Mark Forster setzt auf „Liebe“ statt Hass

Mark Forster setzt auf „Liebe“ statt Hass

Er gilt als einer der nettesten Menschen im Musikbusiness. Das hat ihm viele Fans beschert, aber auch Kritiker auf den Plan gerufen. Sie werfen ihm das Ausbleiben klarer politischer Statements vor. Warum Forster diesen Weg gewählt hat, verrät er im Interview mit n-tv.de.

Er ist der Mr. Nice Guy der deutschen Musikbranche. An Mark Forster kann man sich nur schwer stoßen. Stets höflich, immer ein Lächeln und höchstens im Scherz mal ein böses Wort auf den Lippen. Doch ist der 34-Jährige wirklich so ein guter Kerl oder ist das alles bloß eine perfide Marketing-Masche – quasi eine Art Gegenentwurf zum rüpelhaften Verhalten manch erfolgreichen Straßenrappers? Ob als Host der letzten Staffel „Sing meinen Song“, als Juror bei „The Voice of Germany“ und „The Voice Kids“ oder als Gast in Shows wie „Late Night Berlin“ und „Inas Nacht“ – der Zuschauer merkt schnell, dass dem Mann aus Kaiserslautern die Sonne aus nahezu jeder Körperöffnung scheint. Und auch im Interview mit n-tv.de zu seinem vierte Album „Liebe“ ist er ein äußerst angenehmes und reflektiertes Gegenüber. Schwer vorstellbar, dass jemand das zu seinem Unique Selling Point macht, obwohl er eigentlich ganz anders tickt.

Neu ist, dass der eigentlich Mark Ćwiertnia Getaufte, von seiner Mutter Marek, von Freunden auch schon mal King Forsti Genannte auch auf seinem Albumcover aus vollem Herzen lacht. Bisher schaute er immer eher nachdenklich-bedröppelt unter dem Schirm seiner Kappe durch die Brillengläser in die Kamera. Das heißt allerdings nicht, dass Forster beim Schreiben der neuen Songs zwischen Akustikgitarre und Opulenz weniger nachgedacht hätte als zuvor. Im Gegenteil, ist „Liebe“ doch eine Art Konzeptalbum geworden.

n-tv.de: Du bist für dieses Album ziemlich rumgekommen. Neben deiner Wahlheimat Berlin sind die Songs in London, Florenz und Uganda entstanden. Kommt man vor lauter Vielfliegerei überhaupt noch zum Arbeiten?

Mark Forster: Gerade dann. Ich liebe es, zum Musikmachen wegzufahren. Für das Schreiben der Platte war ich unter anderem in Frankreich, in Amerika und ich bin häufig auf einer Hütte auf einem Vulkan auf Teneriffa gewesen. Beim Produzieren ist es nicht anders. Wenn man von Zuhause weg ist, hat man noch ein bisschen mehr Fokus auf die Arbeit. Berlin ist meine Basis. Nach London reise ich seit dem Album „Tape“, um die Streicher aufzunehmen mit Rosie Danvers. Das ist einfach die beste Streichersektion der Welt, die auch von Adele, Michael Kiwanuka und Kanye West engagiert wird. Und ich habe etwas außerhalb von Florenz auf einem Hügel eine Olivenfarm gefunden mit Blick auf den Dom. Die Farm bestand aus zwei Häusern, in das eine haben wir unser ganzes Equipment gepackt, in dem anderen haben wir gewohnt. Dort ist über ein paar Monate der Grundstein für die Platte entstanden.

Dann hat die veränderte Umgebung die Arbeit also erleichtert?

Nicht wirklich, es war trotzdem sehr anstrengend. Mir ist die Arbeit an diesem Album extrem schwer gefallen. Ich habe viel ausprobiert, bin mal nach links, mal nach rechts gerannt. Es hat gedauert, bis ich die Mauer endlich durchbrochen hatte. Dafür bin ich viel glücklicher mit dem Ergebnis als ich es bei den anderen drei Alben war. Im Grunde ist eine Platte für mich nie fertig, sie ist immer eher nur eine Art Zwischenstand. Doch dieses Mal habe ich das Gefühl, dass wir einen Schritt weitergekommen sind.

