„Königin des Nordens“ herrscht mit Empathie

„Königin des Nordens“ herrscht mit Empathie

1402 herrscht Margrete I. über Schweden, Norwegen und Dänemark, eint sie zum Großreich und wird zu einer der bedeutendsten Frauen der Weltgeschichte. Das Biopic von Charlotte Sieling erzählt von einer Königin, die trotz ihrer Macht nie ihre Menschlichkeit verlor.

Denkt man an einflussreiche Königinnen, kommt einem aktuell am ehesten Queen Elizabeth II. in den Sinn, die den britischen Thron nun schon bald seit 70 Jahren besetzt. Ansonsten muss man die Monarchie auch im 21. Jahrhundert noch als weitgehend patriarchale Angelegenheit begreifen.

Doch auch in Dänemark ist mit Margrethe II. eine Frau an der royalen Macht, deren direkte Vorgängerin allerdings schon im 14. und 15. Jahrhundert herrschte, ehe in der Folge wieder unzählige Männer das Zepter nicht nur sprichwörtlich in der Hand hielten. Ihr zu Ehren trägt Margrethe mit H übrigens die II. hinter ihrem Namen – aus Hochachtung vor einer ungekrönten Königin, die seinerzeit den Ländern Dänemark, Schweden und Norwegen den Frieden brachte und sie zum Großreich einte: Margrete I.

Ihrer Geschichte hat sich Schauspielerin und Regisseurin Charlotte Sieling angenommen, die unter anderem bereits Folgen für Serien wie „The Killing“, „Borgen“ und „Homeland“ inszenierte. Die realen Ereignisse reichert die Dänin mit fiktionalen Elementen an und bringt so ein spannendes und ausdrucksstarkes Biopic auf die Leinwand, das ein beeindruckendes Bild dieser historisch einflussreichen Frau zeichnet.

Bedrohliche Verschwörung

Ende des 14. Jahrhunderts herrscht erstmals seit sehr langer Zeit Frieden zwischen Dänemark, Schweden und Norwegen. Dankbar darf das Volk dafür seiner Herrscherin Königin Margrete (Trine Dyrholm) sein, die durch ihr diplomatisches Geschick die einst verfeindeten Länder zur Kalmarer Union geeint hat, an deren Spitze sie nun steht. Fünf Jahre dauert dieser Frieden an, als sich 1402 die Wolken über dem Reich verdunkeln, weil der Einmarsch deutscher Truppen unmittelbar bevorstehen könnte.

Um das Reich weiter zu stärken und damit die Deutschen und andere potenzielle Feinde abzuschrecken, soll Margretes Stiefsohn Erik (Morten Hee Andersen) die damals gerade einmal achtjährige Prinzessin Philippa von England heiraten. Mitten in die Verhandlungen mit dem britischen Gesandten platzt ein völlig verlotterter Mann (Jakob Oftebro), der behauptet, Margretes vor 15 Jahren verstorbener Sohn Oluf und damit der eigentliche König zu sein, dessen Job seine mutmaßliche Mutter seither ungekrönt bekleidet. Sollte Oluf die Wahrheit sprechen, wären sämtliche von Margrete getroffenen Vereinbarungen obsolet und das friedliche Nordeuropa womöglich dem Untergang geweiht.

Opulente Brutalität

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Adoptivsohn Erik und seine Mutter Margrete I.

Atemberaubende Landschaften, opulente Kostüme und eine über all dem liegende, düstere Atmosphäre vereinen sich in den Bildern von Kameramann Rasmus Videbæks zu einem fantastischen Ganzen, das keinen Zweifel daran lässt, wie hart das Leben einst war. Wie brutal die Welt, in der Margrete aufwuchs, deren größte Errungenschaft – der Frieden – nun zu kippen droht.

Wie beweist oder widerlegt man nach 15 Jahren die Verwandtschaft mit einem Mann, den man zumindest optisch nicht mehr zu erkennen vermag, wenn es noch keine DNA-Tests gibt? In diesem Zwiespalt steckt Margrete, denn ist Oluf tatsächlich ihr für tot erklärter Sohn, dessen Leiche niemand jemals sah, ändert das nicht nur alles für sie und ihr Reich, sondern auch ihren Adoptivsohn Erik, dem das natürlich gar nicht schmeckt. Und wie wehrt man sich überhaupt gegen mögliche Verschwörungen, die in den eigenen vier Wänden sowie in weit entfernten Ländern gesponnen werden?

Eigentlich ist Margrete fest davon überzeugt, den angeblichen Oluf des Schwindels überführen zu können, doch kommen ihr auch immer wieder Zweifel. Diese Zerrissenheit spielt Trine Dyrholm ohne große Gesten, dafür mit viel mimischen und körpersprachlichen Feingefühl. Eben das macht ihre Figur glaubwürdig, ihr ambivalentes Handeln nachvollziehbar, ihren Konflikt spürbar. Trotz aller Macht ist sie Mensch geblieben und stellt den Frieden ins Zentrum ihres Schaffens. Wohl auch deswegen hat sie sich einen beeindruckenden und emotionalen Film wie diesen redlich verdient.

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