Anke Engelke hat „Das letzte Wort“

Anke Engelke hat „Das letzte Wort“

Karla Fazius verliert unerwartet ihren Ehemann. Ihr wird klar, dass Hinterbliebene mehr brauchen als warme Worte von der Stange. Als Nachwuchs-Trauerrednerin will sie diesen Angehörigen helfen und stößt dabei auf Dankbarkeit, aber auch auf Zweifel.

Für manche Menschen – Ärzte und Bestatter mal ausgenommen – ist der Tod noch immer ein Tabuthema, auch wenn er zuletzt aufgrund von Covid-19 allgegenwärtig schien. Ihn humoristisch aufzugreifen, trauen sich nicht viele. Zu gefährlich ist die Gratwanderung, sich zwischen Kitsch, Klamauk und Pietätlosigkeit zu verlieren. Allerdings haben unter anderem schon „Six Feet Under“ und „After Life“ bewiesen, dass es möglich ist. Nun hat es Pantaleon Film gewagt und mit „Das letzte Wort“ die nächste deutschen Produktion für den Streaming-Riesen Netflix abgeliefert.

Im Mittelpunkt der Dramedy-Serie „Das letzte Wort“ steht Karla Fazius, gespielt von Anke Engelke, deren Ehemann Stefan (Johannes Zeiler) von einem Aneurysma unangekündigt mitten aus dem geordneten Leben gerissen wird. Zurück bleibt eine Frau, die ihre Trauer nur kurz hinter blindem Aktionismus verschleiern kann, ein verstörter Teenager-Sohn (Juri Winkler), eine der Familie schon früh entflohene und nun zurückkehrende Twentysomething-Tochter (Nina Gummich) und Karlas renitente wie pflegebedürftige Mutter Mina (Gudrun Ritter).

Die Planung der Trauerfeier weckt in Karla das Bedürfnis, der angestaubten Veranstaltung „Beerdigung“ einen anderen, lebensbejahenden Drive zu verpassen. Zunächst der des eigenen Ehemannes, im Anschluss auch die der Kunden von Bestatter Andreas Borowski (Thorsten Merten), der Karlas Begeisterung nicht immer teilt. Doch Karla sieht es als eine Art Berufung, auch anderen durch individuelle Trauerreden über den Schmerz hinwegzuhelfen und dem Verstorbenen die letzten Worte zuteilwerden zu lassen, die seinem lebenden Ich entsprochen hätten. Zur selben Zeit verarbeitet sie selbst den Verlust ihres Mannes, der lange ein Geheimnis vor ihr verbarg …

Eine gelungene One-Woman-Show

In sechs Folgen erzählt „Das letzte Wort“ von Karlas holprigen Weg heraus aus der ersten Phase der Verleugnung über Selbstzweifel und Wut bis hin zur Neuorientierung. Ein durchaus bekanntes psychologisches Modell, das Regisseur Aron Lehmann nach einer Idee des Schauspielers Merten genommen hat. Den wiederum trieb der Wunsch nach einer Serie über einen Trauerredner seit dem Tod des eigenen Stiefvaters um. Dem damals zuständigen Redenschreiber war es nicht gelungen, dem Toten gerecht zu werden, sodass Merten den „Job“ schließlich selbst übernahm.

Anke Engelke für die Hauptrolle zu besetzen, war eine gute Idee, versteht sie es doch, Komik und Drama so zu vereinen, dass es anrührend, aber nie peinlich ist. Eine andere deutsche Schauspielerin wäre dafür kaum infrage gekommen. Dass sie in ihren Rollen noch nie eitel war, kommt Karla Fazius zugute, denn oft wirkt Engelke älter, als sie üblicherweise scheint, was die Figur authentisch macht. Allerdings verblassen die anderen Charaktere neben ihr und „Das letzte Wort“ wird zu einer reinen Engelke-Show. Mal melancholisch, mal absurd lustig und situationskomisch. Also durchaus eine gelungene Auseinandersetzung mit einem fälschlicherweise tabuisierten Thema.

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