Seit gut 50 Jahren ist Vincent Damon Furnier nun schon als Alice Cooper unterwegs. Mit „Road“ erscheint sein inzwischen 22. Soloalbum. Im Gespräch mit ntv.de verrät er, wie er sich fit hält und an welchen Stellen sich sein Rockstar-Leben heute von jenem in seinen Anfangstagen unterscheidet.
Seit gut 50 Jahren ist Pastorensohn Vincent Damon Furnier nun schon als Alice Cooper unterwegs. Mit „Road“ erscheint sein inzwischen 22. Soloalbum und das 29. Studioalbum seiner Karriere insgesamt. Darauf lässt er seiner Liebe zum Hard Rock einmal mehr freien Lauf.
Und weil ihm dieses Projekt noch nicht Beschäftigung genug ist, unterhält er seit 2015 mit Schauspieler Johnny Depp und Joe Perry von Aerosmith die Band Hollywood Vampires, benannt nach einer Gruppe trinkfester Musikerkollegen aus den 70ern, zu denen auch Cooper damals gehörte.
ntv.de telefonierte mit dem 75-jährigen Altrocker während der Europatour der Supergroup, als sie gerade in Glasgow Halt machte. In diesem Gespräch verriet Cooper unter anderem, wie er sich fit hält und an welchen Stellen sich das Leben als Rockstar heute deutlich von jenem in seinen Anfangstagen unterscheidet.
Dieses Interview wurde übrigens vor den Schlagzeilen geführt, laut denen Johnny Depp bei einem Konzert der Hollywood Vampires in Budapest nicht auf die Bühne konnte, weil er in einem Hotel angeblich bewusstlos aufgefunden wurde. Und auch die Anschuldigungen gegen Till Lindemann von Rammstein waren eben erst aufgekommen.
ntv.de: Alice, du bist aktuell mit den Hollywood Vampires auf Europatour. Bleibt dir da immer genug Zeit, dir ein Bild der Städte zu machen, die du besuchst?
Alice Cooper: Auf jeden Fall. Meine Frau und ich sitzen nie im Hotelzimmer herum. Sobald wir irgendwo sind, gehen wir sofort in die Einkaufstraße und laufen herum. Ich glaube, nur da bekommt man wirklich ein Gefühl für die Stadt. Beim mehrstündigen Laufen durch die Einkaufstraße, und wenn man dann irgendwo zu Mittag isst.
Das heißt, du kennst Deutschland inzwischen recht gut?
Ich kenne so einige Städte, das stimmt wohl. Wenn wir nach Europa kommen, spielen wir die meisten Shows davon in Deutschland. Neun von 25 in etwa. Wir waren schon oft in München, in Berlin, so viele Male in Frankfurt und Hamburg. Das sind alles wirklich tolle Rock’n’Roll-Städte. Meiner Frau gefällt Hamburg allerdings am besten. Köln ist aber auch super.
Du steckst jetzt gerade mitten in der Tour, währenddessen erscheint dein neues Album. War das so geplant oder haben die Umstände es nicht anders zugelassen?
Ich war seit Anfang Mai mit der Alice-Cooper-Show in den Vereinigten Staaten unterwegs, das waren auch rund 20 Gigs. Danach sind wir mit Hollywood Vampires direkt nach Europa geflogen. Danach geht es wieder zurück in die USA, wo ich bis November erneut meine Cooper-Shows spiele. Ich bin also sowieso die ganze Zeit unterwegs, es wäre demnach gar nicht anders gegangen.
Du bist jetzt ja auch keine 20 mehr. Brauchst du nicht zwischendurch mal Urlaub?
Nun, wenn ich dann im November nach Hause komme, bereiten wir uns auf Weihnachten vor. Das feiern wir mit der ganzen Familie, den Enkelkindern und so. Dafür geht’s nach Maui, wo wir ein Haus haben und zwei Monate bleiben werden.
