The Human League – The Sound of the Future, the Past and the Present

The Human League – The Sound of the Future, the Past and the Present

Es war zu einer Zeit, als asymmetrische Frisuren mit Miniplie und Karottenjeans in Moonwashed-Optik schick waren, man Musik nur auf Vinyl oder Kassette kaufen konnte, eine Single noch Single und nicht 7Inch hieß und für 4,95 DM über den analogen Ladentisch ging. Es war das Jahr 1981, und ich selbst steckte mit gerade einmal zehn Jahren nicht nur musikalisch noch in den Kinderschuhen.

Mit dem hohen Charteinstieg von Visages „Fade To Grey“ zeichnete sich in jenem Jahr jedoch bereits die Richtung ab, in die es die kommenden Jahre gehen sollte – oft zum Leidwesen meiner Eltern. New Wave war bereits seit Ende der 70er-Jahre dank Gary Numan, Joy Division und anderen, häufig dem Punk entsprungenen Bands insbesondere in Großbritannien ein dickes Thema, doch bevorzugte ich seinerzeit noch die leichter verdauliche Kost von ABBA, The Teens und Leif Garrett. 1983 dann landeten all ihre Poster inklusive des vollständigen The Teens-Starschnitts endgültig im Müll und Bands wie The Human League, Depeche Mode, Soft Cell, The Cure und The Smiths traten im Laufe der folgenden Jahre an ihre Stelle.

Einst auf Vinyl gekauft, haben es bis heute nur wenige Alben der 80er digitalisiert auf meinen iPod geschafft, darunter die legendäre, dritte, eben 1981 erschienene The Human League-Langspielplatte (auch so ein Begriff von damals) „Dare“ inklusive der Hit-Single „Don’t You Want Me“. Nur Killer, keine Filler – von „The Things That Dreams Are Made Of“ über „The Sound Of The Crowd“ und „I Am The Law“ bis „Love Action (I Believe In Love)“ kann ich trotz der 30 seither vergangenen Jahre noch jeden Song auswendig. Hört man sich das Album heute mit einem gewissen Abstand und womöglich ohne all die sehr persönlichen Erinnerungen dazu an, klingt es nach schlichtem, aber eingängigem Synthie-Pop, wie es ihn seither in Hülle und Fülle und vielleicht sogar besser gab. Doch 1981 war all das frisch, innovativ und schien absolut zeitlos, und bis heute beziehen sich nicht ohne Grund zahlreiche Acts auf eben diese eine Band aus dem britischen Sheffield. Auch das 1982 re-releaste „Being Boiled“, bei seiner ersten Veröffentlichung 1979 kläglich gescheitert, schrieb Musikgeschichte und lief, anders als sein eher pop-affiner Vorgänger, jahrelang in nahezu jedem Grufti-Schuppen zu Bockbier und dem typischen „drei Schritte vor, Verbeugung, drei Schritte zurück“-Move, den man dort Tanz nannte.

Seither haben The Human League noch so einige Alben auf den Markt geworfen, allerdings mit eher mäßigem bis nicht vorhandenem Erfolg. Lediglich ein paar Singles wie „The Lebanon“ oder „Human“ konnten noch gute Chartplatzierungen verzeichnen, und 1996 gelang ihnen mit „Tell Me When“ ein weiterer Top10-Hit in UK. 2001 erschien mit „Secrets“ das neunte und auch vorerst letzte Album der drei verbliebenen Mitglieder Phil Oakey, Joanne Catherall und Susan Ann Sulley. Weltweite Festivalauftritte – von Homelands bis FIB – ließen seitdem zwar immer wieder durchblicken, dass das Trio noch nicht gänzlich in der Versenkung verschwunden war, auf neues Material aus ihrem Studio wartete man jedoch vergebens. Bis jetzt. Mit „Credo“ erscheint am 11. März auf Wall Of Sound/PIAS Album Nr. 10. Und da wo The Human League drauf steht, ist auch The Human League drin – selbst wenn sie sich mit I Monster zwei Herren dazu geholt haben, die sonst für ihren äußerst vielfältigen Sound zwischen Ambient, Electronica und Easy Listening bekannt sind. Man mag es als ein „Sichtreubleiben“ oder als „mangelnde Weiterentwicklung“ bezeichnen, dass The Human League noch immer exakt so klingen wie 1981. Ich durfte die drei Briten an einem sonnigen Februarmontag im Hamburger Hyatt treffen und sie persönlich dazu befragen, ob für sie das Glas eher halb voll oder halb leer ist.