Welche Rolle spielte Uganda dabei? Ich schätze, hier kommen wir zu einem deiner Lieblingsthemen: Chöre.

Richtig. Ich finde, man hört, wenn die Produktion an sich schon ein Abenteuer ist. Bei „Kogong“ singe ich über John Lennon und Yoko Ono, das haben wir in den Abbey Road Studios aufgenommen. Singe ich „Chöre“, mach ich das mit dem besten Chor der Welt, den „Harlem Gospel Singers“ in New York. Und dieses Mal hatte ich einen Kinderchor im Kopf, dann will ich natürlich den krassesten Kinderchor dabeihaben, der mir einfällt. Und das ist eben der „African Children’s Choir“ .

Und dann rufst du da an und sagst: „Hallo, mein Name ist Mark Forster, kann ich mir mal bitte Ihre Kinder ausleihen?“ Oder wie darf ich mir das vorstellen?

So ähnlich. Ich liebe ja Chöre, ich mag es, wenn viele Menschen gemeinsam gut singen. Da passiert etwas, da bekommt man Gänsehaut. Ich hatte für „Tape“ schon mal nach Kinderchören gesucht und die Kinder der „Harlem Gospel Singers“ kommen lassen, das aber am Ende doch nicht verwendet. Einen guten Kinderchor zu finden ist wirklich schwierig. Auf den „African Children’s Choir“ bin ich schließlich dank einer Netflix-Doku gestoßen. Also habe ich mich bei denen gemeldet und gefragt, ob das ginge, und die meinten: „Ja, komm vorbei.“ Ich war also ein paar Tage dort, wir haben die Parts für „Einsam“ aufgenommen und ich bin dann zur Organisation „Viva con Aqua“ in die Hauptstadt Kampala weitergefahren, die dort ein Büro hat. Die haben mich zusammengebracht mit den zwei größten Popstars den Landes, Maro und Maurice Kirya.

Lass mich raten: Die sind nun auf dem Album auch dabei?

Genau. Wir haben uns auf Anhieb so gut verstanden, dass wir direkt nach dem Frühstück ins Studio gegangen sind. Das Studio von Maro – dem größten Popstar von Uganda, wie gesagt – ist in einem Parkhaus untergebracht. Dort haben wir den Song „Chip In“ aufgenommen und sind damit am Abend direkt zur größten Radiostation Ugandas gefahren. Wir haben ihn dort vorgespielt und seither läuft er in Uganda im Radio – ein deutschsprachiger Song. Maro singt auf Luganda, einer wunderschönen Bantu-Sprache, und Maurice auf Englisch.

Es ist also kein klassischer Deutsch-Pop-Song im Forster-Stil, eher Uganda-Pop mit deutschen Einflüssen. Zudem war diese Zusammenarbeit ein Zufall. Gibt es denn noch weitere – geplante – Gäste auf „Liebe“?

Einen, nämlich Sido, mit dem ich ja schon öfter etwas gemacht habe. Aber auch das war ein Zufallsprodukt. Ich habe gepostet, dass ich gerade im Studio bin, und Sido hat mir bei Instagram geschrieben, ob ich nicht einen coolen Rap-Part brauchen könnte. Und so ist es gekommen, daraus ist „Danke Danke“ entstanden.

Verspürst du nach dem Erfolg der letzten Jahre denn eine gewisse Dankbarkeit?

Die Euphorie und die andauernde Begeisterung darüber, dass ich jetzt Musiker bin, hat nachgelassen. Ich habe akzeptiert, dass das jetzt so ist. Aber ich freue mich natürlich trotzdem jeden Tag darüber. Ich bin wieder in meinem normalen Leben angekommen, während ich vorher für zwei, drei Jahre wie in einem Wirbelsturm war. Es gab um mich nie eine solche Hysterie wie vielleicht um 187 Strassenbande oder früher Tokio Hotel und die Kelly Family, aber es war schon viel los. Das ist die Erfüllung eines Traums, aber man verliert sich auch ein bisschen darin. In den letzten zwei Jahren habe ich mir mein Leben – auch inhaltlich – wieder zurückgeholt. Ich habe über die Liebe zu mir selbst, die zu meiner Familie und meinen Freunden nachgedacht, und davon handelt die Platte. Deswegen ist sie deutlich konkreter als die drei davor. Ich habe sonst eher grundsätzliche Gefühle beschrieben, jetzt geht es deutlicher um mich ganz speziell.