Wie leicht fällt es dir, dann mal einen Gang runterzuschalten?
Ehrlich gesagt mag ich es, in Bewegung zu bleiben. Wenn ich einen Tag freihabe und nur herumsitze und fernsehe, habe ich das Gefühl, meine Zeit verschwendet zu haben. Ich muss die Dinge wirklich am Laufen halten. Ich denke, das ist es, was mich jung hält. Ich bin jetzt 75 und war nie besser in Form. Ich kann fünf Shows pro Woche spielen, gar kein Problem. Allerdings bin ich auch seit 40 Jahren nüchtern. Ich denke, das hat viel damit zu tun, dass ich nicht trinke, keine Drogen nehme und nicht rauche.https://www.youtube-nocookie.com/embed/jphkAeGSA78?rel=0&showinfo=0
Was man nicht von allen deinen Mitstreitern behaupten kann. Immerhin ist einer deiner Vampires-Bandkollegen Johnny Depp …
Schon, aber wenn du mit Johnny auf der Bühne stehst, wenn du mit ihm zusammen bist, dann ist er absolut scharfsinnig. Er hat durch seinen Lebensstil überhaupt nichts verloren. Er geht auf die Bühne, kennt alle Songs, spielt jeden Abend großartig, liebt die Fans. Ich glaube, das Touren mit der Band ist eine Art Urlaub für ihn, ehe er wieder Filme dreht.
Die Hollywood Vampires bestehen ja nur aus prominenten Musikern. Gibt es da auch schon mal eine Art Konkurrenzkampf um die Gunst der Fans?
Wir sind jetzt seit acht Jahren in dieser Konstellation zusammen. Johnny Depp, Joe Perry und ich … jeder von uns ist auf der Bühne ein Alphamännchen. Aber es gab noch nie Streit. Wirklich noch nie. Jeder respektiert jeden, wir lachen viel zusammen und haben eine Menge Spaß.
Nun erscheint mit „Road“ aber erstmal wieder ein neues Album von Alice Cooper solo beziehungsweise mit seiner Band …
Richtig. Ich wollte, dass meine Tourband zeigen kann, wie gut sie ist. Alle Songs wurden im Studio live eingespielt. Wir haben jeweils nur einen oder zwei Takes gebraucht. Das war’s.
Die erste Singleauskopplung war „I’m Alice“. Muss sich Alice Cooper wirklich noch irgendjemandem vorstellen?
Ich spiele Alice ja nur. Er ist bloß eine Figur, ein aufgeblasener, arroganter Bösewicht. Mir gefiel die Idee, dass er sich selbst vorstellen muss, eben weil er so von sich eingenommen ist. Er muss über sich selbst reden, das ist irgendwie witzig.ALICE COOPER AUF RTL+ MUSIK
Demnach trennst du das lyrische Ich vom Künstler? Eine Diskussion, die im Zuge des Rammstein-Skandals hierzulande zuletzt viel diskutiert wurde …
Tja, was kann ich schon groß dazu sagen? Ich bin seit 47 Jahren verheiratet und habe meine Frau noch nie betrogen. Was unsere Ehe so großartig macht, ist, dass wir uns respektieren und vertrauen. Die Sache mit Rammstein ist ja die, dass noch nichts bewiesen ist … aber wenn das irgendwann der Fall sein sollte, wäre das alles schon schlimm.
Gerne wird das am Thema vorbeigehende Argument hinzugezogen, dass es Groupies ja schon in den 60ern und 70ern gab …
Klar, aber das war eine ganz andere Sache, denn das war einvernehmlich. Es war immer etwas, bei dem beide Parteien einverstanden waren. Ich verstehe nicht, warum ein Rockstar alles dransetzen muss, um ein Mädchen zu bekommen. Man sollte wirklich niemanden dafür unter Drogen setzen. Und eigentlich muss man das auch nicht. Deswegen bin ich von all dem schon ein wenig überrascht.
