Joyce Muniz – Wiener Blut

Joyce Muniz – Wiener Blut

Geboren in São Paulo, aufgewachsen in Wien und unlängst nach Berlin verzogen – der Lebensweg der 33-jährigen Joyce Muniz ist so multikulturell wie ihr neuer Lebensraum Neukölln. In Wien war sie schon seit ihren frühen Teenagerjahren an den Turntables aktiv und schnell ein fester Bestandteil der dortigen elektronischen Musikszene. Eine eigene Radioshow auf FM4, ihre Residency im Club Pratersauna und zahlreiche Arbeiten mit unterschiedlichsten Kollegen – unter anderem produzierte Joyce das letzte Album von Altmeister Louie Austen – ließen sie über die Jahre zu ihrem ganz eigenen Stil finden. Und der schlägt sich nun im ersten Album „Made In Vienna“ auf Exploited Records nieder. Das spannt den Bogen weit über den Tanzflur hinaus, präsentiert einen international geprägten, zeitlos eleganten Sound mit einer Menge Groove und ebenso vielen Gästen.

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Wir treffen uns an einem verdammt ungemütlichen Herbsttag im tiefgrauen Berlin-Kreuzberg auf einen supergesunden Fruchtsaft und ein intensives Gespräch über die Kunst des Musikmachens und des Lebens im Allgemeinen. Zum Beispiel den Grund ihres Umzugs nach Berlin, der ein Mix aus beidem ist. „Ich komme seit 2003 in die Stadt, habe deren Entwicklung teilweise miterlebt. Ich arbeite schon immer mit Labels, einem Management etc. von hier. Vor 13 Jahren aber war ich 20, da wäre ich nicht bereit gewesen für diese Stadt. Ich habe das kreative Chaos hier erlebt. Berlin bietet sehr viel, aber du kannst auch sehr schnell untergehen. Das habe ich bei vielen Leuten beobachten müssen. Jetzt aber kommt das Album und ich brauche diesen nächsten Schritt für mich selbst. Ich habe für ,Made In Vienna’ viel mit Leuten aus Berlin gearbeitet und diese Zusammenarbeit hat sich super entwickelt. Der Umzug nun soll eine Art Upgrade meiner persönlichen Entwicklung und meiner Karriere werden.“ So ist „Made In Vienna“ gar nicht rein „Made in Vienna“, sondern auch ein bisschen „Made in Berlin“, „Made in New York“, „Made in …“: „Es ist ein sehr internationales Album. Ich habe Sänger und Features aus 13 verschiedenen Ländern dabei. Das hat sich durch meine vielen Reisen entwickelt. Leute, die mir empfohlen wurden, aber auch welche, die jetzt zum ersten Mal Kontakt mit Musik hatten.“ Das sind unter anderem Kat Vinter, Knixx, Christa Vi, ENEQUIST und Angelique Bianca.

