Adrien Brody: „Gewinnen zu wollen, liegt in der menschlichen Natur“

Adrien Brody: „Gewinnen zu wollen, liegt in der menschlichen Natur“

Nach einem Oscar für „Der Pianist“ 2003 kann Adrien Brody jetzt auf einen weiteren als bester Hauptdarsteller hoffen. Im Interview mit ntv.de erklärt der 51-Jährige, was „The Brutalist“ für ihn besonders macht und was die Rolle mit seinem eigenen Leben zu tun hat.

Nach einem erfolgreichen Abend bei den diesjährigen Golden Globes steht für Adrien Brody und das übrige Team von „The Brutalist“, allen voran Autor und Regisseur Brady Corbet, mit den Oscars gleich das nächste vielversprechende Event auf dem Programm.

Der Film über einen ungarischen Architekten namens Lászlo Tóth, der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg sein Glück in den USA versucht, wo er Höhen und Tiefen durchlebt, ist nicht nur aufgrund seiner Länge von mehr als dreieinhalb Stunden epochal. Auch ist „The Brutalist“ in Bild und Sound so monumental wie die Entwürfe des fiktiven Brutalismus-Künstlers selbst. Das hat dem Drama ganze zehn Oscar-Nominierungen eingebracht, darunter als bester Film, für die beste Regie, das beste Sounddesign, die besten Nebendarsteller, den besten Schnitt und eben den besten Hauptdarsteller.

Im Interview mit ntv.de spricht Adrien Brody darüber, wie es ist, 22 Jahre nach seinem ersten Oscar für „Der Pianist“ erneut nominiert zu sein, was „The Brutalist“ für ihn so besonders macht und was die Rolle mit seinem eigenen Leben zu tun hat.

ntv.de: Sie haben für „The Brutalist“ bereits einen Golden Globe erhalten, und auch ein Oscar könnte drin sein. Es wäre Ihr zweiter nach „Der Pianist“ 2003. Fühlt sich so eine Auszeichnung an diesem Punkt Ihrer Karriere anders an als damals?

Adrien Brody: Ich denke, dass das Alter einem Kontext, Verständnis und eine neue Perspektive gibt. Offensichtlich habe ich mich über viele Jahre hinweg engagiert, sogar schon lange bevor ich meinen ersten großen Moment in der Karriere hatte, in dem ich für meine Arbeit viel Anerkennung bekommen habe. Es ist selten, dass ein Schauspieler oder eine kreative Person so empfangen wird und den Respekt Gleichaltriger erhält. Dafür bin ich wirklich sehr demütig und dankbar, das meine ich ehrlich. Es war ein langer Weg, um Projekte von dieser Komplexität und Größe zu finden, und ich nehme das keineswegs als selbstverständlich hin. Deshalb ist das für mich ein ganz besonderer Moment.

Wären Sie ehrlicherweise enttäuscht, wenn es am 3. März nicht klappt?

Nein, das wäre ich nicht. Ehrlich gesagt denke ich nur darüber nach, wenn ich direkt danach gefragt werde. Ich versuche, meinen Fokus woanders zu behalten. Für mich liegt die Verantwortung darin, zu helfen, das Bewusstsein für diesen Film zu schaffen. Er wird jetzt international veröffentlicht und die Arbeit daran ist abgeschlossen. Ich kann meine Beiträge nicht mehr ändern – ich habe jedes Gramm meines Seins in diese Rolle gesteckt.

Also ist die Arbeit an sich und deren Ergebnis für Sie schon Gewinn genug?

Absolut. Ich bin sehr stolz darauf, Teil eines so künstlerischen Projekts zu sein, und ich bin Brady (Corbet) unglaublich dankbar, dass er mir diese umfangreiche Rolle anvertraut hat. Er hat mir den Raum gegeben, genau die Arbeit zu leisten, nach der ich mich schon lange gesehnt habe. Die überwältigende Menge an Liebe und Anerkennung, die ich für diesen Film erhalten habe, hat mich tief bewegt. Natürlich möchte man immer gewinnen, das liegt in der menschlichen Natur. Aber in gewisser Weise haben wir schon gewonnen, denn das Projekt hat es geschafft, diese Anerkennung zu erhalten – und das ist für mich ein bemerkenswerter Moment.

Machen Ihnen ambitionierte Projekte wie „The Brutalist“ Hoffnung auf mehr Filme dieser Art – gerade in Zeiten, in denen das Kino nicht seine besten Tage erlebt?

Ich konzentriere mich darauf, wo ich gerade stehe, und empfinde dabei vor allem Dankbarkeit. Aber sicher, ich hoffe, dass es in Zukunft noch mehr Möglichkeiten geben wird, an Projekten mitzuwirken, die für mich wirklich Bedeutung haben. Es geht mir darum, diese lebenslange Leidenschaft für das Schauspiel weiterzuleben und das, was ich bin und was ich tue, weiterhin zu teilen. Das ist meine wahre Hoffnung.

