Annett Louisan: „Ich mache Musik für Menschen, nicht nur Muttis“

Annett Louisan: „Ich mache Musik für Menschen, nicht nur Muttis“

Eineinhalb Jahre nach der Geburt ihres ersten Kindes kehrt Annett Louisan ins Musikgeschäft zurück – mit einem Doppelalbum. Wie Töchterchen Emmylou ihr Leben und die Musik auf „Kleine Große Liebe“ beeinflusst hat, erzählt sie n-tv.de im Interview.

Bald fünf Jahre ist es her, dass Annett Louisan mit „Zu viel Information“ ihr letztes Studioalbum veröffentlichte. Dem folgten 2016 die Teilnahme am VOX-Format „Sing meinen Song“ und mit „Berlin, Kapstadt, Prag“ eine Sammlung ihrer liebsten Coversongs. 2017 kam dann der wohl wichtigste Moment in Louisans bisherigem Leben: Die Geburt von Tochter Emmylou Rose.

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Nach hormongeschwängerten Monaten im Mutter-Tochter-Rausch gibt es mit „Kleine Große Liebe“ nun eine Art Comeback und gleich ein Doppelalbum der 41-Jährigen. Wie gewohnt changieren die zwanzig Songs zwischen Chanson und zartem Pop. Und sie zeichnen sich – ebenfalls wie von Louisan gewohnt – durch ein ausgefeiltes Songwriting und Texte zwischen Melancholie und Humor aus. Sie erzählen aus ihrem Leben, ohne dabei das Muttersein in den Vordergrund zu rücken. Warum das so ist, was Hormone mit ihr gemacht haben und welches heute ihre größte Angst ist, hat Annett Louisan n-tv.de im Interview erzählt.  

In den fünf Jahren seit Ihrem letzten Studioalbum hat sich bei Ihnen offenbar einiges angestaut. Immerhin so viel, dass es für ein Doppelalbum reicht …

Annett Louisan: In den fünf Jahren ist definitiv viel passiert. Es war eine sehr intensive Zeit, besonders für mich persönlich. Es waren Übergangsjahre, Ende und Neuanfang eines Lebensabschnittes. Solche Zeiten sind sehr inspirierend. Angefangen zu Texten habe ich Mitte 2015, dann habe ich als Zwischenstation das Coveralbum „Berlin, Kapstadt, Prag“ aufgenommen und veröffentlicht. Ich wusste, dass die Reise noch nicht zu Ende ist und bin weitergeschritten. Dass es ein Doppelalbum wird, habe ich erst letzten Sommer gemerkt. Ich habe damit begonnen, Lieder fürs Album auszusuchen und konnte irgendwie keins von ihnen wegstreichen, weil alle für das große ganze Bild wichtig sind.

Nach welchen Kriterien sind die Stücke dann auf „Große Liebe“ beziehungsweise auf „Kleine Liebe“ gelandet, in die das Album unterteilt ist?

Musikalisch und inhaltlich, aber vor allem zeitlich. Früher habe ich immer in „blond“ und „brünett“ gerechnet, heute fühlt sich das Leben vor und nach der Geburt meiner Tochter anders an. Ich habe mich verändert, mein Leben hat sich verändert. Einige Dinge bleiben. Die Liebe zur Musik zum Beispiel.

Was aber hat sich also verändert?

Jeden Tag finde ich neue Puzzlestücke auf dem Weg zu mir selbst. So ein Kind ist eine Reise ins Ich. Das Thema Mutter empfinde ich als die Mutter aller Themen. Ich habe die 40 überschritten, ich bin Mutter geworden. Es sind Jahre, in denen man sich mit sich selbst beschäftigt, mit seiner Vergangenheit, in denen auch Fragen auftauchen. Was haben die letzten 20 Jahre mit mir gemacht und wo will ich überhaupt hin? Ich bin mein eigenes Klischee, aber so war es einfach. Man könnte es als eine Art Midlife-Crisis bezeichnen oder es wie eine Bestandsaufnahme sehen. Ich glaube, der Mensch wird nicht vernünftig, weil er will, sondern weil er muss.

Und das haben Sie erst durch die Geburt Ihrer Tochter erfahren?

