Kosheen – Ein Leben im Ciderspace

Kosheen – Ein Leben im Ciderspace

Viel weiß ich ja nicht über Bristol, als ich mich Anfang März auf den Weg dorthin mache, um Kosheen zu treffen. Partnerstadt von Hannover klingt ja erstmal eher mittelmäßig, die musikalischen Referenzen der keine 200 Kilometer westlich von London gelegenen Hafenstadt hingegen können sich sehen lassen: Massive Attack, Portishead, Tricky…ja und eben Kosheen.

Aus unserer Gegend ist der Flugverkehr in die etwa 400.000 Einwohner fassende City nicht gerade stark frequentiert, und so ist die recht winzige Maschine an diesem Morgen nicht einmal halb gefüllt. Ich bin kein großer Fan von großen Flugzeugen, von kleinen noch viel weniger. Es gibt in meinen Augen angenehmeres, als aus dem Fenster aufgrund der geringen Flughöhe noch beinahe jede Einzelheit am Boden erkennen zu können. Aber ich habe es überlebt, und wer meint, die Briten hätten ständig schlechtes Wetter, der täuscht sich, werde ich für meine Strapazen doch gleich mit schönstem Sonnenschein belohnt. Offenbar ist die globale Erwärmung auch an Bristol nicht unbemerkt vorüber gegangen.

Da dem Fotografen und mir noch gut drei Stunden bis zu unserer Verabredung mit Markee Substance, Darren Decoder und Frontfrau Sian Evans bleiben, es so warm aber auch wieder nicht ist, als dass man diese Zeit mit Bummeln verbringen möchte, ziehen wir schon am frühen Nachmittag von einem Pub zum nächsten. Und davon gibt es hier so einige. Man hatte mir ja im Vorfeld erzählt, dass die drei Bandmitglieder, allesamt aus unterschiedlichen Gegenden Großbritanniens stammend, recht trinkfest seien. Und so lag es wohl auf der Hand, sich an einem Donnerstagabend um 18 Uhr in der Apple Cider Bar (Welsh Back, direkt am Premier Lodge Hotel) zu verabreden, einem Lokal, auf dessen umfangreicher Karte ich nicht ein einziges antialkoholisches Getränk entdecken kann. Wie ich höre, werden die hier nur heimlich unter der Ladentheke verkauft.  Natürlich sind Sian, die aufgrund einer zeitlichen Fehlinformation bereits vor uns eintrifft, Darren und Markee keineswegs be- oder auch nur angetrunken, als wir uns zum Interview auf den Ledersofas unter Deck der auf einem Boot auf dem Fluss Avon gelegenen Bar nieder lassen. Es ist also ein reines Vorurteil, dass trinkfeste Briten rund um die Uhr einen bestimmten Alkoholpegel intus haben. Zwar ist die Sonne noch nicht untergegangen, als wir uns die ersten Mini-Flaschen Cider bestellen, aber was will man machen – ist eben eine Cider Bar?! „Wir wollten, dass ihr einen Teil der Kultur Bristols kennen lernt, und Cider ist eben dies, ein Teil der Kultur dieser Stadt. Und ‚The Apple’ ist gerade eine unserer liebsten Locations“, erklärt Sian die Wahl der Lokalität. Klein, aber fein. Prost!

