Besonderes. Insgesamt war die Arbeit an diesem Film ein enorm kreativer Prozess für alle Beteiligten.

Wieder in die Rolle des Elijah Price alias Mr. Glass zu schlüpfen – war das wie nach Hause kommen?

Jackson: Glass sitzt quasi seit 18 Jahren in der Psychiatrie. Erstmal ging es für mich also darum, mich mit dem auseinanderzusetzen, was ihm in dieser Zeit dort angetan wurde. Dieser Ansatz hat es zu einer neuen Erfahrung gemacht. Er lebt in einer – wie ich es nenne – ‚aktiven Isolation‘, denn er weiß trotz allem genau, was draußen vor sich geht und wer die zwei sind, die jetzt eingeliefert werden. Nur ahnt das niemand. Glass ist bereit, loszulegen, und er hat einen ausgefeilten Plan.

Mrs. Paulson, welchen Bezug hatten sie vor dem Dreh zu Superhelden ganz allgemein?

Paulson: Ich bin nicht wirklich ein Fan von Comic-Verfilmungen, aber immer, wenn ich mal eine gesehen habe, hatte ich Spaß dabei. Es ist aber eben nicht so ganz meine Welt, auch wenn die Marvel-Filme sicherlich ganz toll sind. Aber „Glass“ hat einfach einen anderen Ansatz, denn die Geschichte ist viel mehr in der Realität verankert, und das macht ihre Magie aus. Sie stellt die Frage, was möglich ist, wozu wir alle fähig sind. Und das ist in diesem Genre meines Wissens nach einzigartig.

Mr. McAvoy, was war die größte Herausforderung dabei, einen Mensch mit einer solch massiven Persönlichkeitsspaltung zu spielen? Immerhin verkörpern sie neben Kevin noch Patricia, Dennis, Hedwig, Barry und einige mehr. Oder war die größere Challenge am Ende die Körperlichkeit des „Biests“?

McAvoy: Die Darstellung des „Biests“ war für mich dieses Mal tatsächlich weitaus anstrengender als der schnelle Wechsel zwischen den Persönlichkeiten. Das hat mir eher großen Spaß bereitet. Das „Biest“ ist in „Glass“ aber noch körperlicher als in „Split“. Es ist fast wie ein Alien, auf jeden Fall nicht menschlich. Es verhält sich so irre und bewegt sich fast artistisch, darin lag die größte Herausforderung.

Wenn Sie sich eine Superkraft aussuchen dürften, welche hätten Sie gern und warum?

Paulson: Wenn ich jetzt sage, ich würde mich gerne unsichtbar machen können, wirft das sicher ein schlechtes Licht auf mich. Dann wird man doch sofort verdächtigt, andere Menschen unbemerkt nackt sehen zu wollen. Gedanken lesen zu können, wäre sicher auch interessant. Dann wüsste ich immer, was die Leute wirklich über mich denken. Das ist in manchen Momenten sicherlich hilfreich, kann aber auch sehr schmerzhaft sein. Deswegen würde ich mich lieber fürs Teleportieren entscheiden. So könnte ich für ein Frühstück mit Croissant mal eben nach Paris reisen und säße wenig später schon wieder zu Hause auf meinem Sofa. Das würde mir gefallen.

McAvoy: Diese Frage habe ich in den letzten Jahren häufiger gehört, immerhin habe ich ja auch mehrfach den „X-Men“-Charakter Professor Charles Xavier gespielt. Mir würde die Fähigkeit gefallen, andere Menschen geil zu machen. Also nicht auf mich, sondern aufeinander. Dafür zu sorgen, dass sie sich ineinander verlieben. Das wäre entwaffnend und würde für mehr Frieden in der Welt sorgen.

Shyamalan: Ich fände eine steuerbaren ‚Superfokus‘ gut. Autisten haben die Gabe, sich oft auf ganz bestimmte Dinge zu 100 Prozent fokussieren zu können beziehungsweise zu müssen. Bei gesunden Menschen läuft alles eher kreuz und quer und verschwimmt miteinander. Ein solcher Superfokus wäre nicht nur für meinen Job gut, sondern für das gesamte Leben.

Jackson: Ich wäre wie Sarah fürs Teleportieren. Ich liebe es zu reisen. Die Möglichkeit, sofort und ohne diese langen Wartezeiten am Flughafen, im Flieger selbst und so weiter den Ort wechseln zu können, fände ich praktisch.

REVIEW

18 Jahre ist es her, dass Drehbuchautor und Regisseur M. Night Shyamalan mit „Unbreakable – Unzerbrechlich“ den ersten Teil einer Trilogie schuf, von der nicht einmal er selbst damals ahnte, dass es eine solche werden würde. Diese Idee brachten erst die Zeit und der Erfolg mit sich.

Im Mittelpunkt der Geschichte stand damals David Dunn. Eigentlich ein Durchschnittstyp, der als einziger Überlebender eines Zugunglücks nach und nach erkennt, dass er ein echter Superheld ist. Der Wachmann ist nicht nur unverwundbar, auch besitzt er die Fähigkeit, die bösen Taten eines Menschen zu sehen, wenn er ihn berührt.