Die Rolle des Lászlo Tóth scheint Ihnen jedenfalls auf den Leib geschrieben worden zu sein. War es so?

Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich bin mir sicher, dass ich ein wahrscheinlicher Kandidat für die Rolle war. Ich erinnere mich, dass ich das Drehbuch vor etwa fünf Jahren zum ersten Mal gelesen habe. Damals sollte der Film mit mir umgesetzt werden, doch am Ende hat es nicht geklappt. Es gab dann eine andere Version des Projekts, bei der die Besetzung – nicht nur meine Rolle, sondern auch viele andere Figuren – komplett anders geplant war. Dann kam Covid, was die Produktion zusätzlich erschwert hat, und sie konnten den Film nicht umsetzen. Schließlich haben sie es aber geschafft, die nötigen Ressourcen zusammenzubringen und das Projekt in einer neuen Form auf die Beine zu stellen – dieses Mal wieder mit mir in der Rolle. Das war vor ein paar Jahren. Ich bin wirklich sehr dankbar, dass alles doch noch geklappt hat.

Das Verrückte für mich daran ist, dass Brady Corbet gerade einmal 36 Jahre alt ist … da ist sicher noch viel zu erwarten in den nächsten Jahren.

Tatsächlich. Und er hat bereits die vergangenen sieben Jahre alles dafür getan, „The Brutalist“ umsetzen zu können.

Haben Sie damals gleich geahnt, dass das so ein „großes Ding“ wird?

Ich versuche, wie gesagt, nicht zu weit vorauszuschauen. Ich glaube nicht, dass man auf diese Weise arbeiten kann. Aber ich weiß, dass ich ein Gespür dafür habe, wenn ich ein Drehbuch lese oder ein Projekt sehe, welches Potenzial es haben könnte. Doch das erzeugt keine Erwartungen, es bleibt einfach bei diesem Potenzial. Es gibt so viele Faktoren, die außerhalb meiner Kontrolle liegen. Ich mache das schon, seit ich zwölf Jahre alt bin, und ich verstehe, wie komplex es ist, einen Film zu machen und ihn erfolgreich umzusetzen. Es braucht eine Menge Magie, damit alles zusammenkommt und ein Projekt an den Punkt gelangt, an dem wir heute stehen. Ich gebe alles, was in meiner Macht steht, um zu helfen, das Potenzial auszuschöpfen. Aber vieles entzieht sich meiner Kontrolle. Deshalb gehe ich mit einer Akzeptanz und einem Verständnis in jedes Projekt: Ich tue mein Bestes, arbeite mit dem Team zusammen und lasse es dann so sein, wie es sein soll.

In einem früheren Interview haben Sie gesagt, dass jeder Schauspieler für so eine Rolle wie die in „The Brutalist“ töten würde. Was macht die Figur Lászlo Tóth für Sie so besonders?

Oft sind Protagonisten so geschrieben, dass man sie mag. Sie repräsentieren meist nicht die volle Komplexität, die uns als Menschen ausmacht – all die Fehler, unsympathischen Eigenschaften und inneren Kämpfe, die man überwinden muss, um schließlich einen Ort der Verbindung und des Verständnisses zu erreichen. Aber als ich dieses Drehbuch las, war es von Anfang an offensichtlich, dass Lászlo Tóth ein Mann ist, dessen Umstände extrem herausfordernd und dessen inneres Wesen unglaublich komplex ist. Das ist genau die Art von Rolle, für die jeder Schauspieler alles geben würde. Denn wir alle sehnen uns danach, Authentizität in unserer Arbeit zu finden.

Zumal Sie, wie Tóth, ungarische Wurzeln haben. Das also ist schon mal ziemlich authentisch …

Eben. Ich wusste sofort, dass es enorme Aspekte dieser Figur gab, mit denen ich mich identifizieren konnte. Ich bin mit Ungarisch aufgewachsen, es wurde bei uns zu Hause gesprochen, und ich habe diesen Dialekt mein ganzes Leben lang gehört. Auch die Reise meiner Mutter und meiner Großeltern, ihre Entbehrungen, ihre Widerstandsfähigkeit, um nach Amerika zu kommen, hat mich geprägt. Meine Mutter war Künstlerin und ich habe ihre künstlerischen Neigungen in mir wiedergefunden. All das hat mich tief verbunden mit dem Mann, den ich porträtiere, und mit der Art, wie seine Erfahrungen in meiner eigenen Familiengeschichte widerhallen – die Kämpfe, die meine Vorfahren durchlebt haben, und der Kampf, sich in einer neuen Welt zurechtzufinden. Ich fühlte mich dadurch besonders gut geeignet, Lászlo mit einem hohen Maß an Nachdenklichkeit und Integrität darzustellen. Es war eine Gelegenheit, die Geschichte dieses Mannes auf eine authentische Weise zu erzählen und gleichzeitig meine eigene Verbundenheit zu meiner Herkunft und meinen Erfahrungen einzubringen.

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