Seit Ende der 90er Jahre machen die drei aus England (Darren), Wales (Sian) und Schottland (Markee) stammenden Musiker als Kosheen gemeinsame Sache. Als 2001 mit „Resist“ ihr erstes Album erscheint, können sie nicht nur dank energetischer Singles wie „Catch“ und „Hide U“ einen echten Überraschungserfolg landen, auch ihre Live-Shows (u.a. im Vorprogramm von Faithless) werden hoch gelobt. Natürlich hat jeder der drei eine musikalische Vorgeschichte, und so war es Darren Decoder, der schon Anfang der 90er mit Broken Beats von sich Reden machte und so manche Party mit seinen Releases aufmischte. Aber auch Markee Substance blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück, und gemeinsam veranstalteten die beiden die weit über Bristols Grenzen hinaus berühmt-berüchtigten D’n’B-Events „Ruffneck Ting“, von denen sie bis heute alle drei noch schwärmen. Ja, alle drei, denn hier trafen Markee und Darren auf Sian, die sich hier immer wieder gerne als Gast die Zeit vertrieb. Sie alle waren ein fester und wichtiger Bestandteil der damaligen Feierszene Bristols, so wurden sie irgendwie irgendwann miteinander bekannt, und der Rest ist Geschichte. 2002 erschien mit „Kokopelli“ Album Nr. 2, und während sich die Begeisterung seitens der Musikkritiker oft in Grenzen hielt, konnten Kosheen mit diesem musikalisch breiter gefächerten, ja fast experimentellen Werk so manchen Fan aus einer anderen Musiksparte für sich gewinnen und sich höher in den Charts platzieren als mit dem Vorgänger.

Nach langer Zeit steht nun mit „Damage“ der dritte Longplayer bereit, und ist er für Sian, Markee und Darren selbst auch eine Fusion aus den beiden Vorgängern, so geht es doch eher wieder zurück zu den guten alten „Resist“-Zeiten. Energetische Sounds in Verbindung mit der einzigartigen Stimme Sians sorgen dafür, dass sich das eine oder andere Mal vor Begeisterung die Nackenhaare aufstellen. Geplant, ja sogar fertig gestellt, war „Damage“ bereits vor geraumer Zeit. Doch wie das so ist… „Du musst oft erst viele, vorher nicht absehbare Dinge regeln, ehe du ein Album veröffentlichen kannst. Im Grunde genommen war es von unserer Seite aus schon viel früher fertig“, erklärt Sian, und Darren fügt hinzu: „Wir arbeiten dann natürlich kontinuierlich weiter und ruhen uns nicht etwa aus. Wir haben das Label gewechselt [von Sony BMG zu Universal – Anm.d. A.], und das geht nicht mal eben so. Der ganze vertragliche Kram hat schon eine gewisse Zeit in Anspruch genommen.“ – „Viele Stücke wären auf dem neuen Album gar nicht vertreten, hätten wir es eher released. Manches ist erst in dieser Wartezeit entstanden“, ergänzt Sian. Dennoch sind vier Jahre eine wahrlich lange Zeit, in der viel passieren kann, und so haben auch Sian, Darren und Markee sich immer mal wieder mit anderen Dingen beschäftigt. „Wie gesagt, wir arbeiten eigentlich permanent, auch wenn wir nichts veröffentlichten. Und wir haben auch viel live gespielt, mehr als wir Songs geschrieben haben. Allerdings waren wir dann mit einer PA und einer Clubshow unterwegs und weniger als Band“, so Darren. Sian: „Ich bin häufig mit Akustik-Shows ‚on the road’, singe Folk-Songs mit anderen Musikern, mit denen ich schon seit gut 20 Jahren zusammen arbeite.“

Ich frage mich oft, ob jemand, der nicht Robbie Williams heißt und sich dank eines Millionendeals zwischen zwei Alben gerne mal den Drogen hin geben, um sich anschließend wieder und wieder therapieren lassen kann, von dem Geld, das ein oder zwei Alben einbringen, eine so lange Zeit über Wasser halten kann. Die Antwort ist offenbar: Nein! Alle drei haben sich also keineswegs auf den Lorbeeren von „Resist“ und „Kokopelli“ ausgeruht, sondern fleißig in alle Richtungen weiter musiziert. „PA-Gigs, DJ-Gigs, meine Singerei – das alles bringt natürlich ein bisschen Geld ein, in erster Linie aber hilft es uns als Musiker, die Balance zu halten. Es ist wichtig für unsere Weiterentwicklung“, erklärt Sian die Situation. „Wir überleben eben irgendwie“, lacht sie – sicherlich nicht ganz ernst gemeint. Immerhin hat sie als Mutter eines 15-jährigen Sohnes eine gewisse Verantwortung und ist sicher dieser absolut bewusst. Und auch Darren hat mittlerweile zwei Kinder, und die Zeit des unbekümmerten „In-den-Tag-hinein-Lebens“ ist unlängst vorbei. Aber auch Kosheen ist in gewisser Weise ein gemeinsames Kind des Trios, und dieses zu vernachlässigen oder gar aufzugeben war bei keinem von ihnen je ein Thema. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, einmal ganz ohne Darren und Markee Musik zu machen, zu schreiben und zu produzieren. Du bist Musiker von dem Tag an, an dem du geboren wirst, und wir erweitern gemeinsam unsere Fähigkeiten. Das ist es, was Kosheen ausmacht“, hält Sian eine Lobrede auf ihre beiden Kollegen und den Status der Zusammenarbeit.

