KORN: Verarbeitung von Tod, Verlust und Trauer

KORN: Verarbeitung von Tod, Verlust und Trauer

Drei Jahre nach „The Serenity Of Suffering“ und eineinhalb nach Jonathan Davis‘ Solo-Werk „Black Labyrinth“ veröffentlichen Korn ihr mittlerweile 13. Studioalbum. Es trägt den Titel „The Nothing“ und dieses „Nichts“ beschreibt Frontmann Davis im Infotext zur Platte als eine gewaltige Kraft, die unserer Erde innewohne. In ihr seien Gut und Böse, Schmerz und Glück, Verlust und Gewinn sowie Verzweiflung und Hoffnung vereint.

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Nun waren Korn noch nie ein Ausbund an Freude und Glückseligkeit. Davis hat immer offen über seine Depressionen, Panikattacken, posttraumatischen Stressstörungen und die Schizophrenie gesprochen, die ihn seit vielen Jahren begleiten. Er hat das alles zum Thema der Musik seiner Band gemacht. Korn stehen also seit einem Vierteljahrhundert für brachialen New-Metal voll harter Gitarrenriffs, dichter Rhythmusgeflechte und düsterer Texte. Doch das Songwriting für „The Nothing“ wurde zudem überschattet vom viel zu frühen Tod von Davis‘ Ehefrau, der Mutter seiner beiden Kinder.

Die 39-jährige Deven Davis starb im August 2018. Schuld war laut diverser US-Medien ein Cocktail aus Kokain, Heroin und verschiedenen Medikamenten gegen Krampfanfälle, Depressionen, Epilepsie und Migräne. Eine unbeabsichtigte Überdosis, da seien sich die Mediziner sicher, hieß es seinerzeit. Deven Davis befand sich gerade in einer Entzugsklinik, ihr Tod war für Jonathan und die gemeinsamen Kinder ein Schock. Wie sehr ihm die Musik auch dieses Mal geholfen hat, mit dem Schmerz fertig zu werden, hat der 48-Jährige n-tv.de im Interview erzählt.

n-tv.de: Jonathan, erst im Mai vergangenen Jahres hat du mit „Black Labyrinth“ ein Soloalbum veröffentlicht. Wie hat es sich angefühlt, wieder in den Schoß der Band zurückzukehren?

Jonathan Davis: Grundsätzlich fühlt es sich gut an, wieder mit den anderen gemeinsam Musik zu machen. Es ist sowieso immer eine aufregende Zeit, wenn neues Material entsteht. Wenn ich alleine Musik mache, ist der Vibe natürlich komplett anders. Das Zeug, das ich dann mache, ist viel melodischer und nicht so hart wie die KoRn-Sachen. Ich finde es total bescheuert, wenn ein Sänger ein Soloprojekt macht und es exakt so klingt wie das Zeug seiner eigentlichen Band. So sollte es doch nicht sein.

Lässt du dich für deine Solo-Stücke also auch von anderen Dingen inspirieren als für die, die du für KoRn schreibst?

Die Themen, die ich auf „Black Labyrinth“ behandele, liegen im Grunde schon zehn Jahre zurück, so lange ist es nämlich her, dass ich die Songs geschrieben habe. Es hat also ewig gedauert, bis sie erschienen sind. Damals war ich in einer völlig anderen Lebensphase. Das letzte Jahr hingegen war wirklich schlimm für mich. Ich habe meine Frau verloren, mein zwölfjähriger Sohn hat eine schwere Form der Diabetes bekommen, meine Kinder und ich mussten mit der Trauer und dem Verlust umgehen …

Und ausgerechnet jetzt bist du wieder viel unterwegs. Albumpromotion, Nordamerika-Tour mit Alice in Chains. Wie regelst du das Familienleben in dieser Zeit? Gerade die Krankheit deines Sohnes bringt ja einige Schwierigkeiten mit sich.

Ich habe eine App, die mir ermöglicht, seine Blutzuckerwerte in Echtzeit zu checken und direkt darauf zu reagieren. Dann kann ich der Frau, die sich in meiner Abwesenheit um ihn kümmert, Anweisungen geben. Ich habe wirklich wunderbare Menschen, die für die Kinder da sind, wenn ich weg bin. Den Rest muss die Technologie erledigen. Ich stehe dank des Smartphones in ständigem Austausch. Aber es ist schon hart.