Wie echte Rockstars verspäten sich Human League zu unserem vereinbarten Termin im 7. Stock des Nobelhotels um 20 Minuten, machen dies jedoch durch freundliches Auftreten und völlige Starallürenfreiheit schnell wieder wett. Während wir noch auf Joanne warten, drücke ich Susan und Phil die Februar-Ausgabe unseres Magazins in die Hand. Ein Fehler, wie sich herausstellt, denn fortan ist Mr. Oakey mit Kreuz- und Querblättern des Hefts beschäftigt. Auch wenn er nichts von dem versteht, was darin geschrieben steht, zeigt er sich ehrlich begeistert. Aus dem Interview hält er sich dann aber weitestgehend heraus. Hier haben ganz klar die Ladys – und so muss man die 48-jährige Susann Ann Sulley und die gleichaltrige Joanne Catherall heute wohl nennen – das Sagen. Zwei Frauen, wie sie zumindest optisch gegensätzlicher nicht sein könnten. Erstere auf eine fast bedenkliche Art dünn, elegant in dezentem Schwarz, die Haare zu einem strengen, blonden Dutt gebunden. Die zweite dagegen ein wenig üppig, in knalligem Rot und mit dunkler, leicht wirrer Hochsteckfrisur. Dazwischen der inzwischen 55-jährige Phil Oakey, dessen einst berühmte, sexy und natürlich asymmetrische Ponyfrisur zwar aufgrund wachsender Geheimratsecken einem grauen Kurzhaarschnitt gewichen ist, der aber immer noch durchaus als attraktiv bezeichnet werden kann.

Seit über 30 Jahren sind die drei nun bereits mehr oder weniger dick im Geschäft, haben eine Menge Bands, Künstler und Musiktrends kommen und gehen sehen, aber auf die Frage, was ihnen davon in der letzten Zeit am Nachhaltigsten in Erinnerung geblieben ist, hat Phil Oakey eine klare und spontane Antwort: „Fedde Le Grand – und noch einige Leute mehr, die wie er den Clubsound wieder spannend gemacht haben.“ –„Gerade in der letzten Zeit sind immer mehr Bands aufgetaucht, die genau das machen, wofür wir damals zunächst belächelt wurden: elektronische Musik mit Synthesizern. La Roux zum Beispiel“, meint hingegen Joanne. „Ich finde es großartig, dass das heute ein völlig anerkannter Musikstil ist.“ Und kommerziell erfolgreich noch dazu. Es ist ein ewiger Kreislauf, und so feiern wir aktuell mit Bands wie La Roux, Hurts oder Empire Of The Sun ja nicht zum ersten Mal die Wiederauferstehung des eklektischen Sounds der 80er-Jahre. Und doch scheint sich das, was einst mit Remixen von Songs wie Icehouses „Hey Little Girl“ (Mathias Schaffhäuser) oder Corey Harts „Sunglasses At Night“ (Tiga) nur angedeutet wurde, auf einer völlig neuen, gereifteren und eigenen Ebene durchgesetzt zu haben. Möglicherweise also genau der richtige Zeitpunkt für einen Act, der für die eben genannten Bands als Vorbild diente, nach zehn Jahren endlich mit einem neuen Album zurückzukehren? Oder waren es eher bandinterne Belange, die den Zeitpunkt bestimmten? „Es sind vielmehr persönliche Gründe gewesen, dass wir jetzt oder erst jetzt mit neuem Material kommen. Wir sind nach der letzten Veröffentlichung unheimlich viel getourt, waren ständig unterwegs. Phil bekam zahlreiche Anfragen, auf Singles anderer Leute zu singen, bis er irgendwann ins Studio ging und wieder an eigenem Material arbeitete. Als er uns davon berichtete, war die Zeit einfach reif“, erzählt Susan, ergänzt von Joanne: „Wir haben das große Glück, auf unheimlich viel Material zurückgreifen zu können, wenn wir live spielen. Dennoch war es mal an der Zeit, etwas Neues zu machen.“ Dass dies klingt, wie The Human League nun mal klingen, war ihnen selbst m Vorfeld klar.