Man ist gemeinsam gewachsen, hat sich entwickelt zu… ja, zu was eigentlich? „Ich glaube, die Entwicklung ist besser zu hören als zu sehen. Wir persönlich sind noch immer die Individuen, die wir waren, als wir zusammen gefunden haben, aber die Musik hat sich entwickelt. Und dabei rede ich nicht davon, wie sich das Equipment unseres Studios verbessert hat, dadurch, dass wir immer Neues und Modernes dazu kaufen konnten, auch wenn das ebenfalls den Sound verändert. Aber die Art, wie wir die Musik kreieren, ist anders, in einem fortgeschritteneren Stadium“, so Sian. An dieser Stelle fällt mir auf, dass Markee sich bisher gänzlich zurückgehalten hat, irgendwie den persönlichen Rollo von Kosheen mimt – oder ist er etwa eingenickt? Sian lacht: „Nein, nicht ganz, Rollo (von Faithless) habe ich schon mal sprechen hören.“ Ob man ihn mit der nächsten Frage aus der Reserve locken kann? Kosheen werden seit jeher bei vielen Fans und Kritikern als Drum’n’Bass-Act gehandelt, was möglicherweise auf die Vergangenheit der einzelnen Musiker, nicht aber auf den aktuellen Sound der Band zurück zu führen ist. Auch sie selbst sind von diesem Umstand nicht wirklich angetan. Gelangweilt oder genervt? Darren ergreift das Wort: „Beides!“ – „Es ist nicht unsere Aufgabe, Musik zu kategorisieren, auch wenn ich weiß, dass ein Musikmagazin gar keine andere Wahl hat“, wirft Sian ein. „Auch die Leute, die unsere Musik kaufen, kategorisieren nicht. Sie kaufen sie, weil sie sie mögen.“ – „Wir brauchen vielleicht eine neue Kategorie, da unser Sound in keine Sparte so gänzlich passt“, schlägt Darren vor. Kosheen ist kein Dance, Kosheen ist kein Alternative Rock, und doch irgendwie ein bisschen von beidem. „Mittlerweile gibt es so viele Unterarten von Dancemusic. Wie oft kommt mein Sohn mit irgendeiner neumodischen Bezeichnung wie z.B. Grime nach Hause… Zu meiner Zeit gab es Techno und House, das war’s“, erinnert sich Sian lachend. „Mein Sohn hört in erster Linie Drum’n’Bass.“ Wie beurteilt er den Sound von Kosheen. Ist er Fan oder Feind? „Ich glaube, er hört unsere Musik nur, wenn ich mal nicht zuhause bin. Er ist so was wie ein heimlicher Fan. Es wäre ja auch total uncool zu sagen, dass man das, was die Mutter macht, gut findet.“ Logisch, schließlich ist er 15! Das schwere Los der Mutter eines pubertierenden Teenagers. Schon früh konnte man ersten Aussagen der Bandmitglieder zum dritten Album entnehmen, dass es eine gute Mischung aus den beiden Vorgängern werden sollte. Ist ihnen dies ihrer Meinung nach gelungen? Ist man nicht doch näher dran an ‚Resist’ denn an ‚Kokopelli’? „Es ist eine Art Trilogie. Es komplettiert ein Dreieck, es sind Elemente von ‚Resist’ ebenso vertreten wie Teile von ‚Kokopelli’, aber auch komplett neue Dinge. Wenn du zu einer unserer Live-Show kommst, wirst du sehen, dass der Unterschied zu ‚Kokopelli’ gar nicht so groß ist und dass das Ganze einfach Sinn ergibt“, verspricht Sian und meint weiter: “Im April werden wie ein Sturm über Deutschland herein brechen.“

