Kein Vorsatz ist auch ein Vorsatz

Kein Vorsatz ist auch ein Vorsatz

Die Bevölkerungszahl in Deutschland ist das dritte Jahr in Folge gestiegen und beläuft sich nun auf 80,8 Millionen. Die einen wird es freuen, z.B. RTL, bedeutet das doch noch mehr Zuschauer fürs anstehende Dschungelcamp. Mir allerdings macht es Angst – wie wohl jedem, der kurz vor Weihnachten noch einmal in der Innenstadt war und dachte: „Wo kommen die nur alle her? Und vor allem: Wo wollen die alle hin?“

Ähnlich erging es mir auch jetzt beim Neujahrsspaziergang im nahegelegenen Stadtwald. Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre unter einen der zahlreichen neuen Laufschuhe geraten, die die Wege entlang joggten. Darin steckend die von guten Vorsätzen und Bauchspeck getriebenen Neujogger, bis in die Haarspitzen motiviert – zumindest, bis ihnen bei Kilometer Eins die Puste ausging und erste Zweifel am eigenen Durchhaltevermögen aufkamen. Die Erfahrung zeigt, dass spätestens in drei Wochen auch der Wald wieder betretbar ist, ohne sich größeren Gefahren auszusetzen, haben die meisten die kaum getragenen Laufschuhe dann doch längst wieder tief im Schuhregal vergraben. Finanziell ist die Ausgabe für ein gutes Laufoutfit überschaubar, zumal die meisten Menschen dieses noch vom letzten guten Vorsatz 2013, 2012, 2011 etc. im Schrank haben. Anders sieht das aus, wenn die Motivation bzw. das schlechte Gewissen nach der Völlerei der Festtage so stark war, dass es einen direkt ins schickste Fitnessstudio der Stadt trieb, um dort einen Zweijahresvertrag zu unterzeichnen, der einen am Ende rund 2.000 Euro gekostet haben wird. Leider hat man das Angebot nach Ablauf der 24 Monate vielleicht zwanzig Mal intensiv genutzt, was einen Besuch auf 100 Euro kommen lässt. In diesem Fall sollte der Vorsatz für 2016, wenn der Vertrag dann endlich mal ausgelaufen ist, heißen: Nicht so viel Geld für unnütze Dinge ausgeben.

Weitere gute Vorsätze, die zum vorzeitigen Scheitern verurteilt sind: Ein Jahr/Monat/Tag lang keinen Alkohol trinken. Zehn Kilogramm abnehmen und sich zukünftig überhaupt gesünder ernähren. Weniger in sozialen Netzwerken herumhängen und keine Füße/Essen/R.I.P mehr posten. Sich vom nervigen Nachbarn nicht länger ärgern lassen. Sich nicht mehr über die faulen Arbeitskollegen aufregen. Sich überhaupt nicht mehr über so vieles aufregen. Mindestens einen Literaturklassiker pro Monat lesen. Weniger Geld für unnütze Dinge ausgeben …

Ich habe mir vorgenommen, mir nichts vorzunehmen. Das klappt bereits seit einigen Jahren ganz gut. Ich kann es nur empfehlen.

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