Ab dem 18. September ist Alexander Scheer in der RTL+ Serie „Das Haus der Träume“ zu sehen. Mit ntv.de spricht er über das, was ihn mit der Rolle des Arthur Grünberg verbindet, warum die 1920er und die 90er toll waren und welche Herzen in seiner Brust schlagen.
Seit Alexander Scheer 1999 in Leander Haußmanns „Sonnenallee“ auf der Leinwand erschien, ist der Schauspieler aus der deutschen Filmlandschaft nicht mehr wegzudenken. Zuletzt sorgte er bei Fans und Kritikern mit Auftritten in Filmen wie „Gundermann“ – als Gundermann – und „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ – als Anwalt Bernhard Docke – für Begeisterung.
Jetzt ist der 46-Jährige als teils fiktiver „Kaufhaus Jonass“-Gründer Arthur Grünberg in der neuen RTL+ Serie „Das Haus der Träume“ zu sehen. Mit ntv.de spricht Scheer unter anderem über seine Liebe zu guten Anzügen, seine Ablehnung elitärer Clubs und das, was die 1920er in seiner Heimatstadt Berlin mit den 1990ern dort verbindet.
ntv.de: Alexander, als gebürtiger Ostberliner, welchen Bezug hattest du vor diesem Dreh zur Torstraße 1? War dir der in der Serie erzählte Teil der Geschichte dieses Hauses bereits bekannt?
Alexander Scheer: Teilweise, ja. Ich wusste, erbaut wurde es Ende der 1920er-Jahre als Kaufhaus. Ich wusste auch, dass nach 1933 die jüdischen Gründer enteignet und die Zentrale der Reichsjugend, also HJ und BDM, dort einquartiert wurden. Nach Kriegsende war es die Parteizentrale der SED und bis 1995 das Marxistisch-Leninistische Institut. Dann stand es lange leer. Das weiß ich, weil ich in den späten 1990ern dort bei einigen legendären Technopartys zugegen war.
Und an die kannst du dich noch erinnern?
Na ja, ich weiß, dass da ein Tapeziertisch stand, das war die Bar – mit einigen Kästen Bier und härteren Sachen. Und da waren noch zwei Turntables. Sonst weiß ich nur noch, dass wir irgendwann auf dem Dach standen und ich eine Gitarre in der Hand hielt. Meine Finger waren blutig, weil ich so wild gespielt hatte, und unten fuhr die Polizei mit Blaulicht im Kreis. Wir mussten über die Dächer verschwinden. Ich habe mir ein Telefon mitgenommen, das in einem der Büros stand. So ein graues Stasi-Telefon mit vielen bunten Knöpfen neben der Wählscheibe. Das steht heute noch bei mir auf dem Klavier.
Wie ist dein Verhältnis zum Soho House heute? Bist du Mitglied?
Das ist ein internationaler Privatclub. Da halte ich’s mit Groucho Marx: Ich möchte nicht Mitglied in einem Club sein, der Leute wie mich als Mitglieder aufnimmt. (lacht) Ich finde es ganz nett dort, aber auch relativ elitär. Die einzigen Ostberliner im Soho sind die Jungs, die in der Küche arbeiten. Das ist doch eine ziemliche Anzug- und Krawattenveranstaltung mit Privatpool auf dem Dach. Vom ersten Kreditkaufhaus Europas, also von der hehren Idee, auch den nicht so gut Verdienenden im Scheunenviertel die Möglichkeit zu geben, sich etwas zu gönnen, zum Privatclub für George Clooney und Madonna – das ist ein schönes Abbild der letzten 100 Jahre. Es ist ein Haus, das die Geschichte Berlins – oder auch unseres Landes – im Wandel der Zeiten widerspiegelt wie kein zweites.
Dann kann man also mit Spannung erwarten, was mit dem Haus als Nächstes geschieht?
