Tiefschwarz – Drei sind keiner zu viel

Tiefschwarz – Drei sind keiner zu viel

Beim nächsten Mal wird alles anders. Mit diesem Anspruch gehen Ali und Basti Schwarz nach der Veröffentlichung eines Albums grundsätzlich an die Arbeit für das nächste heran. Permanente Wiederholungen trotz des vorherigen Erfolgs sind unerwünscht. Fünf Jahre nach »Chocolate« ist den Gebrüdern Schwarz mit dem neuen Werk »Left« einmal mehr die Erneuerung gelungen. Nur ihrem Fünfjahresturnus von Album zu Album sind sie treu geblieben. Allerdings ist das ursprünglich aus Stuttgart stammende Duo Tiefschwarz mit »Left« zu einem Trio angewachsen. Mit ins Boot geholten haben sich die Brüder den Musikerkollegen Khan – offiziell Gastkünstler, und doch einer von ihnen. Eine Art musikalischer Adoptivbruder quasi. Zusammen haben die drei ein Album voll frischer Sounds auf die Beine gestellt, das zum einen Stoff für den Tanzflur bietet, auf der andern Seite dank Khans Gesang und popaffiner Housebeats über dessen Rand hinausblickt. Ich habe die zwei altgedienten Drittel des temporären Dreigestirns im gastfreundlichen Office von Musique Couture in Berlin-Mitte getroffen. Gut gelaunt bei Kaffee und Gebäck plauderten wir über dies und das, vor allem aber über »Left«, gerade eben bei Watergate erschienen ist, Khan und den eigenen Lebenswandel.

Alle fünf Jahre ein Album. Steckt dahinter ein Konzept oder ist entstand diese Regelmäßigkeit eher zufällig?
Ali: Die Überlegung, ein weiteres Album zu machen, kommt eigentlich immer recht früh. Praktisch, wenn das andere gerade erst veröffentlicht ist. Bis es dann aber so weit ist, dauert es meist eine ganze Weile.
Basti: Ab jetzt wollen wir es alle zwei Jahre machen …
Ali: Wir werden alt, wir müssen ein bisschen Gas geben.

Wird es dann nicht ein bisschen inflationär? Alle zwei Jahre … ernsthaft?
Ali: Nee, aber wir müssen jetzt nicht noch mal fünf Jahre warten. Wir haben gerade so einen guten Flow. Wenn das nächste Album früher kommt, würden wir uns selbst wirklich freuen. Wobei uns der Fünfjahresrhythmus schon immer ganz gut getan hat.

Never change a running system …
Ali: Wir haben jetzt aber schon einen Aspekt, der neu ist, nämlich, dass wir den Khan dazu bekommen haben. Mit ihm zusammen wäre es schon geil, dran zu bleiben und aus der aktuellen Energie heraus das nächste Album anzufangen. Vielleicht machen wir mal eine Produktionsreise, setzen uns zusammen auf irgendeine Insel …
Basti: … oder in die Uckermark.
Ali: Das wäre für mich der Punkt zu sagen, wir bleiben dran – und das nächste Album kommt vielleicht wirklich schon in zwei Jahren.

Ist das Format Album in euren Augen heute denn überhaupt noch zeitgemäß? Gemessen an 2000, als ihr euer Debüt »RAL 9005« veröffentlicht habt?
Basti: Ich denke, es ist sogar wichtiger denn je. Ich finde den Ablauf bei der Entstehung toll. Und es ist wichtig, dass man das Album als Format jetzt nicht einfach hinten runter fallen lässt.
Ali: Das ist allerdings individuell verschieden. Viele DJs würden Basti jetzt widersprechen.
Basti: Aber wir sehen das ja eher als Musiker …
Ali: In erster Linie sind wir da draußen aber auch DJs. Aber wir haben gerade bei dem Album eher nach innen geschaut, deswegen hat es für uns eine Relevanz. Es wäre sicherlich auch nicht dumm gewesen, vier super coole Maxis zu machen. Das hilft deiner DJ-Karriere vermutlich mehr als ein Künstleralbum, auf dem du dich austobst.
Basti: Wir haben aber auch noch die Live-Shows, so dass ein Künstleralbum immer Sinn macht. Aber man kann den anderen Aspekt natürlich verstehen.