Im Rahmen der Tour machen Kosheen Station in Darmstadt, Essen, Köln, Berlin und Hamburg. Auf die letzten beiden Termine freut sich Sian besonders: „Ich denke, der Gig in Berlin wird großartig. Und ich liebe Hamburg, das ist eine wunderschöne Stadt und in gewisser Weise Bristol sehr ähnlich.“ Und sieht man einmal davon ab, dass Hamburg rund doppelt so viele Einwohner hat wie Bristol, sind doch beides Hafenstädte, die mit ihrer hübschen Architektur und ihrem Charme zu überzeugen wissen. Begleitet werden die drei dann auf der Bühne zusätzlich von einem Drummer. Nach eigener Aussage haben sie auf Tour immer mal wieder einen Musiker verloren, die meisten davon übrigens in Deutschland. Sollte also mal jemand über einen britischen Straßenmusikanten stolpern, der in der Fußgängerzone Kosheen-Songs trällert, schickt ihn zurück nach Bristol. Wie groß ist der Druck, hat man im Vorfeld zwei erfolgreiche Alben veröffentlicht und sich dann produktionstechnisch eine Weile zurückgezogen? Was erwarten Sian, Markee und Darren selbst von sich und dem Album? „Erst einmal ist ja zu klären, was man unter erfolgreich überhaupt versteht“, meldet sich erstmalig auch Markee zu Wort. „’Resist’ kam gut an, und mit ‚Kokopelli’ haben wir noch einmal ein bisschen weiter gestreut und andere, neue Leute angesprochen.“ Denken viele hierzulande beim Namen Kosheen am ehesten an die Hitsingles „Hide U“ und „Catch“, wird die Band zum Beispiel in den USA eher auf „Kokopelli“ festgelegt. „Die Rockelemente haben dort viel mehr Beachtung gefunden“, weiß auch Sian. „Mittlerweile vermischt sich das doch ohnehin sehr. Es findet immer mehr Dance in Rockmusik statt und umgekehrt“, so Markee, aus seinem kurzen Schlaf offenbar erwacht. „Im Grunde ist dies aber nicht unsere Aufgabe, wir machen die Musik, die uns gefällt. Allerdings hat sich dieser Rockcharakter wohl dadurch entwickelt, dass wir sehr viel live gespielt haben, auch auf Festivals. Als wir ‚Resist’ produzierten, haben wir ausschließlich im Studio gesessen. Da gab es einfach keine anderen, äußeren Einflüsse. Erst danach ging es auf Tour, und das wiederum haben wir dann bei ‚Kokopelli’ einfließen lassen“, ergreift wieder Sian das Wort. Erfolgsdruck verspüren die drei dank des Wechsels zu Universal nicht. „Bei Sony BMG hatten wir schon das Gefühl, eine Single nach der anderen auf den Markt werfen zu müssen. Wir sind aber kein klassischer Single- sondern vielmehr ein Album-Act“, erklärt Sian den Grund für den Abschied von Sony BMG. „Jetzt wird uns einfach viel mehr Verständnis entgegen gebracht, auch wenn auf ‚Damage’ unheimlich viele potentielle Singles vertreten sind“, lacht Sian mit einem Quäntchen Ernst in der Stimme.