Sein Antagonist ist Comic-Sammler und Superhelden-Fetischist Elijah Price alias Mr. Glass. Ein Mann, geschlagen mit der Glasknochenkrankheit, die ihn meist an Bett oder Rollstuhl fesselt, und ausgestattet mit einem extrem wachen, aber auch gefährlichen Verstand.

Nicht wie ursprünglich geplant in „Unbreakable“ zugegen: Kevin Wendell Crumb alias „Die Horde“ oder auch „Das Biest“. Der sich dank einer multiplen Persönlichkeitsstörung aus vielen Identitäten zusammensetzende Superbösewicht wurde von Shyamalan aus dem Drehbuch wieder eliminiert. 2016 dann erweckte er ihn in „Split“ zu neuem Leben und rückte ihn in den Mittelpunkt seiner Erzählung.

Die Überraschung von „Split“

James McAvoy verkörpert darin mit großer Hingabe und viel Talent Kevin, die „Bestie“ sowie viele weitere seiner Persönlichkeiten – darunter Patricia, Dennis, Barry und der neunjährige Junge Hedwig. Die Schlussszene, in der David Dunn für wenige Sekunden und mit einem einzigen Satz auftaucht, machte zumindest eingeweihten Zuschauern klar, dass „Split“ als Fortsetzung von „Unbreakable“ zu verstehen ist. Diese Überraschung war Shyamalan gelungen.

Nun treffen alle drei Superhelden zwischen Genie und Wahnsinn in „Glass“ aufeinander, dem dritten und letzten Teil der sogenannten „Eastrail 177“-Trilogie. Kevin Wendell Crumb hat als „Bestie“ nach wie vor junge Mädchen auf dem Kieker. Gerade erst hat er wieder drei Cheerleaderinnen entführt, denen er nun den Garaus machen will. Gestoppt wird er dieses Mal vom unverwüstlichen wie wasserscheuen David Dunn. Der Superheld im Antihelden-Kostüm lebt nach dem Krebstod seiner Ehefrau mit Sohn Joseph allein und erhält von seinem inzwischen erwachsenen Spross – dem das Superhelden-Gen leider nicht in die Wiege gelegt wurde – alle erdenkliche Unterstützung. Dunn hat es zu seiner Lebensaufgabe erklärt, die Welt zu einem besseren Ort zu machen und vom menschlichen Dreck zu erlösen. Dieses Mal aber geht einiges schief.

Denn nach ihrem äußerst physischen Zusammentreffen landen Dunn und Crumb in jener Psychoklinik, in der Elijah Price bereits seit vielen Jahren zu Hause ist. Sabbernd, blinzelnd und scheinbar sämtlicher Vitalfunktionen beraubt, vegetiert der einst so helle Kopf mit den brüchigen Knochen im Rollstuhl vor sich hin.

Realität oder Einbildung?

Damit gibt es in „Glass“ also ein Wiedersehen mit Bruce Willis (Dunn), Samuel L. Jackson (Glass) und James McAvoy (Crumb), denen Sarah Paulson als Psychiaterin Dr. Ellie Staple gegenübersitzt. Sie möchte die drei Herren davon überzeugen, dass sie keinesweges Superkräfte besitzen, sondern nur ganz normale Irre sind. Allerdings hat die Ärztin diese Rechnung ohne ihre Patienten gemacht. Die haben ihre ganz eigenen Methoden, um zu beweisen, dass ihre Superkräfte real existent und nicht bloß eingebildet sind.

Klingt erstmal erneut nach einem unkonventionellen Superhelden- beziehungsweise Superschurken-Streifen, der sich nicht an Comic-Verfilmungen aus dem Marvel- oder DC-Universum messen lassen kann und will. Doch ist man von M. Night Shyamalan Besseres gewohnt. Zwar hat der Regisseur, der einst mit Filmen wie „The Sixth Sense“ und „The Village“ und seinem Hang zu extrem überraschenden und klugen Wendungen überzeugte, zuletzt immer häufiger filmische Schuld auf sich geladen. Die Erwartungen an ihn waren nun aber dennoch – oder gerade deswegen – besonders hoch.

Nicht so schlimm, aber auch nicht gut

So schlimm wie „The Lady in the Water“ oder „After Earth“  ist „Glass“ zwar nicht, immerhin lohnt sich der Kinobesuch schon allein für James McAvoy und seine – in den Augen vieler Psychiater und Betroffener sicherlich überzogene – Darstellung einer dissoziativen Identitätsstörung.

Dass jedoch alle drei Figuren kaum gemeinsam agieren, sondern maximal im Zweierpack ihr Unwesen treiben, lässt den Film episodenhaft erscheinen. Die Dialoge sind oft hölzern und den Charakteren fehlt es an emotionaler Tiefe. Sie bleiben meist blass und schablonenhaft. Vor allem David Dunn hat nicht eine einzige einprägsame Facette dazugewonnen.

So bleibt der Zuschauer recht emotions- und hilflos in seinem Kinosessel zurück. Die Frage, die sich ihm am Ende stellt, ist nicht die nach der Existenz von Superhelden. Wissen möchte er eigentlich nur: Hätte man mit so viel Vorlauf und dieser Starbesetzung aus „Glass“ nicht wesentlich mehr herausholen können?

„Glass“ ist am 17. Januar in den Kinos gestartet. 

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