„Andrea lässt sich scheiden“: Düstere Posse aus der österreichischen Provinz

„Andrea lässt sich scheiden“: Düstere Posse aus der österreichischen Provinz

Mit „Andrea lässt sich scheiden“ kommt die zweite Regiearbeit von Josef Hader in die Kinos. Hier treffen zwei einsame Menschen in einer Ausnahmesituation aufeinander, was zu schwarzhumorigen Dialogen und schwerwiegenden Entscheidungen führt.

Eigentlich ist der Titel von Josef Haders zweitem Film irreführend. Denn Andrea möchte sich zwar scheiden lassen, doch dazu kommt es nicht mehr. Mehrere unglückliche Umstände treffen aufeinander, sodass statt Andrea, die Geschiedene, Andrea, die Witwe, aus ihr wird. Doch von vorn …

Andrea (Birgit Minichmayr) ist Streifenpolizistin in der niederösterreichischen Provinz. Nicht mehr lange, und sie wird von hier verschwinden – weg von Ehemann Andy, aber auch raus aus der so schönen wie öden Kulisse und dem so idyllischen wie eintönigen Landleben. Selbst im Job, der sie tagein, tagaus die wenig befahrene Landstraße herauf- und herabführt, passiert nichts Nennenswertes. Und so soll es für sie bald zur Kripo in die Landeshauptstadt gehen. Eine Entscheidung, die Andy nicht gut aufnimmt, hofft er doch noch immer auf eine Versöhnung.

Ein Toter, zwei „Täter“

Nach einem schnapsseligen Abend seinerseits kommt es vor der Dorfkneipe zum Streit zwischen den Noch-Eheleuten, in dem Andrea ihm klarmacht, dass es kein Zurück gibt. Dem folgt wenig später ein harter Aufprall auf der Motorhaube ihres alten Golfs. Danach ist Andy tot und Andrea von der Unfallstelle geflüchtet. Als kurz darauf Religionslehrer Franz (Josef Hader) die Stelle passiert, überfährt er Andy ein zweites Mal, ohne zu ahnen, dass der bereits tot war.

Der trockene Alkoholiker, ohnehin nicht gerade vom Leben, der Liebe und dem Glück geküsst, gesteht Andreas Kollegen, was er (nicht) getan hat. Er möchte für Andys Tod büßen, schaltet in den Modus Selbstzerstörung und begibt sich im Angesicht seiner angeblichen Schuld immer weiter in die Abwärtsspirale aus Einsamkeit, Suff und tristen Schlagernächten in der Dorfdisco. Das alles geschieht vor Andreas Augen, in der das schlechte Gewissen zu rumoren beginnt.

Nach seinem Regiedebüt „Wilde Maus“ von 2017 ist „Andrea lässt sich scheiden“ die zweite Regiearbeit von Schauspieler und Kabarettist Josef Hader. Er plaudert aus dem erzählerischen Nähkästchen eines Mannes, dem das Landleben nicht fremd ist. Jeder glaubt, alles über die anderen zu wissen, und doch haben alle ihre Geheimnisse. Das Leben wirkt entsättigt, entschleunigt und von allen guten Geistern verlassen. Wer vom Dorf kommt, kennt’s – ganz gleich, in welcher Provinz er aufwachsen ist. Auf Stadtmenschen wirkt das alles vielleicht etwas surreal und immer auch ein wenig traurig.

Dorfmenschen reden … wenig

Birgit Minichmayrs Blick verrät den Kummer, den Frust und die Leere, die in Andrea wohnen und derer sie sich erfolglos zu entledigen versucht. Ihre skurrilen Begegnungen mit dem nicht minder unglücklichen Tropf Franz führen zu schwarzhumorigen Dialogen, die für Nicht-Österreicher nicht immer leicht zu verstehen sind, und so manchem Missverständnis. Überhaupt ist Kommunikation bei keinem der wenigen Protagonisten eine Kernkompetenz. Das meiste Gesagte wirkt unbeholfen und gehemmt. So ist auch das Verhältnis von Andrea zu ihrem Noch-Kollegen (Thomas Schubert) nicht sehr eng. Einzig ihr zukünftiger Kollege (Robert Stadlober) aus der Landeshauptstadt kommt aus dem Reden oft nicht heraus. Städter halt.

„Andrea lässt sich scheiden“ ist ein Film wie ein langer, ruhiger Fluss, der an manchen Stellen besonders tief, schwarz und abgründig ist. Idylle, Langeweile und Frustration treffen aufeinander und bedingen sich, sodass es am Ende womöglich nur Verlierer gibt.

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