Machst du dir Gedanken darüber, was von dir erwartet wird? Was du abliefern musst, um dort zu bleiben, wo du jetzt gerade bist, oder siehst du das eher entspannt?

Ich bin grundsätzlich ein positives Kerlchen und glaube, wenn man aufrichtig ist und sich Mühe gibt und etwas macht, das einen auch selbst interessieren würde, dann kann so viel gar nicht schiefgehen. Erfolg ist nichts, was greifbar ist und glücklich macht. Misserfolg macht aber definitiv auch unglücklich, also will ich schon, dass die Leute gut finden, was ich tue. Aber ich weiß, dass ich das nicht beeinflusse kann. Ich kann es nur so gut und so aufrichtig machen, wie es geht, und den Rest entscheide ich gar nicht.

Du entscheidest aber schon, wo du überall auf dem Bildschirm erscheinst. Hast du nicht schon auch mal Angst vor einer gewissen Forster-Übersättigung beim Zuschauer?

Das ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite wundere ich mich eh, wenn jemand will, dass ich irgendwo hinkomme und dort singe. Wenn ich dann höre, dass Millionen von Einheiten meines Albums verkauft werden, finde ich das immer noch krass. Es ist im Positiven für mich nicht greifbar, warum ich so viel Zuspruch erhalten. Aber warum ich Leute nerve oder nerven könnte, eben auch nicht. Wenn man in das Thema zu tief einsteigt, ist das, als wenn Frodo zu lange in den Ring guckt. Ich liebe es, bei „The Voice“ mit den anderen Coaches um die Talente zu kämpfen, mit Yvonne Catterfeld spielerisch einen Streit vom Zaun zu brechen. Vielleicht stehe ich mit dieser Meinung alleine da, aber für mich ist das auch Kunst. Unterhaltung ist eine Art von Kunst, die ich gern mache. Und wenn mir jemand einen solchen Spielplatz bietet, sage ich nicht nein.

Deine Texte mögen jetzt konkreter sein. Dennoch gibt es Menschen, denen bist du an anderer Stelle nicht konkret genug, und zwar wenn es darum geht, dich politisch zu positionieren. Während in Chemnitz unter dem Hashtag #wirsindmehr gegen Rechts gerockt wurde und selbst Helene Fischer auf der Bühne Worte dazu fand, hätten sich Deutsch-Pop-Poeten wie du lieber rausgehalten. Empfindest du diese Kritik als gerechtfertigt?

Ich halte mich ja gar nicht raus. Zum Beispiel habe ich bei Chemnitz etwas gepostet – was sicherlich das Einfachste ist, das man machen kann. Ich habe in meiner Welt kurz mal kundgetan: „Das finde ich gut.“ Ich habe keine Anzeichen von rechten Tendenzen bei meinen Fans, finde es aber schon wichtig, sich zu äußern. Jede Art von Debatte ist gut. Aber wir erleben das nicht nur bei diesem Thema: Was geschrien wird, wird mehr gehört als das, was gesagt wird. Und es wird viel geschrien. Und immer dagegenzuhalten, ist mir auch zu blöd. Das muss man bei mir wissen, ich bin immerhin halber Pole und halte die Fahne der guten Laune hoch. Bei dieser Art der Diskussion stehe ich einer großen Macht gegenüber, gegen die ich nichts ausrichten kann. Man könnte ja auch Helene Fischer fragen, ob sie bei einem Konzert wie in Chemnitz auftreten möchte. Ich weiß nicht, ob das passiert ist. Mich haben Kraftklub jedenfalls nicht angerufen.

Wärst du in Chemnitz aufgetreten, wenn dich jemand gefragt hätte?

Wäre ich, ja.

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