Roland Emmerich über „Midway“: Filmisches Statement gegen den Faschismus

Roland Emmerich über „Midway“: Filmisches Statement gegen den Faschismus

Regisseur Roland Emmerich hat Hollywood-Filmgeschichte geschrieben. Sein neuer Kriegsfilm hält wie gewohnt ein CGI-Feuerwerk und einigen US-Patriotismus bereit. Er selbst möchte „Midway“ aber vor allem als Zeichen gegen den Faschismus verstanden wissen, wie er n-tv.de im Interview erklärt.

Roland Emmerich ist einer, der es schon lange in Hollywood geschafft hat. Bereits seit den 1990er-Jahren dreht der Deutsche nur die ganz großen Blockbuster und erzählt fiktive wie nichtfiktive US-Geschichte, wie es kein Amerikaner tat und bis heute tut. Er führte Regie bei Filmen wie „Stargate“, „Independence Day“, „Godzilla“, „Der Patriot“ und „White House Down“, und auch sein neues Werk „Midway – Für die Freiheit“ reiht sich hier nun ein.

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Dafür bemächtigt sich der Mann aus Stuttgart eines Themas, das tief in der Geschichte der USA verankert ist. Es geht um die Schlacht vor den Midwayinseln zwischen Japan und den USA, die 1942 die entscheidende Wende im Pazifikkrieg brachte. Warum es ihm ein Anliegen war, diesen Film zu machen und was er dem Zuschauer eigentlich damit sagen möchte, hat der 63-Jährige n-tv.de im Interview erzählt.

n-tv.de: Herr Emmerich, was hat Sie bewogen, ausgerechnet die Midway-Schlacht zu thematisieren?

Roland Emmerich: Ich habe das schon vor 20 Jahren machen wollen. Damals habe ich für Sony gearbeitet und einen Riesendeal mit denen unterschrieben. Die Idee, Midway zu verfilmen, ist dann bei denen auch auf viel Enthusiasmus gestoßen. Allerdings ist ziemlich schnell klar gewesen, dass das Ganze mehr als 100 Millionen Dollar gekostet hätte. Das hat was mit den Visual Effects zu tun, das war noch sehr schwierig zu der Zeit. Da haben sich die Studiobesitzer, Sony ist ein japanisches Unternehmen, dagegen entschieden.

Nachvollziehbar. Ein Film für so viel Geld, bei dem die Japaner am Ende auch noch verlieren – hätte ich an deren Stelle auch nicht gemacht.

Eben. Also habe ich mir stattdessen „Der Patriot“ aus den Drehbüchern ausgesucht, die sie vorliegen hatten. Ich wollte eben einen Kriegsfilm machen. Irgendwann gab es dann „Pearl Harbour“, da mussten wir mit „Midway“ wieder warten. Aber in den letzten paar Jahren haben ich oft drüber nachgedacht. Dann ist ein junger Schreiber namens Wes Tooke in mein Büro gekommen. Und ich frage jeden Schreiber, welches Skript er wirklich machen möchte. Seine Antwort war ohne Zögern: „Midway!“ Da haben wir beschlossen, das Drehbuch gemeinsam zu schreiben, und es sollte nicht nur von Midway handeln, sondern die sechs Monate von Pearl Harbour bis dorthin erzählen.

Was fasziniert Sie an der Geschichte, dass Sie so viele Jahre daran festgehalten haben? Warum passt sie Ihrer Meinung nach in unsere Zeit?

Ich bin sowieso ein großer Fan des Genres, ich bin ein großer Fan vom Fliegen. Ich habe in meinen Filmen immer wieder große Luftschlachten gehabt wie in „Independence Day“ und „Godzilla“. Außerdem ist mir plötzlich klar geworden, dass überall der Nationalismus ansteigt. Überall gibt es einen Rechtsruck und der Film glorifiziert die Leute, die damals Nein zum Faschismus gesagt haben. Die ihr Leben eingesetzt haben, um ihn aufzuhalten. Hätten die Japaner Pearl Harbour nicht angegriffen, wären die Amerikaner nicht in den Krieg eingetreten, dann wäre ganz Europa faschistisch gewesen. Die Italiener, die Spanier, die Franzosen, die Deutschen ohnehin, die Engländer dann halt auch …

Glauben Sie wirklich, dass der Zuschauer derartig um die Ecke denkt? Sieht er nicht eher den US-Patriotismus, der in der filmischen Umsetzung der Schlacht liegt?