Doch eigentlich trägt Musik aus Bristol doch von vorne herein erstmal eine Gütestempel, hat sich seit Nik Kershaw in den 80ern von hier aus mit Songs wie „Wouldn’t It Be Good“ oder „The Riddle“ die weltweiten Charts infiltrierte, einiges getan. Bristol gilt dank Bands wie Massive Attack, Portishead oder einem Künslter wie Tricky als die Geburtsstätte des so genannten Bristol Sounds, in den 90ern auch als eine Verbindung aus HipHop und Dub unter dem Namen TripHop bekannt. Doch wie genau sieht die Szene hier aus? Trifft man sich, kennt man sich? Warum entstehen in Bristol selbst so wenig Kollaborationen? „Es besteht ein gesunder Wettbewerb unter den Künstlern. Ich lebe seit Urzeiten in ein und derselben Gegend und kenne die Jungs von Massive Attack noch von ganz früher, als man zusammen mal den einen oder anderen Joint geraucht hat. Die leben immer noch um die Ecke, aber ich glaube, sie mögen unsere Musik nicht besonders.“ Eine besonders nette Begegnung hatte Sian mal mit Portishead-Sängerin Beth Gibbons: „Sie hat irgendwann mal einen Sologig gespielt, ich bin ein großer Fan von ihr. Ein gemeinsamer Freund hat uns an dem Abend bekannt gemacht und zu ihr gesagt: ‚Das ist Sian von Kosheen.’ Alles was sie darauf sagte war: ‚Wer?’.“ Sollte es Sian damals geärgert haben, heute lacht sie laut darüber, aber gute Freundinnen werden die beiden wohl nie. Und so gehe ich davon aus, dass keiner der drei zufällig den zwei Wochen zuvor statt gefundenen, geheimen Gig von Portishead miterlebt hat, bei dem sie in einer kleinen Bar neues Material zum Besten gegeben haben sollen. „Der Gig war wohl so geheim, das keiner dort war, oder?“ lacht Sian weiter. „Aber ich bin sehr gespannt auf das nächste Album, ich liebe ihre Musik“, fügt sie noch schnell hinzu.

Aber wie erklärt es sich, dass Bristol in Sachen qualitativ guter Musik derart maßgebend ist? „Bristol ist umgeben von Wasser, es ist eine Universitätsstadt. Hier leben unheimlich viele junge Leute…“, so Sian, und Markee wirft ein: „…und alle züchten ihr eigenes Gras.“ – „Oder es liegt ganz einfach am Cider“, so Sians nicht ganz ernst gemeinte Einschätzung der Lage. „Nein, in erster Linie liegt es sicherlich an den vielen jungen Leuten. Ich bin damals extra hierher gekommen, um Musik zu machen.“ Etwas anderes käme so für die drei keinesfalls in Frage. „Ganz ehrlich, ich wüsste nicht, wohin ich ziehen sollte. Dazu kommt, dass mein Sohn gerade seine Schule beendet und er hier verwurzelt ist.“ Auch Markee sieht keine Veranlassung zu einem Umzug: „Das Cyberspace wäre der einzige Ort, der mich interessieren würde“, lacht er. Vom Ciderspace ins Cyberspace, das kann soweit ja auch nicht sein.  Darren hat sich ohnehin schon für ein Leben auf dem Land entschieden und wohnt längst einige Kilometer außerhalb der Stadt. Ob er da als Farmer mit einer großen Glasplantage lebt, verrät er an dieser Stelle allerdings nicht. Alles in allem sind die drei also durchaus zufrieden mit ihrem Leben in Bristol und preisen insbesondere das Gebiet rund um die Universität an. Clifton heißt dieser, etwas höher gelegene Teil der Stadt, den sich jeder Bristol-Besucher unbedingt anschauen sollte. Rein architektonisch – ganz klassisch, wie man sich England ebenso vorstellt – mit vielen Kneipen, Bars, Pubs und Restaurants. Insbesondere die offenbar recht bekannte Suspension Bridge – mir war sie vorher kein Begriff – ist sehenswert. Vorausgesetzt man ist schwindelfrei. Lange Zeit hatte sie übrigens als Selbstmörderbrücke einen ziemlich schlechten Ruf – na ja, die Uni ist ja auch nicht weit. Angeblich wurden aus diesem Grund damals auch extra Telefone mit einer direkten Leitung zu den Samaritern aufgestellt. Aber egal, das ist lange her. Heute hat die Brücke sogar eine eigene Internetpräsenz (www.clifton-supension-bridge.org.uk).  „Das Schöne an Bristol ist aber, dass du nur wenige Minuten fahren musst, um die wundervolle Natur rund um die Stadt genießen zu können“, freut sie Sian, die dafür bekannt ist, ein ganz besonderes Verhältnis zur Natur zu haben.

