Mando Diao über „Bang“ – Ein Album, so düster wie Berlin

Mando Diao über „Bang“ – Ein Album, so düster wie Berlin

17 Jahre nach ihrem Debüt „Bring ‚em In“ veröffentlichen Mando Diao ihr neuntes Studioalbum. In der Zeit dazwischen ist allerhand passiert. Hits wie „Gloria“, „Dance With Somebdoy“ und „Down In The Past“ mischten die Indierock-Szene gehörig auf. Die Schweden überholten in der Gunst der Fans manches Mal sogar ihre Konkurrenz aus Großbritannien, die diesen Sound eigentlich für sich gepachtet hatte.

Das 2014 erschienene Werk „Aelita“ geriet dann allerdings in die Kritik. Zu synthetisch, zu poppig, zu glattgebügelt. Mit dessen Follow-Up „Good Times“ orientierten sich Frontmann Björn Dixgård und Co. 2017 dann doch wieder an ihren eigenen Wurzeln. Und es wurde ihnen gedankt, die Kritiken fielen um einiges gnädiger, bisweilen sogar überschwänglich aus, wenn die Band soundtechnisch auch immer noch zwischen zwei Stühlen zu stehen schien.

Nun gehen sie mit „Bang“ einen entscheidenden Schritt weiter beziehungsweise auch ein paar kleine Schritte zurück. Die Nörgler von einst dürfen sich also freuen. Mando Diao transportieren die Lässigkeit der Sixties in die Jetztzeit und kombinieren sie mit kompromissloser Spielfreude. Sänger und Gitarrist Björn Dixgård und Bassist Carl-Johan Fogelklou haben mit n-tv.de über den eigenen Fortschritt, schwedische Musikjournalisten und Berliner Clubs gesprochen.

n-tv.de: Ihr habt euch mit „Bang“ wieder mehr auf eure Wurzeln besonnen. Fühlt ihr euch dort schlussendlich doch wohler?

Carl-Johan Fogelklou: Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Wir fühlen uns beim Musikmachen grundsätzlich immer wohl. Auch das Experimentieren fühlt sich gut an, denn das haben wir ja von Beginn an so gemacht.

Björn Dixgård: Ich denke, es klingt vielleicht nach „back to the roots“, für uns ist es das aber gar nicht.

Carl-Johan: Sagen wir es so: Für uns ist es nicht so, als würden wir in den Rückspiegel schauen, aber es ist schon „back to the roots“, doch für uns ist es vor allem ein Schritt nach vorn. Wir haben dieselben Zutaten von einst benutzt, um ein neues Gericht zu kreieren.

Björn: Wir wollten ein Album mit Gitarrenriffs machen, es einfach halten und uns auf düstere Texte über das Leben konzentrieren. So düster, wie es hier in Berlin ist.

So schlimm ist es gerade doch gar nicht. Immerhin scheint mal die Sonne …

Björn: Es ist die düsterste Stadt, die ich kenne. Aber es ist auch die allerschönste Stadt, die ich kenne. Leben könnte ich hier allerdings nicht.

Carl-Johan: Es gibt tatsächlich keine andere Stadt auf der ganzen Welt, die einen solchen Spirit hat. Der Mauerfall mag schon 30 Jahre zurückliegen, aber du kannst den Vibe, diese Aufbruchstimmung noch immer spüren.

Berlin ist vor allem die Hauptstadt der elektronischen Musik. Ein bisschen in diese Richtung seid ihr mit „Aelita“ auch gegangen, was nicht so super gut ankam. Schert euch so etwas?

Björn: „Aelita“ ist tatsächlich das einzige Album von uns, das ich mir privat manchmal noch anhöre, weil es so verdammt geil klingt. Das mag jetzt Nerd-Zeug sein, aber soundtechnisch ist es fantastisch. Natürlich ist es uns wichtig, was die Leute denken, sonst haben wir ja bald keinen Job mehr.

Carl-Johan: Wir nehmen es zur Kenntnis, was die Leute sagen, denken aber nicht lange darüber nach.

Lest ihr überhaupt noch Plattenkritiken?

Carl-Johan: Manchmal. Allerdings nur schwedische. Was sehr dumm ist, denn Schweden hat nur zehn Millionen Einwohner, das ist für uns eigentlich gar nicht wichtig.

Welcher Markt ist für euch der wichtigste?

Carl-Johan: Deutschland.