„Ich habe immer Beats auf Tour mitgenommen, wenn ich wusste, dass ich Leute treffe, z. B. in New York, L.A. oder London, wo wahnsinnig viele gute Sänger leben. Die Ideen und Beats sind aber alle in Wien entstanden.“ Nun aber geht das Verlassen Wiens, also des Ortes, der als Geburtsstätte des Joyce-Muniz-Albumsounds gilt, mit dem Release desselbigen einher. Ein Zufall? „Teils ja, teils nein. Der Titel kam mir schon viel früher, weil dieses Album für mich viele Elemente aus der alten Wiener Downtempo-Musik beinhaltet. Ich habe in Wien angefangen, Musik zu machen. Es ist eine Art Dankeschön. Mein Leben wäre ganz sicher anders verlaufen, wäre ich in Brasilien geblieben. Wenn du dort aus der Mittelklasse kommst, gehst du in die Schule, machst eine Ausbildung und heiratest.“ Von diesem Lebensentwurf ist Joyce wahrlich weit entfernt. Und um das zum Ausdruck zu bringen, trägt die Brasilianerin auf dem Cover von „Made In Vienna“ ein stilechtes Sissi-Kleid. „Ich wollte das Ganze clashen. Ich ärgere mich darüber, dass sich viele Ausländer nicht daheim fühlen. Wenn du in einer Stadt lebst und deinen Senf dazu gibst, dann bist du aus dieser Stadt und kommst aus dieser Stadt. Das wollte ich mit dem Albumtitel zum Ausdruck bringen. Aber natürlich müssen diese Städte und Länder ihren Zugezogenen dieses Zuhause-Gefühl auch vermitteln. Berlin ist da sehr international. Ich habe das Glück, Deutsch zu sprechen. Hier in Berlin aber habe ich auch viele Freunde, die das nie gelernt haben und sich trotzdem wohlfühlen. Erst wenn sie mit Behörden oder der Bank zu tun haben, spüren sie, dass sie in Deutschland sind. Man kann die Leute aber nicht zwingen, die Sprache zu lernen, das muss von allein kommen. Die Ausländer, die in Brasilien leben, sprechen alle Portugiesisch, weil dort eben niemand Englisch kann. Und auch wenn hier viele Leute Englisch können, sollte man Deutsch sprechen, wenn man hier leben möchte. Ich kann auch nicht nach Paris gehen und erwarten, dass die Leute dort auf mich eingehen. Ich muss offen sein, die Kultur und die Tradition eines Landes aufnehmen.“

So konsequent Joyce im Alltäglichen ist, so schwer fällt es ihr oft, jene Konsequenz auch im Künstlerischen umzusetzen. Ohne Druck von außen wäre das Album womöglich bis heute noch nicht fertig. „Mich hat mein Manager gestoppt. Er meinte irgendwann, dass es reicht und wir kein Doppelalbum machen können. Ich musste mich auch von einigen Tracks trennen, das war schwierig. Wenn etwas gut produziert ist, ist es zeitlos, also werden die Stücke eventuell später mal erscheinen. Es tut mir natürlich schon leid um die Sachen, die hinten runter fallen, denn es hängen ja auch andere Menschen dran, Erfahrungen, Erlebnisse, Momente. Aber einiges hat einfach nicht reingepasst. Inhaltlich bleibt natürlich schon alles bei mir, was ich tue, mit wem ich arbeite. Aber dieser Stopp war doch wichtig. Wenn du einen Track ,fertig’ hast, reicht das ja noch nicht. Du musst ihn ausarbeiten, schleifen wie einen Diamanten. Und mein Manager hat mich gezwungen, die einzelnen Tracks wirklich zu Ende zu bringen. Es war wichtig, mich darauf zu konzentrieren.“

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Doch Joyce wäre nicht Joyce, wenn sie nicht schon die nächsten großen Pläne auf dem Zettel hätte: die Live-Umsetzung ihres Albums. „Ja, das ist die nächste große Herausforderung. Erst mal gibt es aber ein paar Release-Partys in Berlin, Wien, Tel Aviv, auch in Spanien. Das wird vermutlich alles Ende 2016, Anfang 2017 sein. Die ersten werden keine Live-Gigs sein, ich muss mich erst mal darauf einspielen. Aber ab 2017 möchte ich das Album im Live-Format präsentieren – nicht einfach 1:1 umsetzen, sondern eine Live-Reproduction eben. Mit Gästen ist es hingegen schwierig, denn die meisten Leute sind quer über die Welt verteilt und immer in irgendwelche eigenen Projekte verstrickt. Aber so, wie ich es aktuell plane, wird es ein Live-Act für den Club sein, der dann irgendwann in der Nacht stattfindet. Das ist der nächste Step. Ich habe jetzt ein cooles Produkt, daraus kann man einfach viel mehr machen. Vor zwei Jahren hätte das noch keinen Sinn gemacht. Jetzt ist das mein größter Wunsch.“ Und dass sie sich den erfüllen wird, daran besteht wohl kein Zweifel.

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