Nun, in diesem Segment wird das Geld ja nicht weniger. Im Soho House finden übrigens auch immer die Berlinale-Partys vom Studio Babelsberg statt. Wenn sich die ganze Filmbranche dort auf dem Balkon im ersten Stock zum Rauchen einfindet und ich jetzt demnächst als Gründer dieses Hauses gelte, bin ich da auch ganz gut aufgestellt. (lacht)
War es für dich als Ostberliner noch mal ein besonderer Anreiz, diese Rolle zu spielen, oder was hat dich – neben den schönen Anzügen – daran gereizt?“DAS HAUS DER TRÄUME“ BEI RTL+
Tatsächlich trage ich gern Anzüge, Hüte, Hemden, gute Schuhe. Wahrscheinlich bin ich der einzige Schauspieler, der mit der Taschenuhr seines Großvaters in der Weste durch den Prenzlauer Berg spaziert. Da habe ich mich schon gefragt, warum Tom Tykwer nicht mal darauf kommt, mich für „Babylon Berlin“ zu besetzen. Es ist toll, dass ich jetzt meine eigene Serie habe, die im Berlin der 1920er-Jahre spielt. Ausschlaggebend war aber die Begegnung mit Regisseurin Sherry Hormann. Wir haben uns in der Mulackstraße im Scheunenviertel getroffen, und sie hat mir von ihrer Vision erzählt. Darauf bin ich sofort angesprungen.
Wie lautete diese Vision genau?
Sie wollte in die Zeit eintauchen und ein großes Familienpanorama entfalten. Und das ist ihr wunderbar gelungen. Die Serie erzählt nicht nur von jüdischem Leben in Berlin und der aufziehenden Nazibedrohung, sondern vor allem von Menschen. Sie erzählt Geschichten von jungen Leuten, die nach Berlin kommen – mit Träumen und mit Hoffnungen. Das ist ja heute nicht anders.
Glaubst du, dass die Zeit damals besonders spannend war, um in die Hauptstadt zu kommen?
Berlin war die Stadt der Stunde. Die drittgrößte Metropole der Welt, das kulturelle Zentrum. Was da los war. Im Theater: Reinhardt, Piscator, Brecht … Im Film: Murnau, Lang, Caligari … In der Kunst: Grosz, Dix, Dada … Das 6-Tage-Rennen, Döblins Alexanderplatz, Erich Kästner, Anita Berber, Rosa Luxemburg, die Gay Community, Albert Einstein … das ist einmalig!
Klingt, als wäre es deine Zeit gewesen, hättest du damals schon gelebt …
Die Arbeit an dieser Serie war auf jeden Fall ein Geschenk. Natürlich auch wegen der Anzüge, von denen einige jetzt meine sind. Überzeugt hat mich aber vor allem Sherry, die sagte: „Ich will von Gesichtern erzählen, von Augen, von Träumen, von hehren Zielen, von Euphorie, von Depression, einer Liebe zwischen den Klassen. Und ich will es auf eine Art tun, die der Zeit gerecht wird.“ Was unser Kameramann Christian Pirjol da gezaubert hat … Wir haben alte Scheinwerfer aus dem Berliner Ensemble bekommen, die dieses warme Stummfilmlicht erzeugen. Die Spiegelungen, die Unschärfen … das alles hat mich interessiert.
Und an der Figur des Arthur Grünberg …?
Der ist im Scheunenviertel geboren, vom Ersten Weltkrieg als hochdekorierter Kampfpilot und narbenübersäter Veteran enttäuscht, hat genug von Kampf und Zerstörung und einen Traum: ein Kaufhaus nicht nur für die Gutbetuchten, sondern auch für die ärmeren Leute im Scheunenviertel. Er will gleiche Chancen und übernimmt die amerikanische Idee des Ratenkaufs. „Jeder hat das Recht, sich über seine Herkunft zu erheben“, sagt er einmal. Die Banken finden das jedoch unseriös, und so muss er sich was einfallen lassen. Er ist ein Träumer und das ist mir nah. Zwei Herzen schlagen auch in meiner Brust: Rock ’n‘ Roll und Business.
Wenn du zurückblickst: Was war deiner Meinung nach die beste Zeit in Berlin? Oder glaubst du, dass dieses Gefühl weniger mit dem Ort oder mit Ost und West zu tun hat als mit der eigenen Jugend?
Ich war ja zweimal 14: einmal im Osten und einmal im Westen, und mittlerweile kriege ich das ganz gut unter einen Hut … Die 90er waren schon nicht so verkehrt. Da bin ich hier aufgewachsen, und Berlin war zu der Zeit die wildeste, die freiste Stadt der Welt. Hier wurde Freiheit zelebriert und gefeiert, als gebe es kein Morgen. Das sind durchaus Parallelen zu den 20ern vor 100 Jahren.
Wenn du heute auf die Stadt schaust: Was ist es, was dich am meisten stört?
Die Immobilienpreise. (lacht)