Aber ihr könnt deutsche Kritiken nicht lesen, weil ihr die Sprache nicht versteht?

Carl-Johan: Ich verstehe ein bisschen. Aber wenn du Rezensionen in Deutschland liest, fällt dir auf, dass diese mit mehr Respekt geschrieben sind als schwedische.

Björn: Sorry an alle schwedischen Journalisten, aber die deutschen sind einfach ein bisschen klüger als ihr. (lacht)

Ist es in der heutigen Zeit mit all dem Streaming und den privat geführten Musikblogs überhaupt noch wichtig, was Musikjournalisten schreiben?

Björn: Ich glaube tatsächlich nicht, dass noch viele Menschen Plattenkritiken lesen. Vielleicht noch die älteren Musikfans.

Carl-Johan: Aber wenn nur 20 Leute oder 500 eine Kritik lesen, hat sie schon ihre Berechtigung. Doch es hat natürlich nicht mehr die selbe Wichtigkeit wie früher, das stimmt wohl.

Björn: Man weiß ja, wie man selbst Musik konsumiert. Man hört einfach rein.

Ihr seid nun schon seit 20 Jahren im Geschäft. Ist das die größte Veränderung der vergangenen zwei Dekaden?

Carl-Johan: Eine der größten Veränderungen, die ich erst gestern wieder wahrgenommen habe: Als wir mit dem Touren begonnen haben, gab es noch so etwas wie ein Internet-Center in den Hotels. Dort musste man hin, wenn man mal eine E-Mail verschicken wollte.

Björn: Ja, genau. Auf unserer Japan-Tour damals sind wir noch runter in die Lobby, um eine Nachricht nach Hause zu schreiben. Dort saß man dann zwei Stunden in so einer Box, bis das erledigt war.

Carl-Johan: Und immer hattest du das Problem, dass es nicht die Buchstaben gab, die wir in Schweden benutzen.

Björn: Deswegen haben wird damals einige sehr lustige Mails geschrieben. (lacht)

Bei „Good Times“ waren alle Bandmitglieder in den Schreibprozess involviert. Habt ihr es dieses Mal wieder so gehalten?

Björn: Dieses Mal war es anders, weil wir die ganze Zeit unterwegs waren und nicht alle in derselben Stadt leben. Das war einfach eine Frage der Zeit, wir wollten nämlich recht schnell nach „Good Times“ ein neues Album veröffentlichen. Ich habe das meiste mit Carl-Johan zusammen geschrieben.

Carl-Johan: Aber natürlich kann jedes Bandmitglied sich einbringen und mit einem Song um die Ecke kommen. Wir sind nicht die einzigen Songschreiber, nur eben bei dieser Platte waren nicht alle dabei. Um eine kurze Frage sehr lang zu beantworten. (lacht)

2015 hat Gustaf Norén die Band verlassen und wurde später von Jens Siverstedt ersetzt. Hat sich das auf den Sound von „Bang“ ausgewirkt?

Carl-Johan: Auf jeden Fall. Er spielt ganz anders Gitarre und ist sehr erfahren als Produzent.

Björk: Jens ist Hip-Hop-Produzent und hat auch mit großen schwedischen EDM-Stars zusammengearbeitet wie Avicii und Axwell & Ingrosso. Er kommt also aus einem modernen Bereich der Produktion.

Ist EDM noch immer so groß in Schweden wie es mal war?

Carl-Johan: Es ist immer noch groß, aber nicht mehr so groß.

Björn: Wir waren gestern in einem Club hier in Berlin, wo sie das gespielt haben.

Welcher Club soll das denn gewesen sein?

Björn: Der hieß Matrix.

Der Laden repräsentiert die Berliner Clubkultur allerdings nur bedingt bis gar nicht. Er ist vor allem als Drehlocation für eine Daily Soap bekannt.

Björn: Wir sind dann auch gegangen, und zwar in den Suicide Circus.

Das ist dagegen einer der typischen Underground-Technoclubs. Hat es euch dort besser gefallen?

Björn: Ja, da war es okay – vor allem für einen Dienstagabend. Am Matrix ist nur der Name cool.

Carl-Johan: Wir haben uns offenbar für die falsche Pille entschieden. War es die rote oder die blaue? (lacht)

Previous post Tom, Conchita oder Wurst? – „Ich bin schon wieder von mir gelangweilt“
Next post „Liebe und andere Unglücksfälle“ – Dominique Horwitz über Kunst und Leben