Der Tod deiner Frau Deven ist das das zentrale Thema auf „The Nothing“ …

Genau, alles dreht sich um den Verlust und die Trauer, die er mit sich brachte. Und um diese dunkle Macht, die tief in unserer Erde verwurzelt ist und mich sowieso immer begleitet. Es gibt nicht viele Menschen, die davon wissen. Mich aber beschäftigt das schon mein ganzes Leben, ich bin mir ihrer immer bewusst. In dieser Macht kommen Licht und Dunkelheit, Gut und Böse, Hoffnung und Verzweiflung zusammen.

Macht der Schmerz, mit dem du seit Jahren kämpfst und der 2018 noch einmal einen traurigen Höhepunkt erfuhr, den Sound von Korn überhaupt erst möglich?

Die Musik ist meine Therapie. Auf diese Weise beschäftigte ich mich mit meinen Gefühlen, setze mich mit ihnen auseinander. Nur aus diesem Grund mache ich das Ganze überhaupt. Das war schon bei der ersten KoRn-Platte vor 25 Jahren so und es hat sich bis heute nicht geändert.

Glaubst du, dass sich eure Fans damit identifizieren und das den langjährigen Erfolg der Band ausmacht?

Ja klar, dadurch fühlen sich die Menschen nicht so allein. Würde ich das alles nur für mich machen, wäre ich doch ein egoistisches Arschloch. Aber wenn du als Zuhörer etwas aus der Musik für dich ziehen kannst und aus meinem Umgang mit meinen Dämonen was lernst, dann hat sich das alles doch gelohnt. Ich mache das auch, um Menschen zu helfen. Und das tut wiederum mir gut.

Wie erfährst du davon? Teilen dir die Leute das mit?

Ja, sie sagen es mir, wenn ich sie treffe. „Du hast mich durch die Schule gebracht. Du hast mich durch die dunkelste Zeit in meinem Leben gebracht.“ Es ist doch fantastisch, das Leben eines Menschen auf diese Weise ein bisschen besser zu machen.

Musst du für dein eigenes Seelenleben permanent arbeiten, um zu verarbeiten, oder gibt es auch Momente, in denen du es ruhiger angehen lässt?

Es gibt Phasen, an denen ich ständig an Songs schreibe, aber auch jene, in denen ich mich auf meine Söhne konzentriere und nebenher nichts anderes mache.

Fällt es dir manchmal schwer, deinen Hintern auf eine Bühne zu hieven, weil du gerade in einer depressiven Phase oder Ähnlichem steckst oder hilft es dir eher?

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Es hilft mir sehr. Ich habe zwar mit meinen dunklen Seiten zu kämpfen, aber ich würde mich heute nicht mehr als depressiv bezeichnen. Klar hat es immer etwas damit zu tun, dass du irgendwas nicht richtig verarbeitet hast. Die einen sagen, die Depression sei eine chemische Reaktion im Gehirn, die anderen glauben, man müsse ganz genau in seinem Innersten nachforschen und herausfinden, was einen so unglücklich macht, dass man depressiv wird. Wenn man das herausgefunden hat, kann man sich Hilfe suchen und dagegen angehen. Medikamente und Therapien helfen dabei. Ehrlich zu sich selbst zu sein und auch das Gute im Schlechten zu erkennen, das ist aber am Ende der Trick. Das braucht allerdings Zeit.

Du selbst hattest früher mal eine harte Drogenphase, bist inzwischen aber völlig frei von allem. Trotzdem ist der Tod in deinem Leben so was wie ein ständiger Begleiter gewesen. Hast du heute noch Angst davor?

Nein, ich habe überhaupt keine Angst mehr vor dem Tod – so lange er erst kommt, wenn meine Kinder erwachsen sind. Meinen größten Ängste heute sind, eines meiner Kinder zu Grabe tragen und vor meinem eigenen Tod lange an einer Krankheit leiden zu müssen. Ich glaube daran, dass die Energie einer Person, wenn sie stirbt nirgendwo hingeht, sie ist ständig um uns herum. Vielleicht ist das Leben nur eine Simulation oder der Tod ist eine. Man kann es nicht wissen.

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