Verhältnismäßig jung ist ziemlich alt

Verhältnismäßig jung ist ziemlich alt

Wieder ein Jahr älter. Ändert sich auch erst mal nichts an diesem einen Tag, macht man sich ja dennoch so seine Gedanken. Zum Beispiel darüber, wie es sein wird, wenn das Thema Alter das Leben bestimmt. Werde ich dann in sozialen Netzwerken nur noch kluge Sprüche darüber posten, wie egal oder gar geil es ist, alt zu werden?

„Alternde Menschen sind wie Museen: Nicht auf die Fassade kommt es an, sondern auf die Schätze im Innern.“ – „Es kommt nicht darauf an, wie alt man ist, sondern wie man alt ist.“ – „Unanständig jung bleiben ist viel interessanter als mit Anstand alt werden“ – „Zerstreutheit ist eine höhere Form der Konzentration“

Leitsätze wie diese, mitunter von klugen Köpfen in die Welt gesetzt, gibt es viele. Sie alle dienen dazu, sich das eigene Altern schön zu reden. Doch wie geil oder egal ist es tatsächlich? Die Freizeitaktivitäten werden sich irgendwann aufgrund körperlicher Gebrechen auf ein Minimum reduzieren. Konzertebesuche sind nur noch möglich, wenn die Location bestuhlt ist. In Clubs wird einem der Einlass verwehrt, weil einen der Türsteher für ein hysterisches Elternteil oder einen Zivilbullen hält – was aber egal ist, weil die Musik dort für die tinitusgeschädigten Ohren ohnehin zu laut ist. Vom flackernden Strobolicht in den vor lauter Altersweitsichtigkeit ermüdeten Augen mal ganz abgesehen. Abgelöst werden die „Ich bin so eine coole Alte“-Posts dann irgendwann von Umfragen zu den besten Rheumasalben und gerade angesagten Kaffeefahrten.

Männer behaupten ja schon immer, mit dem Altern keine Probleme zu haben. Dass das eine Lüge ist, liegt auf der Hand. Die einen suchen sich mit 51 Jahren zum wiederholten Male eine 28-jährige Freundin („“Nein, diesmal ist es ganz ungefährlich und bestimmt nicht so wie in den vorherigen Fällen.“ – Zitat L. Matthäus) oder geben vor, sich freiwillig neuen/alten Aufgaben zu widmen. Wenn Männer, die jahrzehntelang die TV-Landschaft prägten, mehr oder wenig freiwillig wieder ins bildlosen Radio zurückkehren (H.E. Balder, T. Gottschalk, F. Elstner), darf man stutzig werden.

Ich tröste mich damit, dass 40 das neue 30 ist, mit 66 Jahren das Leben ohnehin erst anfängt und der zweite Frühling mit den dritten Zähnen kommt. Bis dahin ist aber wohl noch ein wenig Zeit …

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