„Alter weißer Mann“: Sein täglicher Kampf mit der Wokeness

„Alter weißer Mann“: Sein täglicher Kampf mit der Wokeness

In „Alter weißer Mann“ stolpert Jan Josef Liefers als solcher über so manchen woken Fallstrick, auch wenn er eigentlich nur alles richtig machen will. Über eine zwar gefällige Komödie, die dennoch einiges an Diskussionsstoff bietet und von einer besseren Welt träumen lässt.

Der Blick in die Talkshows und Schlagzeilen der letzten Wochen hat mal wieder gezeigt, dass die Medienbranche mit so manchem „alten weißen Mann“ geschlagen ist. TV-Dinosaurier mit angestaubten und unverrückbaren Ansichten, die sich heute einfach nicht mehr schicken – um sich mal ihrer Sprache zu bedienen. Und sie werden nicht müde, dies zu beklagen. Ein Phänomen, das sich auch im Privaten ein ums andere Mal zeigt.

Es sind Männer, die nicht akzeptieren wollen, dass die Welt sich verändert und es eher lästig finden, dass heute auch Frauen und ‚weitere Randgruppen‘ auf ihre Rechte pochen. So eine Person ist Heinz Hellmer, die Hauptfigur aus Simon Verhoevens neuer Komödie „Alter weißer Mann“, nicht. Zumindest möchte er so eine Person nicht sein.

Alter weißer Mann, was nun?

Heinz (Jan Josef Liefers) ist dreifacher Familienvater und bei der Fernfunk AG fürs Marketing zuständig. Diesen Job macht er nicht erst seit gestern, doch gefühlt seit gestern lauert hinter jeder Ecke ein Shitstorm. Alles muss jetzt politisch korrekt sein, jede Gesellschaftsgruppe ausreichend gewürdigt werden. Und während Heinz versucht, mit Unterstützung seiner Kollegin Kiraz (Meltem Kaptan) alles richtig zu machen, läuft vieles falsch. Unter anderem verwechselt er die asiatisch gelesene Unternehmensberaterin Lian Bell (Yun Huang) mit einer Servicekraft und sieht sich so eher auf der Abschuss- denn auf der erhofften Beförderungsliste. Ausgerechnet jetzt, wo er aufgrund eines blöden Tippfehlers doch die Familienersparnisse verzockt hat.

Doch Heinz ist bemüht, dazuzulernen und gesellschaftlichen Entwicklungen offen gegenüber zu stehen. Um seinen Fehler auszubügeln, soll er sich, seine Familie und die Firma bei einem Abendessen vor Bell im progressivsten Licht präsentieren. Dann, so verspricht ihm sein Chef Dr. Steinhofer (Michael Maertens), ist Heinz die Beförderung sicher. Dass seine Ehefrau Carla (Nadja Uhl) das Dinner ausrichten soll, ist gleich der nächste Fauxpas, denn natürlich ist Kochen nicht automatisch Frauensache. Dieser zugegeben nicht ganz neuen Erkenntnis werden noch einige weitere folgen.

Am Ende findet sich Heinz im Zuge der Vorbereitungen auf das woke Event zwischen Nachtleben, Genderfluidität und Non-Binarity in der Hauptstadt wieder und lernt nicht nur seine älteste Tochter, sondern ein bisschen auch sich selbst neu kennen. Was er hier erlebt und über die Vielfältigkeit des Menscheins erfährt, lässt Heinz am Ende sogar den Silicon-Valley-geschulten Schmierlappen Alex (Elyas M’Barek) und seine KI namens SAM abschmieren.

Fettnäpfchen pflastern seinen Weg

Mag der Trailer noch den Eindruck vermitteln, dass Heinz auch nur einer von vielen alten weißen Männern ist, die unbelehrbar auf Gegenwart und Zukunft blicken, so steht schon gleich zu Beginn des Films fest, dass er anders tickt. Er will auf keinen Fall der ständig meckernde Opa sein, zu dem sein Vater Georg (Friedrich von Thun) geworden ist. Ihm ist nicht per se alles Neue fremd, und doch stehen ihm Erziehung und Sozialisation aus grauer Vorzeit oftmals im Weg. Und so stolpert Heinz von einem woken Fettnäpfchen ins nächste. So mancher Kinobesucher seines Alters – fast egal, welchen Geschlechts – dürfte sich dann und wann ertappt fühlen.

Regisseur und Autor Simon Verhoeven, selbst mit 52 Jahren nicht mehr ganz taufrisch, zudem definitiv weiß und männlich, will weder verurteilen noch beschönigen. Ein bisschen scheint es, als habe er eigene Gedanken und Erfahrungen mit den öffentlichen Diskussionen der vergangenen Jahre verwoben, um daraus eine einigermaßen gefällige Komödie zu stricken, die uns die Welt zeigt, wie sie sein könnte.

Erklären ohne Zeigefinger

Doch trotz dieser Gefälligkeit wird „Alter weißer Mann“ – zumindest bei einigen Zuschauern – hoffentlich als Denk- und Diskussionsanstoß funktionieren. Und zwar bei jenen, die eben bloß den Trailer gesehen und beim Kauf eines Kinotickets darauf spekuliert haben, dass sich der Film über die „links-grün versiffte Woke-Bubble“ so richtig doll lustig macht. Das tut er nämlich nicht, und so dürfte diesen Menschen das Lachen schon auch mal mitsamt ihrem Popcorn im Halse stecken bleiben, weil sie ihr eigenes beschränktes Denken wiedererkennen und vorgeführt sehen.

Es werden einige heikle Themen unserer Zeit – von Sexismus über Rassismus bis Homophobie – zwar nur angerissen, aber ohne erhobenen Zeigefinger. Sie werden mit Respekt behandelt und so serviert, dass auch der Dümmste vielleicht endlich kapiert, dass man People of Colour nicht fragen sollte, „woher sie denn eigentlich kommen“.

Damit wird der Film zwar nicht die Welt verändern, doch er bietet kurzweilige Unterhaltung mit einigen guten, einigen schmerzhaften und auch einigen müden Lachern sowie einer sympathischen Hauptfigur. Den Gottschalks, Hallervordens und Nuhrs dieser Welt sei der Kinobesuch also durchaus empfohlen.

Previous post Die Fantastischen Vier: „‚Long Player‘ ist ein sehr egozentrisches Album“
Next post Jan Josef Liefers: „Cancel Culture ist versuchte Selbstjustiz“