Louis Tomlinson: „Ohne Hoffnung wird es auch nicht besser“

Louis Tomlinson: „Ohne Hoffnung wird es auch nicht besser“

Zu Beginn der Pandemie veröffentlicht Ex-One-Direction-Mitglied Louis Tomlinson sein erstes Soloalbum „Walls“. Nun schiebt er kurz nach Ende seiner Welttournee mit „Faith In The Future“ gleich das zweite nach. Mit ntv.de spricht der Brite über sein Leben als Solokünstler, Vater und Ex-Bandmitglied.

Als sich One Direction 2016 auflösten, saß der Schock bei ihren vorrangig weiblichen Teenie-Fans tief. Inzwischen sind deren Tränen getrocknet, müssen sie auf die vier Bandmitglieder seither doch keineswegs verzichten. Ob Harry Styles, Liam Payne oder Zayn Malik, sie alle sind weiterhin – mehr oder weniger häufig – auf diversen Bühnen oder roten Teppichen vertreten. Und auch die Nummer vier im Bunde, Louis Tomlinson, kann sich längst über eine eigene Anhängerschaft freuen.

Ende Januar 2020 und damit kurz vor Beginn der Pandemie veröffentlichte der heute 30-Jährige sein erstes Soloalbum „Walls“. Die sich üblicherweise anschließende Welttournee fiel unter den gegebenen Umständen aus. Diese holte der Sänger im vergangenen Sommer nach und feierte in Mailand vor 30.000 Zuschauern deren krönenden Abschluss, im Gepäck bereits das jetzt erscheinende zweite Solowerk „Faith In The Future“. Am folgenden Tag erklärte er im Interview mit ntv.de, wie sich das Leben als Sokokünstler anfühlt, wie er in die Zukunft blickt und was sein Sohn damit zu tun hat.

ntv.de: Wie fühlst du dich gerade, einen Tag nach deiner nahezu ausverkauften Welttournee?

Louis Tomlinson: Die ganze Tour war unglaublich. Ich brauchte das dringend. Das Tolle bei so vielen Termine ist, dass man jeden einzelnen Tag etwas hat, das einen beeindruckt. Und was meine Karriere angeht, so war das ja ein bisschen ein Stopp-Start, sodass ich dieses Jahr einfach alles nachgeholt habe, und die Reaktionen waren unglaublich. Wir waren in so vielen verschiedenen Ländern. Ich bin ziemlich traurig, dass es jetzt vorbei ist. Es war einfach ein so perfektes Jahr.

Fällst du nach so einem Erlebnis in eine Art dunkles Loch?

Ach, es geht mir schon gut. Aber Touren ist nun mal das, was ich am liebsten mache. Als Musiker erlebt man dann, wie die Songs zum Leben erwachen, und man sieht, was sie den Leuten bedeuten. Aber ich freue mich schon darauf, jetzt bald das neue Album zu veröffentlichen. Auch darauf bin ich sehr gespannt.

Außerdem geht es 2023 ja auch schon wieder auf Tour …

Eben. Die Zeit bis dahin ist nicht allzu lang.

Die letzte Tour musste wegen Corona einige Male verschoben werden. Hat die Pandemie auch die Arbeit am neuen Album irgendwie beeinflusst?LOUIS TOMLINSON BEI RTL+

Ich denke schon. Es ist schwer, darüber zu spekulieren, aber ich hätte das Album wahrscheinlich früher veröffentlicht, weil ich mit dem Schreibprozess so sechs Monate später begonnen habe als geplant. Ich habe mich gegen die virtuellen Schreibsessions gewehrt, weil ich es mag, mit den Leuten aus meinem Team in einem Raum zu sein und jemandem in die Augen zu schauen, wenn ich mit ihm schreibe. Diese Art von Verbindung ist wichtig. Im Nachhinein betrachtet denke ich, dass es gut war, wie es gelaufen ist, denn so hatte ich mehr Zeit, um herauszufinden, was ich genau machen möchte.

Bei vielen Musikern gehören die Erfahrungen auf Tour allerdings dazu, wenn es um Inspirationen für neue Songs geht …

Das ist ein guter Punkt, denn das war alles schon ziemlich frustrierend. Ich hatte den Masterplan in meinem Kopf, auf Tour zu gehen. Es ist wichtig, all diese Menschen vor der Bühne zu sehen, die verschiedenen Orte, und all diese Erfahrungen zu machen, aus denen man dann schöpfen kann. Genau das hatte ich am Ende nicht. Also musste ich mir vorstellen, wie es wäre, denn ich wollte eine live großartig klingende Platte machen. Wir haben vor dem Lockdown noch zwei Shows spielen können, so hatte ich zumindest eine ungefähre Vorstellung davon.