Ende der 70er-Jahre bezeichnete David Bowie die Musik Human Leagues als „sound of the future“. Heißt eine nur geringe Weiterentwicklung dessen aber automatisch, dass sie, 30 Jahre später, „the sound of the past“ machen, oder sind The Human League nicht vielmehr in der Gegenwart, die für rückwärtigen Synthie-Pop gerade besonders viel übrig hat, endlich angekommen? „Wir sind, wer wir sind, und die Techniken, mit denen wir unser Album aufgenommen haben, sind ganz aktuell. Unser Sound klingt ja nicht altmodisch, er klingt eben wie wir“, so Susan. „Wir nutzen die uns zur Verfügung stehenden, neuen Möglichkeiten, aber es ist nicht an uns, eine große Ballade mit diva’esken Vocals aufzunehmen. Das können wir auch gar nicht“, gibt Joanne ganz offen zu. Für die Produktion von „Credo“ holte man sich Unterstützung des ebenfalls in Sheffield ansässigen Produzentenduos I Monster hinzu. Deren größer Coup gelang ihnen Anfang des neuen Jahrtausends mit dem Track „Daydream In Blue“ vom Album „Neveroddereven“, der dank seiner Verwendung im Werbespot einer großen Versicherung auch heute noch vielen bekannt sein dürfte. „Überraschenderweise haben die zwei viel mehr alte Synthesizer, als wir“, weiß Susan, wieder ergänzt von Joanne: „Als wir von ihnen gemischte Sachen in unserem Studio hörten, waren die Drums viel zu laut. Zurück in ihrem Studio stellten wir fest, dass ihre Lautsprecher einfach schon sehr, sehr alt waren, so dass das Material bei ihnen ganz anders klang.“ Die Zusammenarbeit ergab sich ganz zufällig, man kennt sich eben, hatte Phil doch im Vorfeld schon einmal zwei Tracks mit I Monster produziert. Das erzählt Susan, bestätigt durch Phil mit einem kurzen „Yes“. „Als die zwei dann hörten, dass wir an neuem Material arbeiten, hat Dean gemeint, wir sollten ihm das Zeug geben, sie würde es gerne für uns abmischen. Das war‘s auch schon“, so Susan weiter.

Ob es für The Human League an sich hilfreich ist, dass ein aktuell – zumindest in UK – in den Köpfen stattfindender Act seine Finger mit im Spiel hatte, um sie endlich aus dem tiefen Sumpf der ewig als 80er-Jahre-Band stigmatisierten Musiker herauszuholen, wagen die drei selbst zu bezweifeln. Denn dass sie bis heute bei ihrem Publikum nicht in der Jetzt-Zeit angekommen sind, ist ihnen durchaus bewusst. „Es ist wirklich hart. Wir wollen keinesfalls unsere Vergangenheit unter den Teppich kehren. Wir sind stolz auf alles, was wir gemacht haben. Aber es ist frustrierend, dass die Leute bei unseren Konzerten nur die alten Sachen hören wollen, nie aber etwas von einem der neueren Alben. Und sie werden auch diese Platte wieder nicht kaufen“, meint Joanne, ohne dabei völlig resigniert zu klingen. An dieser Stelle klinkt sich selbst Phil ein: „Wir haben damit in Großbritannien wirklich ein großes Problem und hoffen, dass es Interviews wie dieses in anderen Ländern anders werden lassen. [Diese Bürde lastet nun schwer auf mir.] Die Briten mögen uns zu sehr und sind absolut auf unser altes Zeug fixiert.“ – „Wir haben das Album nicht für die Leute gemacht, die wollen, dass wir auf ewig dort stehen bleiben, wo wir damals waren. Wir haben das Album in erster Linie für uns gemacht. Und wenn diese Leute entscheiden, das Album nicht zu kaufen – dann sollen sie es eben lassen“, macht Susan ihrer kleinen Wut darüber Luft, allerdings ohne daran ernsthaft zu verzweifeln. „Wir haben keinen Grund, wegen irgendetwas traurig zu sein. Wenn es funktioniert, ist es toll. Wenn nicht, ist es auch okay“, bringt es Phil auf den Punkt. „Wir sind jetzt schon seit über 30 Jahren im Geschäft, und während wir früher noch verzweifelten wegen schlechter Kritiken oder nicht gekaufter Alben, wissen wir heute, dass das nicht das Ende der Welt ist. Wir sind inzwischen viel, viel entspannter hinsichtlich Erfolg und Nicht-Erfolg.“ Da sind sich alle drei einig. Einen Plan B gibt es dennoch nicht. „Wenn es schief geht, gehen wir wieder die nächsten drei Jahre auf Tour – was wir ja ohnehin tun – und dann produzieren wir eben wieder etwas Neues.“ Und das Touren macht Phil, Susan und Joanne nach wie vor großen Spaß. „Wir sind ja nicht wie Metallica zwei Jahre am Stück unterwegs. Das ist sicherlich sehr anstrengend. Wir sehen zu, dass wir nicht länger als sechs Wochen von daheim fort sind. Und das stresst uns überhaupt nicht. Du wohnst in den tollsten Hotels, morgens ist das Frühstück schon fertig. Dann wirst du mit dem Bus zum Soundcheck gefahren. Wenn du müde bist, legst du dich im Bus selbst noch mal hin, denn auch dort hast du ein Bett. Dann kocht dir jemand Tee. Was will man mehr? Für uns ist das Touren einen riesen Funfaktor.“ Die zunächst eher etwas steif wirkende Susan sprüht gerade zu über vor lauter Vorfreude, und so seien euch die vier Tourdates im April ans Herz gelegt, bei denen The Human League neben den Songs vom neuen Album „Credo“ ganz sicher auch einige ihrer großen Hits performen werden. Versprochen.

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