Mit der Reihe „Achtsam Morden“ feiert Karsten Dusse auf dem Belletristik-Markt schon länger Erfolge. Nun kommt der erste Teil als Serie zu Netflix. In acht Episoden stellt sich Tom Schilling als Anwalt dank viel Achtsamkeitstraining so manch tödlichem Problem.
Mit Filmadaptionen von Romanen ist das ja so eine Sache. In den seltensten Fällen kann das Ergebnis die Leser und Leserinnen der Buchvorlage überzeugen. Das liegt in der Natur der Sache, bieten 90 oder 120 Minuten doch viel zu wenig Erzählzeit. So muss auf einige wichtige Teilaspekte einer Geschichte oft verzichtet werden. Eine Serie kann hier deutlich mehr in die Tiefe gehen und der Ursprungsidee gerechter werden. So geschehen bei der Umsetzung von Karsten Dusses erstem Teil der inzwischen fünf Bücher umfassenden Erfolgsreihe „Achtsam Morden“.
Work-Life-Balance in der Unterwelt
Die 2019 erschienene und jetzt adaptierte Story des Juristen und Autors Dusse handelt von Rechtsanwalt Björn Diemel (Tom Schilling), der gern gleichwertiger Partner in der Kanzlei wäre, für die er seit Jahren hart schuftet. Stattdessen muss er sich aber um den unbeliebtesten Klienten des Hauses kümmern: Mafiaboss Dragan (Sascha Geršak). Der ist ein skrupelloser und brutaler Gangster, für den Björn immer wieder die juristische Drecksarbeit erledigt. Als Dragan einmal mehr über das Ziel hinausschießt und sich dabei auch noch filmen lässt, ist sein Anwalt endgültig am Ende seines Juristenlateins. Wie soll er ihn da wieder rausboxen? Und so rät Björn Dragan, für eine Weile unterzutauchen. Doch dieser Plan eskaliert, als Björn sich seiner annehmen soll, obwohl er doch gerade mit seiner Tochter Urlaub machen will. Bald hat Björn aber ein ganz anderes Problem: einen toten Unterweltboss, dessen Ableben er vor dessen Schergen, der Gangster-Konkurrenz sowie der Polizei verschleiern muss.
Dass ihn seine Ehefrau Katharina (Emily Cox) nach dem aus beruflichen Gründen verpassten Geburtstag der Tochter zum Besuch eines Achtsamkeitstrainings genötigt hat, damit er seine Work-Life-Balance besser in den Griff kriegt, kommt Björn zu seiner eigenen Überraschung jetzt gerade recht. Nach anfänglicher Skepsis seinem Coach Joschka Breitner (Peter Jordan) und dessen Methoden gegenüber, überträgt der Workaholic diese schließlich doch in seinen stressigen Arbeitsalltag. Durch Atmen und Fokussieren gelingt es ihm, die auf ihn zu rollenden Katastrophen immer wieder abzufangen. Mit Gelassenheit lassen sich Folter, Mord und Totschlag gleich viel besser ertragen, und es bleibt sogar noch Zeit für das Familienleben. Natürlich spitzt sich die Lage dennoch weiter zu, und auch Björns alte Bekannte Nicole Egmann (Nicole Hammerstein), die als Kommissarin gegen Dragan und Co. ermittelt, ist seinem Geheimnis auf der Spur.
Nah an der Buchvorlage
Wie eingangs erwähnt, bietet eine Serie mit acht rund 30-minütigen Folgen genug Erzählzeit, um einer Buchvorlage einigermaßen gerecht zu werden. Abgesehen von der Entscheidung, eine Frau statt einen Mann ermitteln zu lassen, haben sich Doron Wisotzky, Anneke Janssen und Michael Kenda beim Schreiben der Drehbücher tatsächlich weitgehend an Karsten Dusses Original gehalten. Darin erzählt Björn Diemel selbst seine Geschichte. Die Serie bedient sich nun zum einen seiner Off-Erzählerstimme, zum anderen durchbricht die Hauptfigur immer wieder die vierte Wand und wendet sich direkt an die Zuschauenden. Ein Kniff, der inspiriert sein dürfte von Serien wie „House of Cards“ oder „Fleabag“. Wer „Achtsam Morden“ gelesen hat, kann sonst aber eher wenige Überraschungen erwarten.
Unter der Regie von Martina Plura und Max Zähle wechseln sich entspannte Szenen in der lichtdurchfluteten Praxis von Coach Joschka mit düsteren Episoden aus der Unterwelt ab. Sie erzählen mit Situationskomik, Klamauk und markigen Sprüchen von Björns Verwandlung. Wir erleben, wie der recht zarte Anwalt vom unentspannten Rechtsverdreher zum völlig entspannten Familienvater mit dunklen Geheimnissen avanciert. Es gibt eben nichts, das sich mit ein wenig Übung nicht ganz leicht wegatmen lässt.
So weit, so solide
Zugegeben, vieles in „Achtsam Morden“ hat man so schon mal irgendwo gesehen – wenngleich auch nicht unbedingt in dieser Kombination. Wie in „Dexter“ und „Breaking Bad“ gerät ein Mann des Volkes in die Illegalität und schreckt plötzlich auch vor blutigen Sägearbeiten nicht mehr zurück. Während Tom Schilling als Björn Diemel brilliert, Murathan Muslu als kontrollierter und bedachter Dragan-Angestellter Sascha zum überraschenden Sympathieträger wird und Marc Hosemann als überdrehter Krimineller Toni mit ambitionierten Karrierezielen den Cast aufmischt, bleiben andere Nebenfiguren leider recht eindimensional.
Und so werden sich an dieser Serie sicherlich die Geister scheiden. Die einen lassen sich vom schwarzen Humor und der wahrlich großartigen Arbeit Tom Schillings überzeugen. Den anderen gehen die nölige Ehefrau und Helikopter-Mutter Katharina und die arabischen und osteuropäischen Gangster-Stereotypen in ihrer Scherenschnitthaftigkeit vermutlich schnell auf die Nerven. Alles in allem ist „Achtsam Morden“ solide gemacht, wenngleich nicht immer originell, aber immerhin weitgehend kurzweilig.