Eure Presseinfo meint, ein Album sei eine »historische Standortbestimmung«. Wie unterscheidet sich der aktuelle von den letzten drei Standorten?
Basti: Der wichtigste Wendepunkt ist wohl, dass wir dieses Mal alles selbst gemacht haben. Uns hat der Ehrgeiz gepackt. Wir wollten von alles und jedem unabhängig sein. Dafür mussten wir erst mal durch eine große Schule durch, aber jetzt sind wir total frei und können machen, was wir wollen. Wir haben im Studio auf Produktionsseite keinen dritten Mann mehr an Bord. Die Zeit war jetzt einfach reif dafür, und für uns war das noch mal ein großer Schritt nach vorn.

Mit Khan ist dann aber auch gleich wieder ein dritter Mann dazu gekommen …
Ali: Ja schon, aber mehr von außen und niemand, der mit uns rumbastelt. Khan war nicht ein einziges Mal bei uns im Studio. Er hat Layouts bekommen und dann darauf gesungen.

Warum hat der Schritt in die »totale Freiheit« drei Alben gebraucht? Wäre das nicht auch schon früher denkbar gewesen?
Ali: Die technische Seite ist eher Bastis Sache, aber wir haben vieles auch schon vor 15 Jahren allein gemacht. Nur die letzten 20 Prozent waren es immer, das Fertigstellen, das haben wir vorher aus der Hand gegeben. Da hängt ein großer technischer Apparat dran …
Basti: Außerdem war das Auflegen das Hauptterrain, auf dem wir uns bewegt haben. Und die Produktion ist dann mehr und mehr mit dazu gekommen.
Ali: Wir selbst waren auf Dauertour und natürlich froh, dass da jemand war, der uns Arbeit abgenommen hat. Es ist aber auch nicht so, dass wir da reingekommen sind, ihm gesagt haben, was er machen soll und dann wieder abgehauen sind. Wir waren immer an allen Prozessen beteiligt und haben extrem viel mitgearbeitet.
Basti: Diese Diskussion ist irgendwie auch ein bisschen langweilig, denn wenn zwei Parts sich treffen, die eine Idee haben, ist es nicht entscheidend, wer den Knopf drückt, sondern es zählen die Vision und das Resultat. Das klingt, als wäre vorher alles Scheiße gewesen, aber das war es ja überhaupt nicht.

Aber im Endeffekt fühlt sich »Left« aber trotzdem doch persönlicher an, eigenständiger?
Basti: Absolut. Wir hatten auch Phasen, in denen wir nicht weiterkamen und uns fragten, ob wir nicht doch wieder jemanden dazu holen sollten. Wir haben uns dann aber für »Augen zu und durch« entschieden. Da war dann unser Ehrgeiz geweckt. Jetzt würde ich es wieder machen, jetzt haben wir das Album fertig und sind autark und unabhängig. Jetzt hätte ich kein Problem, zwei oder drei Produzenten ins Studio zu holen …
Ali: Zwei oder drei gleich …?
Basti: Klar, warum nicht. Wir haben jetzt eine andere Ausgangsbasis, der Druck ist raus.

Was ist der Gedanke hinter dem Albumtitel »Left«? Und versteht sich »Left« als »links« – politisch oder als schlichte Richtungsanzeige – oder »allein gelassen«? Hätte es nicht auch »Freed« heißen können?
Ali: Da kannst du alles reininterpretieren. Teils viel Besseres, als würde es »Right« heißen. Also wenn du so fragst, ist es natürlich auch ein politisches Statement. (lacht)
Basti: Es steckt natürlich schon eine Geschichte dahinter.
Ali: Das Cover dazu, das leere Sofa, das sagt ja schon einiges darüber.
Basti: Der Titel ist in unserer Findungsphase entstanden, als wir überlegten, welche Richtung wir einschlagen wollen, ob mit Unterstützung oder allein. Wir haben uns dann mal für links entschieden. (lacht)

Wie erwähnt ist Khan ein wichtiger Bestandteil des Albums. Wie ist es dazu gekommen? Welche Rolle spielten Schnäpse in Mexiko?
Basti: Wir haben uns zufällig dort über einen gemeinsamen Bekannte beim Abendessen getroffen. Es ging zum Auflegen, der Khan kam mit und die Flasche Tequila war am nächsten Morgen leer. Wir haben uns mit einem Monsterkater zum Frühstück getroffen. Da haben wir Khan dann erzählt, dass wir gerade ein neues Album layouten und gefragt, ob er nicht Lust hätte, über das eine oder andere mal drüber zu singen. Wieder daheim haben wir ihm einige Layouts geschickt, und die kamen alle mit seinem Gesang zurück. Das Ergebnis war magisch, ein totaler Wow-Effekt. Daran haben wir dann auch bis zur Fertigstellung des Albums nicht mehr viel machen müssen.
Ali: Das hat sich so stimmig angefühlt, dass wir da dann angesetzt haben. So erst entstand die Idee, das inklusive Live-Projekt auszubauen. Erst da wurde konzeptioneller gedacht. Alles passierte von Beginn an ganz natürlich und hat sich schon in dem Punkt zu vielen vorangegangenen Prozessen unterschieden.