Letztendlich ist das ohnehin alles schwer zu beweisen, was in solchen Fällen immer das Problem ist.
Auf jeden Fall, das gilt in beide Richtungen. Die eine Person sagt, es war einvernehmlich, die andere sagt, er hat sich mir aufgedrängt. Wem glaubt man? Wir hatten den Fall schon bei Marilyn Manson. Da hat dann plötzlich die eine Hälfte der Frauen gesagt, er habe sie gezwungen. Sie änderten ihre Geschichte. Ich versuche immer, es von beiden Seiten zu betrachten, denn sich einer Frau aufzudrängen, ist absolut falsch. Nur so lange nichts bewiesen ist, fälle ich darüber kein Urteil.
Kommen wir zurück zum Album. Deine Bandmitglieder haben auch Songs dafür geschrieben, richtig?
Ja, sie haben Songs mit ins Studio gebracht, ich habe dann nur noch die Texte geändert. Das mache ich immer, denn nur ich weiß ja wirklich, was Alice wie sagen will. Ich nehme einen Song in der Form, in der er ist, schaue mir das genau an und operiere daran herum, bis es ein Alice-Cooper-Song ist.
Das ist dann auch live eine ganz andere Herangehensweise als mit den Hollywood Vampires, nehme ich an …
Absolut. Es sind zwei sehr unterschiedliche Arten von Show. Die Alice-Cooper-Show ist viel mehr choreografiert, sie ist präziser. Ich spiele eine Figur, die nie mit dem Publikum interagiert. Er ist eher ein Captain Hook oder ein Jack The Ripper, diese Art von Charakter. Bei den Vampires bin ich nur der Leadsänger, dann spreche ich auch mit den Zuschauern. Und ich spiele Gitarre. Wir sind mehr wie eine Bar-Band mit wechselnden Rollen.
Die Hollywood Vampires sind also eine Bar-Band, die vor 15.000 Leuten spielt, und Alice Cooper ist eher ein Musical?
Genau. (lacht) Die meisten Kritiker schreiben, dass man uns anmerkt, wie viel Spaß wir auf der Bühne haben. Man merkt, dass wir alle beste Freunde auf der Bühne sind, und das Publikum liebt das. Bei der Alice-Show geht es viel mehr um die Hits, aber es ist eine Storyline, eine ganze Geschichte. Es ist wie ein dunkles Musical. (lacht)
Du hast eben schon erwähnt, dass du seit Mitte der 80er-Jahre abstinent lebst. Würdest du heute sonst wohl ein anderes Leben führen?
In der Highschool und auf dem College war ich 1500-Meter- und 3000-Meter-Läufer. Ich glaube, ich habe diesen Körper einfach beibehalten. Ich habe nie viel zugenommen, nie geraucht und eben vor 40 Jahren mit den Drogen aufgehört. Ich schätze, jetzt belohnt mich mein Körper dafür. Allerdings esse ich auch nicht viel, und auf der Bühne verbrennt man dann auch noch eine Menge Kalorien.
Ist es nicht gerade im Rock’n’Roll-Business schwierig, nüchtern zu bleiben, wenn alle um einen herum mindestens Alkohol trinken?
Also ich liebe es. (lacht) Und schau dir die Bands von damals an, die so Höllenhunde waren wie ich seinerzeit – Guns ‚N Roses, Mötley Crüe, die Rolling Stones … Heutzutage findet man nur noch selten einen Typen bei einer tourenden Band, der Drogen nimmt. In meiner Band ist zum Beispiel keiner. Und wenn sie trinken, dann vielleicht mal ein bisschen Wein oder ein Bier. Ich habe noch keinen von ihnen betrunken gesehen. Die meisten sind zudem verheiratet. In den 70ern war das keiner. Da waren irgendwie überall Mädchen. Heute ist das anders, da siehst du selten jemanden, der zu high oder zu betrunken zum Spielen ist. Das passiert nicht mehr.