Romanverfilmung „Auerhaus“: Einfühlsame Momente in der Provinz

Romanverfilmung „Auerhaus“: Einfühlsame Momente in der Provinz

Mit „Auerhaus“ adaptiert Regisseurin Neele Leana Vollmer den gleichnamigen Erfolgsroman von Bov Bjerg. Obwohl es neben der Tristesse des Provinzlebens auch um die einer Teenagerseele geht, gelingt das mit einer charmanten Leichtigkeit, jedoch auch mit dramaturgischen Leerstellen.

Vor knapp fünf Jahren erschien mit „Auerhaus“ der gefeierte Coming-of-Age-Roman von Bov Bjerg. Der soll sich allein in seinem Erscheinungsjahr 250.000 Mal verkauft haben und wurde an 40 Theatern inszeniert. Dementsprechend schnell sicherte sich Pantaleon die Filmrechte und bringt die Geschichte um eine Gruppe von Freunden in der schwäbischen Provinz nun in die deutschen Kinos. Regie führte dabei Neele Leana Vollmer, die unter anderem bei „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ und der Kinderfilm-Reihe „Rico, Oskar und …“ auf dem Regiestuhl Platz nahm. Von ihr stammt auch das Drehbuch.

Erzähler der in der Einöde von Baden-Württemberg vor sich hinplätschernden Ereignisse im Jahr 1983 ist Höppner, gespielt von Damian Hardung, der sich durch die Vox-Serie „Der Club der roten Bänder“ einen Namen machte. Mit ihm auf dem Gymnasium am Stadtrand ist auch Frieder, verkörpert von Max von der Groeben, vor allem bekannt als Klassenclown aus „Fack ju Göhte“. Frieder dagegen changiert zwischen Melancholie und Euphorie und löst durch einen gescheiterten Selbstmordversuch die folgenden Veränderungen im Leben seiner Mitschüler überhaupt erst aus.

Wohngemeinschaft der Außenseiter

Er darf die Klinik danach nämlich nur verlassen, wenn er unter Aufsicht wohnt. Und so ziehen Frieder, Höppner, dessen freiheitsliebende Freundin Vera (Luna Wedler) und die Streberin Cäcilia (Devrim Lingnau) gemeinsam in das ziemlich düstere Haus von Frieders verstorbenem Opa und gründen die Zweck-WG der Außenseiter, der sich später noch die zündelnde Pauline (Ada Philine Stappenbeck) und der homosexuelle Harry (Sven Schelker) anschließen.

Fortan geht es um die zwischenmenschlichen Verwicklungen der Figuren untereinander, aber auch um deren immerwährenden Versuch, Frieder von einem zweiten und womöglich glückenden Suizidversuch abzuhalten. Zudem schlägt sich jeder Einzelne natürlich auch noch mit seinen ganz eigenen Problemen des Erwachsenwerdens herum. Beispielsweise möchte Höppner so schnell wie möglich dem schwäbischen Einerlei den Rücken kehren, um nach West-Berlin zu ziehen und damit der drohenden Wehrpflicht zu entgehen. Und Vera verspürt eine große Sehnsucht nach Liebe und Sex, für deren Befriedigung die Beziehung zu Höppner leider nicht ausreicht.

Morbider Humor trifft Melancholie

Optisch untermalt wird die ländliche Ödnis der Nachwendezeit durch Aufnahmen in gedeckten Farben. Neben Feldern und Wiesen, einem winzigen Supermarkt und einer tristen Eisdiele gibt es vor Ort nicht viel. Damit der Zuschauer nicht in einen Zustand allzu tief sitzender Gemütsschwere sinkt, schwingt immer ein Hauch von morbidem Humor mit. Hier und da bahnen sich Lichtblicke den Weg durchs regnerische Grau.

Der erfahrene Bücherleser und Kinogänger weiß um die Krux, eine gute Buchvorlage in einen mindestens ebenso guten Film zu verwandeln. Das gelingt in den wenigsten Fällen zur Zufriedenheit aller und so dürfte auch „Auerhaus“ manchen Leser enttäuschen. Es ist kein spannender Film, denn Dramaturgie spielt bewusst eine untergeordnete Rolle. Im Fokus stehen die einzelnen Charaktere, doch kratzt hier vieles nur an der Oberfläche. Sechs Figuren können naturgemäß nicht in 104 Minuten so auserzählt werden wie auf 240 Buchseiten.

Die WG-Mitglieder kiffen, kochen, spielen Federball und haben hinter verschlossenen Türen Sex. Darsteller wie Max von der Groeben machen den Kinobesuch trotz aller Kritik lohnenswert. Er verkörpert den Frieder in all seiner Zerrissenheit zwischen Chaot und Philosoph auf einfühlsame Weise. Und auch Damian Hardung als Erzähler der Geschichte, der im Gefühlschaos zwischen erster Liebe, Fluchtreflex und der Sorge um seinen suizidgefährdeten Kumpel steckt, berührt. Für die ältere Generation dürfte außerdem der Soundtrack einige Emotionen hervorrufen, denn nicht nur das dem „Auerhaus“ seinen Namen gebende „Our House“ von Madness weckt wohlige Erinnerungen.

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