„Widows – Tödliche Witwen“ – Zweckgemeinschaft mit Frauen-Power

„Widows – Tödliche Witwen“ – Zweckgemeinschaft mit Frauen-Power

Im neuen Film von „12 Years A Slave“-Regisseur Steve McQueen treffen vier unterschiedliche Frauen aufeinander, die ihre kriminellen Ehemänner verloren haben. Ihre Schulden einen sie und so planen sie ihren ganz eigenen Coup.

Die Vorlage zu „Widows – Tödliche Witwen“ stammt aus Großbritannien. Bereits in den 1980er-Jahren erschien dort die Mini-Serie „Widows“, die Regisseur Steve McQueen zu seinem vierten Spielfilm inspirierte. Statt in London finden wir uns rund 35 Jahre später in Chicago wieder.

Bei einem der Raubzüge einer Verbrecherbande geht irgendetwas gehörig schief. Am Ende einer wilden Verfolgungsjagd steht eine gewaltige Explosion, die vier Ehefrauen verwitwet zurücklässt. Und als wäre die Situation nicht schon schlimm genug, hat Veronica (Viola Davis) nun auch noch Stress mit dem brutalen Gangster Jamal Manning (Brian Tyree Henry). Dem hatte ihr Mann (Liam Neeson) vor seinem Tod zwei Millionen Dollar entwendet, die er nun gern zurück hätte. Dabei ist es ihm völlig egal, wie Veronica das anstellt, denn er braucht das Geld, um seinen Wahlkampf gegen Jack Mulligan (Colin Farrell) zu finanzieren. Doch Veronica kann auf die Unterstützung zumindest zweier anderer Witwen hoffen. Gemeinsam mit Linda (Michelle Rodriguez) und Alice (Elizabeth Debicki) und mit Hilfe eines vererbten Notizbuchs will sie den größten Coup durchführen, den ihr Mann je geplant hatte.

Wilder Genre-Mix mit Längen

So ganz kann sich McQueen nicht für ein Genre entscheiden. Der Film schwankt immer wieder zwischen feministischem Heist Movie, humoristischem Rache-Thriller, spannendem Polit- und aufwühlendem Beziehungsdrama, untermalt von der Musik von Hans Zimmer. Getragen wird die Story dann aber vor allem von der Verzweiflung, in der die Räuber ihre Frauen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen zurücklassen. Damit passt „Widows“ gut in McQueens Drama-Portfolio.

In „Hunger“ thematisierte der 1969 in London geborene Filmemacher den 1981 von IRA-Mitglied Bobby Sands ausgerufenen Hungerstreik im nordirischen Maze-Gefängnis. Das Regiedebüt von 2008 mit Michael Fassbender in der Hauptrolle bekam eine „Goldene Kamera“. 2012 erzählte McQueen in „Shame“ von einem smarten Mittdreißiger – erneut gespielt von Fassbender – zwischen Alltagsroutine und einem ausschweifenden Sexleben. „12 Years A Slave“, die Geschichte des Afro-Amerikaners Solomon Northcup, der nach seiner Versklavung erbittert um seine Freiheit kämpft, bekam 2014 einen Oscar als „Bester Film“. McQueen war außerdem als Regisseur nominiert, musste sich aber Alfonso Cuarón („Gravity“) geschlagen geben. Dennoch gilt er seither als große Hollywood-Hoffnung und „Widows – Tödliche Witwen“ als einer der am heißesten erwarteten Filme des bald endenden Jahres.

Oberflächlich gezeichnete Charaktere

Veronica ist ein Leben im Luxus und voller Liebe gewöhnt. Jetzt sieht sich ganz allein einem gnadenlosen Gangster gegenüber, der seine Millionen einfordert. Linda kann ihren Laden nicht mehr halten und weiß nicht, wie sie ihre zwei Kinder durchbringen soll. Und Alice, befreit von ihrem geliebten, aber brutalen Gatten, schreckt nicht davor zurück, ihr Glück als Escort zu versuchen, um ihre finanzielle Situation zu verbessern. In Flashbacks werden die Beziehungen zu ihren Ehemännern angeschnitten, doch statt emotionaler Tiefe verleiht dies dem Film eine Überlänge, die bei Ungeduldigen eher zu Ermüdung führt.

Für die zahlreichen, oft zu losen Handlungsstränge war neben McQueen die Erfolgsautorin Gillian Flynn zuständig. Dass die ein Händchen für überraschende Wendungen und die kluge Zeichnung weiblicher Charaktere hat, bewies sie bereits mit Büchern wie „Gone Girl – Das perfekte Opfer“ und „Dark Places – Gefährliche Erinnerungen“. Dieses Mal bleiben die handelnden Personen aber schablonenhaft, was vermutlich der Komplexität der Geschichte geschuldet ist.

Denn „Widows – Tödliche Witwen“ ist durchaus kurzweilig, will aber immer ein bisschen zu viel. Neben dem eigentlichen Kriminalfall werden rassistische, politische und geschlechterspezifische Fragen aufgeworfen, alle jedoch nur oberflächlich abgehandelt. Oft wird ein Thema angeschnitten und nicht zu Ende erzählt, was dem Ganzen die Dynamik raubt. Für einen Oscar dürfte es dieses Mal eher nicht reichen. Für zwei einigermaßen unterhaltsame Stunden im Kino dagegen schon.

Previous post „The House That Jack Built“ – Gewaltexzess in Lars-von-Trier-Manier
Next post „Dogs of Berlin“ – Identitätskrisen im Sumpf der Hauptstadt