Ach, ich denke schon, aber dabei können die Medien natürlich helfen. Wenn man Kriegsfilme mag, muss man sich den richtigen Kriegsfilm raussuchen. Ich verstehe, warum Chris Nolan „Dunkirk“ gemacht hat. Das war ein großes Event, aber es war ein Rückzug. Ich wollte was machen, was sehr nah lag an meinem Lieblingsfilm „Die Brücke von Arnheim“. Da hat man die Deutschen als Gegner gezeigt, aber sie nicht direkt zu schlechten Menschen gemacht. Die Geschichte war irre kompliziert, aber es hat sich alles auf eine Sache hin zugespitzt.

Etwas, das tatsächlich auch auf die Ereignisse bei den Midwayinseln zutrifft.

Als ich eine Dokumentation über Midway gesehen habe, ist mir klar geworden, dass es eine sehr ähnliche Situation war. Es sind so viele Elemente. Ich habe mir drei Erzählstränge rausgesucht und sie miteinander verbunden.

Kompliziert stelle ich mir das Zusammensetzen der einzelnen Elemente vor. Das Material, das gedreht wurde, dazu alles an CGI (Computer Generated Imagery), was nötig ist …

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Nick Jonas als Bruno Gaido.

(Foto: imago images/ZUMA Press)

So ein Film ist immer eine Gruppenleistung. Als Regisseur musst du dir die beste Crew zusammensuchen. Monatelang arbeitet man am Storyboard, daraus werden erste, einfache Animationen gemacht. Wenn man damit zufrieden ist, dreht man, dann schneidet man das zusammen. Hinter den Piloten ist nur Blau, da ist nichts. Und dann erarbeitet man sich die Szene. Es ist ein langwieriger, langsamer Prozess, aber ich bin das so gewohnt, dass es für mich nichts Besonderes mehr ist.

Hatten Sie schon frühzeitig das Casting im Kopf zusammen? Immerhin stellen Woody Harrelson, Luke Evans, Patrick Wilson und Co. ja reale Personen dar.

Da hatte ich schon schlaflose Nächte, denn wir hatten nur sechs oder sieben Millionen Dollar für alle Schauspieler. Also habe ich mir was einfallen lassen. Ich konnte jeden Darsteller für etwa eine Woche haben und in der Zeit ist dann jede Szene mit ihm abgedreht worden. Wenn man schnell dreht, ist das möglich. Woody Harrelson hat zehn Tage gedreht, andere nur vier. Dadurch kann man Leute wie Nick Jonas kriegen. Die sind ja irre beschäftigt, aber mal nur für eine Woche irgendwohin zu müssen, das geht dann schon.

Sie leben schon lange in den USA …

… und zu Teilen in London und in Kanada …

Beschäftigen Sie sich dann – sowohl kulturell wie auch politisch – mit Dingen aus allen Ländern, in denen Sie zu Hause sind?

Nicht nur das. Ich lese mindestens zwei oder drei Bücher in der Woche – oft bis tief in die Nacht…

Auch mitten in einer solchen Mammut-Produktion?

Ja, eine Stunde lese ich abends immer noch. Man muss Dinge finden, bei denen man abschalten kann. Ohne das kann man nicht kreativ arbeiten.

Was interessiert Sie dann so?

Ich interessiere mich für verschiedene Dinge und aus diesen Interessen entstehen verschiedene Filme. Meine Katastrophenfilme sind vielleicht am bekanntesten, aber ich habe mit „Der Patriot“ bereits einen anderen Kriegsfilm gemacht. Und ich habe auch schon Filme über Shakespeare, Stonewall sowie mit „White House Down“ einen klassischen Actionfilm gemacht. In der Zukunft möchte ich noch einen Film über eine wahre Geschichte in der Welt der Maya zwischen 1511 und 1530 umsetzen.

Glauben Sie dennoch, dass es ein riesiges CGI-Feuerwerk wie das Ihre braucht, um die Leute wieder in die Kinos zu bekommen, weil das auf der großen Leinwand besser funktioniert als später daheim auf dem TV-Gerät?

Ich bin jemand, der das Kino liebt und der will, dass die Leute etwas auf der großen Leinwand sehen. Nicht nur das Bild, sondern auch der Ton ist wichtig. Ich bin also gegenüber dem Streaming skeptisch, aber auch Realist. Ich weiß, dass Fernseher immer größer werden und Soundsysteme besser. Dazu kriegt man gestreamt bald jeden Film, den man sehen möchte. Das wissen die großen Studios, deswegen bauen sie jetzt alle Streaming-Services auf. Für mich muss es immer noch ein großes Kino sein, mit vielen Leuten, wo man den ganzen Saal lachen hört.

Gehen Sie denn selbst überhaupt noch ins Kino?

Mein Mann schleppt mich immer in alle Kunstfilme. Omar entscheidet. (lacht)

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