Man lernt sich als Mutter noch mal ganz neu kennen und wird von Hormonen überrannt. Aber auch ohne diese Erfahrung ist man sich in der Mitte seines Lebens hoffentlich schon etwas nähergekommen. Ich habe in dem ersten Jahr nach der Geburt keinen Song schreiben können. Ich war so glücklich und in einer Symbiose mit meiner Tochter, dass ich gar nicht auf die Bühne wollte. Ich war dankbar, dass mich innerlich wie äußerlich nichts gestresst hat. Weder hatte ich finanziellen Druck, noch hatte ich das Gefühl, etwas zu verpassen. Dafür war ich sehr dankbar.

Hatten Sie Angst, nie wieder schreiben zu können vor lauter Glück? Oft gehört ja ein gewisses Maß an Unglückseligkeit zum kreativen Prozess dazu. „Art never comes from happiness“, hat der Schriftsteller Chuck Palahniuk es mal ausgedrückt …

Ich habe in der Zeit wirklich ein bisschen geglaubt, nie wieder etwas anderes zu brauchen. Ich war wie in einer kleinen behüteten Blase. Ich wusste auch, dass es früh genug wieder losgeht. Stück für Stück kommt man wieder zurück in die wirkliche Welt und das ist auch gut so. Das erste Jahr ist ganz anders als das zweite. (lacht)

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Da will das Kind dann plötzlich etwas von einem, hat seinen eigenen Kopf …

Richtig, es wird anspruchsvoller. Es will seine Ziele erreichen, ständig unterhalten werden. Das ist Wahnsinn. (lacht) Ich hätte übrigens nie gedacht, dass ich mal so viel Angst habe würde. Angst, dass meiner Tochter oder mir selbst was passiert. Das kannte ich vorher gar nicht. Die Vorstellung, dass ich mein Kind nicht aufwachsen sehe, macht mich manchmal schier verrückt. Zeit im Allgemeinen empfinde ich heute als wertvoller.

Stücke dieser Thematik fehlen auf dem Album allerdings.

Ich wollte kein reines Mutti-Album machen. Die Liebe zu meiner Tochter hat natürlich mein Songwriting beeinflusst, aber es gab noch so viele andere Themen und Fragen in vielerlei Hinsicht.

… mit denen man eben nicht nur die Muttis erreicht …

Ich möchte jedenfalls Musik für Menschen machen, nicht nur für Mütter.

Vor allem nehmen Sie das Leben und die Liebe gern mit feinem Humor. Zumindest ist das in Ihren Texten so. Lässt sich das auf Ihr Privatleben übertragen?

Mein Mann und ich haben sehr viel Humor in unserer Beziehung und können so sehr über uns lachen. Ich bin sowieso ein Freund davon, wenn es wirklich ernst wird, mit Humor zu kontern. Die Tristesse des Lebens bekämpfen mit Kunst, mit Schönheit und Humor.

Wie autobiografisch ist „Kleine große Liebe“ also? Treten sie manchen Menschen in Ihrem Umfeld mit Ihren Texten auch schon mal auf den sprichwörtlichen Schlips?

Nein, ich bin ja kein Denunziant und lasse immer noch viel Platz für Fantasie. Ich singe von Menschen, über Menschen, auch über mich. Je näher ich mir bin, desto näher bin ich auch meinem Publikum. Wir haben alle einen gemeinsamen Nenner und Dinge, die in jeder Familie passieren. Deshalb muss ich ein bisschen bei der Wahrheit bleiben, damit sie allgemein gültig ist. Ich habe kein Interesse daran, eine heile Welt darzustellen. Damit könnte ich Menschen nicht zum Lachen oder zum Weinen bringen.

Ab Juli geht es auf große Tournee durch Deutschland, Österreich und die Schweiz, die letzten Termine sind Ende November. Wie lässt sich das mit dem Familienleben vereinbaren?

Ich habe schon mal eine Nanny-Agentur in Hamburg kontaktiert, aber irgendwie bin ich da noch nicht weitergekommen. Mein Mann wird mich aber unterstützen. Das Einzige, was klar ist, ist, dass ich meine Tochter nicht zuhause lassen kann und will, aber wir werden uns das schon schön machen. Wir reisen im Nightliner. Wenn ich auf der Bühne stehe, schläft sie. Und wir werden sicher jeden Zoo dieser Republik kennenlernen.

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