Lea van Acken: „Es macht mir Angst, wie schnell wir vergessen“

Lea van Acken: „Es macht mir Angst, wie schnell wir vergessen“

Lea van Acken ist gerade einmal 20 Jahre alt, kann aber schon einige recht beeindruckende Schauspielkarriere vorweisen. Sie war unter anderem in „Bibi & Tina“, „Ostwind – Aufbruch nach Ora“ und „Fack ju Göhte 3“ zu sehen, sorgte aber vor allem durch die Verkörperung des jüdischen Mädchens Anne Frank im 2016 erschienenen Hans-Steinbichler-Film „Das Tagebuch der Anne Frank“ für Aufsehen.

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Der aufmerksame Zuschauer hat sie womöglich schon am Ende der ersten Staffel der deutschen Netflix-Produktion „Dark“ entdeckt. In der düsteren Zukunftsvision, die die Serie zeichnet, spielt sie eine junge, vom anstrengenden Kriegsleben gezeichnete Kämpferin. Wie viel diese Rolle mit ihr selbst zu tun hat und was ihr in Hinblick auf die Zukunft am meisten Angst macht, hat Lea van Acken n-tv.de im Interview verraten.

n-tv.de: Lea, „Dark“ ist deine erste internationale Produktion. Fühlt sich das anders an, als wenn ein Film mit dir im deutschen Kino startet? Macht das emotional einen Unterschied?

Lea van Acken: So wirklich vorstellen kann ich mir das ehrlich gesagt gar nicht. Aber ich finde es schön, dass man eine Geschichte erzählt, die ganz viele Menschen erreicht und die ihnen gefällt. Es ist toll, Kommentare von Leuten aus Spanien, Argentinien oder Los Angeles zu lesen und zu merken, dass diese Serie die Menschen irgendwie verbindet.

„Dark“ ist wohl eine der komplexesten Serien überhaupt mit unzähligen parallelen Erzählebenen und Handlungssträngen. Steigst du selbst eigentlich da durch?

Ich hatte die Drehbücher gelesen, aber dann ist ja auch noch mehr als ein Jahr vergangen, bis die erste Staffel herauskam. Als ich die schaute, stellte ich total absurde Theorien auf – obwohl ich das Drehbuch gelesen hatte. Einfach, weil es so gut gemacht war, dass ich gar nicht mehr klarkam. Als es dann mit dem Dreh für die zweite Staffel losging, musste ich ganz viele Fragen stellen und merke auch jetzt noch, dass es echt konfus ist. Aber das ist ja das Schöne an „Dark“. Wenn es einen interessiert, muss man sich ein bisschen dahinterklemmen.

Was magst du an der Rolle des kriegerischen Mädchens aus der Zukunft?

Es hat mich gereizt, eine solche Kämpferin spielen zu dürfen. Ein Mädchen, das in einer Situation lebt, die meiner natürlich vollkommen fern ist. Eben diese apokalyptische Zukunftswelt. Nach dem Drehen waren mein Körper und mein Gesicht immer ganz angespannt, weil es so kalt war und ich die ganze Zeit eine Waffe getragen habe. Und weil das Mädchen selbst die ganze Zeit unter Spannung steht.

Wie hast du dich also darauf vorbereitet? Aus deinem eigenen Leben konntest du da ja schon mal nichts ableiten …

Man hat mir die Welt vorher gut erklärt und Bilder gezeigt, in welche Richtung es gehen soll. Was sind die Dauerbelastungen zum Beispiel? Du hörst immer Krieg, die Luft ist verseucht, es gibt nichts zu essen. Ich habe dann aber vor allem geguckt, wie ich mir die Figur emotional heran hole. Was sind ihre Bedürfnisse, warum handelt sie so?

Die Geschichte von „Dark“ fußt auf der Idee der Zeitreisen. In welche Epoche würdest du reisen, um positiv in die Geschichte einzugreifen?

Wahrscheinlich würde ich zurück in die 80er-Jahre gehen und versuchen, den Leuten klarzumachen, dass das, was die Klimaexperten sagen, stimmt. Dass es genau so eintreffen wird und dass in diesem Moment noch genug Zeit bleibt, um ganz smooth etwas zu ändern. Dinge zu ändern, die niemandem was bringen außer Luxus und Komfort, den kein Mensch braucht. Ich glaube, dann hätten wir jetzt nicht diese Stimmung, die in mir diesen „Ach Gott, das bringt doch alles eh nichts mehr“-Gedanken auslöst. Denn jetzt muss plötzlich alles ganz schnell gehen, doch wir befinden uns in einem politischen System, in dem Gesetzesänderungen Jahre dauern.

Du bist 20, dich treffen die Verfehlungen von einst bald mit voller Härte. Was macht dir konkret Angst?

Hungersnot, Wasserknappheit und Naturkatastrophen. Und die Menschheit an sich, wie wir mit den Dingen umgehen. Es macht mir Angst, wie schnell wir vergessen. Ich habe gerade die Serie „Chernobyl“ gesehen. Der Reaktor explodiert, alles ist verstrahlt und da sitzen noch immer Leute, die es leugnen. Auf der anderen Seite habe ich auch eine gewisse Art von Vertrauen, denn es ändert sich gerade viel. Jeder Einzelne kann seine Ecke finden, in der er irgendwas vorantreiben kann. Wir haben doch alle den Wunsch, in Harmonie in einer schönen Welt zu leben.

Was tust du selbst, um etwas zu ändern oder zu verbessern? Worauf verzichtest du beispielsweise zugunsten der Umwelt?

Auf das Autofahren in der Stadt. Ich habe mein Auto abgeschafft. Fliegen innerhalb Deutschlands kann man vermeiden. Und ich ernähre mich zu 95 Prozent vegan. Ich kaufe außerdem viel Vintage und meide die großen Modeketten. Die Suchmaschine Ecosia zu nutzen ist ein guter Ansatz, durch sie werden Bäume gepflanzt. Es gibt so viel, nur kommt alles wie eine Flut auf uns zu. Die Leute sind überfordert und man hat von allen Seiten nur so Halbwissen. Und natürlich frage ich mich, ob die kleinen Schritte noch reichen, ob wir überhaupt noch genug Zeit haben.

Kann auch eine Serie wie „Dark“ durch das Thematisieren einer Atomkatastrophe und deren Folgen etwas bewirken?

Der Zuschauer wird gefordert und gezwungen mitzudenken, anstatt eine Serie so wegzukonsumieren. Ihm wird was zugetraut und er wird darauf trainiert, mitzudenken. In dieser Zeit muss er sich nicht mit der Realität auseinandersetzen, er kann immer noch in eine andere Welt abtauchen, trotzdem wird er gefordert. Unterhaltung ist zum Durchatmen total wichtig, aber man muss den Menschen trotzdem zutrauen, dass sie mitdenken können.

Gibt es Dinge oder Erfahrungen, vor denen du dein jüngeres Ich warnen würdest, wenn du für eine Stippvisite in der Zeit noch mal ein paar Jahre zurückreisen könntest?

Nein, denn die Erfahrungen, die ich gemacht habe, auch wenn sie blöd waren, haben mich dorthin gebracht, wo ich jetzt bin. Aber ich würde mein jüngeres Ich darin bestärken, mehr auf sich selbst zu hören und sich selbst mehr zu vertrauen. Es kommen immer viele Meinungen anderer auf einen eingeprasselt und wenn man wie ich sehr sensibel ist, nimmt man sich das zu oft an. „Glaub an dich, vertrau dir, geh deinem Herzen nach und stress dich nicht so doll.“ Das würde ich meinem jüngeren Ich sagen.

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