Bei all der Khan-Lobhudelei wollen wir aber auch mal die anderen Gäste nicht unter den sprichwörtlichen Tisch fallen lassen. Gesanglich sind noch Mama und Emily Karpel dabei, und an der Trompete – man höre und staune – Element of Crime-Frontman und Autor Sven Regener. Wie entsteht denn so was?
Ali: Den haben wir jetzt aber mal nicht mit aufs Cover bei den Featurings genommen, das klingt doch zu sehr nach Namedropping.
Basti: Die Charlotte von unserem Management ist die Ehefrau vom Sven Regener. Die Idee ist nicht im Schnaps, aber im Bier entstanden. Der Sven ist ein Freund von uns, ein toller Musiker und Künstler, und Bier trinken mit ihm macht Spaß. Er kann gut Gitarre und Trompete spielen, so kam es dann dazu. Wir haben das noch in den Hall geschickt, aber es ist die original Trompete von Sven Regener.

Neben Schnaps- und Bierideen wie diesen, was sorgt noch dafür, dass man sich nach 15 aktiven Jahren im Musikproduktionsgeschäft nicht selbst oder andere wiederholt, sich immer wieder neu erfindet, ohne sich dabei völlig zu verlieren?
Ali: Das Rad erfinden wir sicherlich nicht neu. Die Zusammenarbeit mit Khan hat aber gleich mal eine andere Linie vorgegeben. Wir haben auch vorher darüber gesprochen, ob wir dem Ganzen ein Konzept zugrunde legen, haben uns dann immer dagegen entschieden, irgendeine Strömung nach zu produzieren. Wir haben schnell gemerkt, dass wir nur nach innen gucken müssen. Wir haben so viel gemacht und immer Wert darauf gelegt, dass wir uns neu erfinden, und da war klar, dass wir das nicht durchbrechen dürfen. Wenn du Singles produzierst, richtest du dich sicherlich mehr nach Trends und dem DJ-Diskurs, aber das war mit dem Album direkt außen vor.

Live werdet ihr das Album als Trio auf die Bühnen bringen, aber auch weiterhin zu zweit Auflegen, oder wie ist euer Plan für die kommenden Monate? Und wie lässt sich der Tourstress noch mit dem Privatleben vereinen?
Basti: Toll wäre, wenn wir ein bisschen live spielen, dann wieder auflegen – so im Wechsel. So ein Live-Auftritt ist ja nicht immer erst spät in der Nacht und auf eineinhalb Stunden konzentriert. Das ist auch intensiv, aber es wäre schon gut, wenn es sich die Waage mit dem Auflegen hält.
Ali: Wichtig ist, dass es immer Spaß macht und nicht zur Dienstleistung verkommt. Basti ist ja schon lange in festen Händen, und manchmal beneide ich ihn. Da kommt er total durch von einem Wochenende nach Hause und da steht dann schon das lecker gekochte Abendessen auf dem Tisch.
Basti: Dann bring dir doch selbst mal eine mit von den Touren. (lacht)
Ali: Hab ich schon probiert, ist schief gegangen. (lacht) Wir kennen etliche DJs, die verheiratet sind und Kinder haben. Ich glaube, das ist alles nur eine Frage, wie du damit umgehst. Das kann nämlich echt helfen, wenn man heim zu Frau und Kindern kommt und sich dafür am Abend selbst lieber zurück hält.
Basti: Ich habe Anfang des Jahres drei Monate keinen Alkohol getrunken, nicht geraucht und kein Fleisch gegessen und bin völlig klar im Kopf durch die Welt gelaufen. Das geht ja auch. Einen Kater hatte ich am nächsten Tag nach dem Auflegen trotzdem – dank Lautstärke und Schlafentzug. Aber das geht auch. Es steht ja nirgendwo geschrieben, dass man sich jedes Wochenende den Kopf abschrauben muss.

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