Was hat dich sonst noch für die neuen Songs inspiriert?

Ein großer Teil meiner Texte basiert auf Lebenserfahrung. Ich versuche einfach, so ehrlich wie möglich zu sein. Ich weiß nicht genau, was mich inspiriert hat, aber wahrscheinlich war es die Aufregung beziehungsweise das Ziel, die nächste Stufe zu erreichen.

Dein Album heißt „Faith In The Future“. Wie sehr baust du auf die Zukunft in Zeiten von Pandemie, Krieg und Klimakrise?

Den Titel hatte ich tatsächlich schon vor Corona. Irgendwie habe ich den Satz gefühlt, und dann passierten all diese Dinge, und es fühlte sich fast zu passend an. Wie eine Prophezeiung. Ich sage nicht, dass wir die Zukunft vorhersagen können und auch nicht, dass die Zukunft rosig sein wird. Es geht darum, Hoffnung zu haben, denn ohne Hoffnung wird es ja auch nicht besser.

Zumal du Vater eines Sechsjährigen bist, da ist Hoffnung und der Glauben an eine bessere Zukunft wohl vonnöten?!

Ja, das würde ich auch so sagen. Vater zu sein ist eine Erfahrung, die einen reifen lässt und dazu bringt, über den Tellerrand hinauszuschauen. Daher würde ich das so unterschreiben.

Demnach hat es dich als Mensch auch auf anderen Ebenen verändert?

Ich glaube, es verändert jeden, um ehrlich zu sein. Es gibt zwei Versionen von mir. Das bin ich bei der Arbeit und ich, der Zeit mit seinem Sohn Freddie verbringt. Dann streife ich mir den Vater quasi über und bin der reifere, vernünftigere Typ. (lacht)

Gibt es aktuell Dinge, die dir im Hinblick auf die Zukunft deines Kindes Sorge bereiten?

Es gibt sicherlich Momente, in denen ich mir derartige Gedanken mache, aber ich versuche, mehr im Moment zu leben. Ich bin ganz allgemein niemand, der sich allzu viele Sorgen macht. Da habe ich Glück. Ich nehme jeden Tag so, wie er kommt, denn die Zukunft kann ich ohnehin nicht vorhersehen. Keiner weiß doch, wie die Welt in zehn Jahren aussehen wird. Das sehen wir, wenn es so weit ist.

Kommen wir zurück zum Album. Du hast dafür mit verschiedenen anderen Künstlern gearbeitet, unter anderem Theo Hutchcraft von Hurts. Warum hast du dich zu diesem Schritt entschieden?

Nach der ersten Platte hatte ich das Gefühl, mit mehr Künstlern arbeiten oder zumindest mit mehr Künstlern schreiben zu wollen, die professionelle Songwriter sind. Damit bekommt man ein anderes Maß an Aufmerksamkeit. Und das Tolle an der Arbeit und der Beratung von solchen Leuten ist, dass jeder Song seine eigene Bedeutung und seine eigene Geschichte erfährt. Das Gute für mich als Künstler und Songschreiber ist, dass ich immer von den Leuten lernen kann. Und das kommt auch der Arbeit mit anderen Künstlern dann wieder zugute, weil deren Gehirn ein bisschen anders funktioniert. Das ist etwas, was ich bei dieser Platte wirklich genossen habe.

Anders als bei One Direction bist du heute aber allein für deinen Output verantwortlich. Erhöht es den Druck, wenn man Lob, aber auch Kritik mit sich selbst ausmachen muss?

Ja, es fühlt sich komplett anders an. Ich wusste bei One Direction, wer wir waren oder wer wir als Band sind, als wir Songs geschrieben haben. Aber wenn man dann seine eigenen Sachen schreibt und veröffentlicht, ist es viel persönlicher. Und damit setzt man sich natürlich selbst mehr unter Druck, weil man den nicht mit jemand anderem teilen muss oder auch kann. Auf der anderen Seite: Wenn du dich mit der Musik, die du machst, wirklich verbindest, geht es dann eben nur um deinen eigenen Geschmack und deine Liebe.ANZEIGE

Hast du dennoch immer im Blick, was deine ehemaligen Bandkollegen musikalisch so treiben? Lässt du dich davon beeinflussen?

Was meine berufliche Einstellung angeht, spielt das für mich keine Rolle. Ich beobachte aber immer, was die Jungs machen, und bin aus der Ferne stolz darauf. Doch ich denke, sobald man anfängt, auf andere Leute zu schauen und unbedingt etwas ganz anders oder genauso machen zu wollen, dann sucht man wahrscheinlich an der falschen Stelle. Ich glaube, dass man als Musiker besser nach innen blickt und sagt: Das ist das, was ich erschaffen will. Man konzentriert sich besser darauf, seinem Herzen zu folgen.