Doch wehrt sie sich dagegen, Stellung zu beziehen und sich mit Musik für eine klare politische oder soziale Richtung auszusprechen und ihren Status als Person des öffentlichen Lebens dafür herzugeben. „Wir sind keine politisch engagierte Band.“ – „Wir sind sicherlich an all diesen Themen interessiert, sehen es aber nicht als unsere Aufgabe, die Leute aufzuklären. Es sind doch die kleinen Dinge, die schon helfen, und darüber weiß eigentlich jeder Bescheid. Das müssen wir keinem mehr sagen“, findet auch Darren. „Es ist nicht mein Job, die Leute politisch oder sozial aufzuklären. Unsere Musik sollte eher mit einem offenen Herzen gehört werden, das Gehirn kann dabei ruhig mal kurz ausgeschaltet werden. Sie soll mehr als eine Art Selbstheilung funktionieren. In unserer Musik geht nicht um Politik, es geht um Liebe.“ Und doch sagen die drei, wenn ihnen etwas nicht passt, und das ist die heutige Clubszene. Schon vor einigen Jahren erwähnten sie gegenüber der Presse, dass sie mit der Entwicklung weg von der Party hin zum „Sehen und Gesehen werden“ völlig unzufrieden seien und sich über eine Rückbesinnung zu den alten Werten freuen würden. „Früher sind die Leute ausgegangen, um Spaß zu haben. Heute gehen sie aus, stylen sich und stehen nur noch in der Ecke rum. Als es damals mit Drum’n’Bass los ging, war das ganze eine sehr sexy Bewegung. Dann aber hat sich das irgendwie total gewandelt“, erklärt Sian enttäuscht. „Noch heute erzählt man sich immer wieder von den Ruffneck-Partys und erinnert sich gerne an diese Zeit zurück. Das letzte Mal, dass wir so was erlebt haben, war die Mayday in Polen. Es war wie eine Reise mit einer Zeitmaschine – zehn Jahre zurück. Das war großartig.“   Ebenso großartig werden sicherlich die Live Gigs Kosheens sein, wenn es diesen Monat auf Tour geht. Und ebenso großartig wäre es für die Band, wenn ihr das deutsche Publikum beweisen würde, dass es mehr kann, als nur unbeteiligt in der Ecke zu stehen. Es liegt also ganz an euch…
„Damage“ – Das Album

Vier lange Jahre mussten die Fans des Bristoler Trios auf diesen Moment warten. Jetzt ist es endlich da, das dritte Album Kosheens und damit das Follow-Up zum Debüt „Resist“ und dem wenig später gefolgten „Kokopelli“. Die drei selbst bezeichnen „Damage“ als eine Fusion aus den beiden Vorgängern plus einiger neuer Elemente, und doch tendiert das Ganze doch eher in die „Resist“-Richtung, was sicherlich von vielen Fans begrüßt wird. War „Kokopelli“ trotz oder auch gerade wegen seiner musikalisch breitergefächerteren Ausrichtung auch keineswegs erfolglos, so sind es doch Hits wie „Catch“ oder „Hide U“, die bis heute in Erinnerung geblieben sind. Solch eklektische Tracks gibt es auf „Damage“ wieder in großer Anzahl. Ob der eröffnende Titeltrack, Uptemponummern wie „Overkill“, „Guilty“, „Chances“ oder eher ruhige, melancholische Songs wie „Wish You Were Here“ oder „Cruel World“ – alle 14 Tracks des Longplayers fügen sich zu einem hörenswerten Ganzen zusammen, ohne auch nur an einer Stelle zu schwächeln und knüpfen nahtlos an vergangene Kosheen-Zeiten an. „Damage“ ist soeben bei Universal erschienen.

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