Wie schaust du als Sokokünstler auf die Zeit mit One Direction zurück?

Die Zeit mit der Band, in der ich viele Erfahrungen gesammelt habe, ist mitverantwortlich für das, was ich heute tue. Aber wenn es darum geht, herauszufinden, wer ich als Künstler bin – und ich bin mir sicher, dass die anderen Jungs mir da zustimmen würden – ist es wahrscheinlich am schwierigsten, erst in einer Band zu sein und dann plötzlich allein loszulegen. Man geht dann durch eine Phase, in der man herausfinden muss, wer man als Künstler wirklich ist. Aber das braucht ein wenig Zeit, und viele Leute machen diese Entwicklungsphase hinter verschlossenen Türen durch. Mein Leben hingegen ist sehr öffentlich. Also musste ich das irgendwie verarbeiten, während alle zusahen und zuhörten. Das war schon eine Herausforderung. Aber wenn ich mir das Album jetzt von vorne bis hinten anhöre, bin ich unheimlich stolz auf das, was ich erreicht habe.

Was hast du über dich herausgefunden, beziehungsweise was sind deine ganz persönlichen musikalischen Referenzen?

Es ist diese Art ‚massive Popmusik‘, mit der ich aufgewachsen bin. Das ist definitiv Teil meiner DNA. Wenn man in einer Band wie One Direction ist, ist dein persönlicher Geschmack weniger relevant für das, was du tust. Also musste ich das erst wiederentdecken. Bei meiner ersten Platte wollte ich nur einen sehr, sehr spezifischen organischen Sound haben. Dieses Mal war ich bereit, Dinge zuzulassen, die ich damals eher nicht gewollt hätte. Wir verwenden trendige Sounds auf eine wirklich authentische Weise.

Authentizität und Wahrhaftigkeit ist ein gutes Stichwort. Bei dem Konzert gestern ist mir aufgefallen, dass der Großteil des Publikums die komplette Show mit dem Handy gefilmt hat, um es dann irgendwo zu posten. Viele sind Teenager und mit sozialen Medien groß geworden, aber nervt es dich nicht trotzdem?

Ich bin hin- und hergerissen. In meiner Zeit bei One Direction haben die sozialen Medien eine große Rolle gespielt, weil sie uns die Möglichkeit gegeben haben, mit unseren Fans auf globaler Ebene zu kommunizieren. Aber mir ist auch klar, dass die Leute sich dort auf eine Art und Weise präsentieren, die nicht der Realität entspricht. Allerdings ist das Ganze inzwischen tief in unserer Kultur verankert. Bei ein paar Auftritten habe ich aber auch schon mal darum gebeten, die Handys wegzustecken, wenn ich etwas erzählt habe. Ich selbst mag es nicht, mir einen Gig über den Bildschirm meines Smartphones anzuschauen.

Oder über den Bildschirm des Smartphones der Person vor dir …

Ganz genau! (lacht) Es ist durchaus so, dass es mich freuen würde, wenn bei meinen Gigs die Telefone mal ausgeschaltet wären. Aber die Fans haben so viel Spaß daran, und dann sollen sie es eben so machen.

Wie gehst du selbst mit den sozialen Medien um?

Meistens nutze ich sie nur aus beruflichen Gründen, um ehrlich zu sein. Wie ich schon sagte, habe ich eine etwas seltsame Beziehung zu den sozialen Medien. Ich verstehe ihre Bedeutung und mag die Tatsache, dass die Fans die Möglichkeit haben, mit mir zu kommunizieren. Aber manche Leute posten jeden Tag ein neues verdammtes Bild. Das klingt für mich langweilig. Ich bin eher wählerisch bei dem, was ich hochlade.

Du bist es gewohnt, vor vielen Menschen und auf großen Bühnen zu spielen. Gab es in deiner Karriere jemals auch kleine Clubshows?

Ich habe eben erst ein paar Gigs gespielt, bei denen weniger als 1000 Leute anwesend waren. Das ist ein viel intimeres Gefühl. Bei diesen Shows kann man wirklich jedem in die Augen schauen, das bringt aber einen gewissen Druck mit sich. Wir haben auf der US-Tour zu Beginn des Jahres in kleineren Venues angefangen und dann natürlich mit Mailand eine riesige Show hingelegt. Aber die Tour ist gewachsen. Ich finde, je mehr Leute, desto besser, dann wird es einfach chaotisch und verdammt laut. (lacht)

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