Apocalyptica: „Ohne Metallica würde es uns nicht geben“

Apocalyptica: „Ohne Metallica würde es uns nicht geben“

Vor 28 Jahren starteten Apocalyptica mit der Idee durch, Metallica-Songs auf vier Celli einzuspielen. Nun setzen sie dieses Projekt mit einem zweiten Coveralbum fort. Mit ntv.de spricht Eicca Toppinen über die Gründe dafür und die langjährige Freundschaft zu Hetfield und Co.

28 Jahre ist es her, dass Apocalyptica mit der wahnwitzigen Idee durchstarteten, Metallica-Songs auf vier Celli nach- und einzuspielen. Seither ist die Band aus Helsinki dick im Geschäft, coverte weitere Bands wie Slayer, Faith No More und Sepultura, kann aber auch auf diverse Eigenkreationen verweisen.

Nun gibt es eine Fortsetzung ihres Debüts. Für „Apocalyptica Plays Metallica Vol. 2“ haben sich die Finnen Songs wie „Right The Lightning“ und „St. Anger“ vorgenommen und dabei sogar Unterstützung von Metallica -Frontmann James Hetfield erhalten. Im Interview mit ntv.de spricht Apocalyptica-Gründungsmitglied Eicca Toppinen über die Gründe für das Follow-Up, sein persönliches Verhältnis zu Metallica und das berufliche zu Deutschland.

ntv.de: 1996 habt ihr das erste Metallica-Coveralbum abgeliefert, das zu eurem Durchbruch führte. Warum habt ihr euch so lange bitten lassen, ein zweites aufzunehmen?

Eicca Toppinen: Wir haben uns nicht wirklich dagegen gewehrt. Natürlich war die Idee schon immer da, eines Tages noch ein weiteres Metallica-Coveralbum zu machen. Aber wir hatten einfach andere Dinge zu tun, die wir interessanter fanden. Als wir 2000 mit den Aufnahmen zum ersten Album anfingen, waren wir auf der Suche nach unserer Identität als Band. Am Anfang waren wir nur eine Gruppe von Musikern, die Metal auf dem Cello spielten, ich würde uns damals nicht einmal als Band im klassischen Sinne bezeichnen. Es war wichtig für uns, unsere Originalmusik zu erkunden, um herauszufinden, was wir tun können, um unseren Sound zu entwickeln und unseren Arbeitsstil zu definieren.

Warum jetzt?

Es gab für uns einen guten Grund. Die Messlatte liegt natürlich ziemlich hoch, und es sollte etwas Besonderes werden. Es sollte sich für uns besonders anfühlen. Jetzt schien der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein, dieses Projekt anzugehen.

Wart ihr euch innerhalb der Band darüber von Beginn an einig?

Es gab Gespräche darüber. Einer von uns meinte, das sei aufregend, aber es kam auch die Frage auf, ob es langweilig wäre, ein weiteres Cover-Album zu machen. Doch wir haben das Ganze neu betrachtet und fanden es sehr spannend, weil die große Herausforderung darin bestand, das Rad neu zu erfinden. Es ging darum, etwas zu schaffen, das nicht bloß eine Kopie des ersten Albums ist. Wir wollten einen Weg finden, Metallicas Musik aus einer neuen Perspektive und in einem neuen Licht zu präsentieren. Wir haben uns selbst herausgefordert und uns die Sache nicht leicht gemacht.

Und ihr hattet die volle Unterstützung von James Hetfield, Lars Ulrich und Co.?

Ja, wir sind schon lange mit Metallica befreundet, da wir im Laufe der Zeit viele gemeinsame Projekte hatten, wie etwa Auftritte bei Jubiläumsshows. Ich habe sogar auf der Hochzeit von Lars Ulrich gespielt. Dadurch sind wir enge Freunde geworden. Unsere ursprüngliche Idee war aber gar nicht, Metallica in dieses Projekt einzubeziehen. Doch während wir an den Arrangements arbeiteten, kamen immer wieder neue Ideen auf. Irgendwann dachte ich mir, ich spreche mal mit Lars darüber, was wir vorhaben, und schaue, ob er die Ideen spannend findet. Sie fanden sie sogar sehr aufregend, und deshalb schlossen sie sich uns an.

Und so sind James und Bassist Robert Trujillo als Gäste dabei … und sogar der 1986 verstorbene Cliff Burton.

Bevor wir anfingen, an Songs zu arbeiten, hatten wir noch keine konkreten Pläne. Doch als wir die Musik entwickelten, kamen Vorschläge auf, wie etwa Cliff Burtons Bass-Spur für ein Solo zu nutzen oder Rob zu bitten, Bass bei „The Four Horseman“ zu spielen. Und natürlich auch James, der die Texte sprechen sollte. Die Idee, gesprochene Texte zu haben, bestand allerdings schon vorher. Als wir überlegten, wer das machen könnte, dachten wir zunächst an verschiedene Schauspieler. Aber letztlich wäre es natürlich ultimativ, wenn James es selbst machen würde. Ich dachte, es würde nicht passieren, aber ich wollte ihm die Idee präsentieren und schauen, was er davon hält. Er liebte sie.

Wieder nicht fehlen darf natürlich auch Ex-Slayer-Drummer Dave Lombardo …

Er war unser erster Schlagzeuger und hat seitdem bei fast jedem Apocalyptica-Album als Special Feature mitgewirkt. Als wir an „Blackened“ arbeiteten, hatten wir das Gefühl, dass wir die gleiche Energie wie im Original brauchen. Aber es wäre auch cool, den Groove von Dave hinzuzufügen. Dave hat einen ganz besonderen Stil und Sound in seinem Spiel, der das Stück auf eine andere Ebene hebt. Deshalb haben wir ihn angerufen. Er kam ins Studio und machte sein Ding, und das Ergebnis war fantastisch.

Theoretisch ist der Job als fester Schlagzeuger bei Apocalyptica seit Anfang des Jahres doch frei, oder? Mikko Síren ist ausgestiegen …

Ja, aber wir haben einen neuen Schlagzeuger für die Tour. Er hat bereits mit uns gespielt, bei der Release-Show in Helsinki. Wir haben die Vereinbarung, dass er diese Tour begleiten wird, und danach werden wir sehen, wie es weitergeht.

Was hat sich in Sachen Produktion und Herangehensweise vom ersten Metallica-Coveralbum zum zweiten verändert?

Als wir unser erstes Album gemacht haben, waren wir klassische Cellisten, die Metallica-Songs spielen wollten. Wir hatten keine Erfahrung im Studio und wussten im Grunde nicht, wie wir das Projekt angehen sollten, weil niemand zuvor etwas Ähnliches gemacht hatte. Es war also ein großes Experiment für uns, bei dem wir herausfinden mussten, wie alles funktioniert. Unser Werkzeugkasten war sehr begrenzt, weil wir noch nach den richtigen Tools suchten. Die ersten Versionen waren den Originalen sehr ähnlich – der Hauptunterschied war, dass wir die Songs mit Celli spielten. Diesmal haben wir uns jedoch viel mehr Freiheit gegeben, weil wir das schon lange wollten. Wenn Apocalyptica Coverversionen gemacht hat, war unser Ziel immer, dass sich der Song letztendlich wie unser eigener anfühlt. Unsere Version sollte sich so anfühlen, als wäre es unser Song, auch wenn er ursprünglich von jemand anderem stammt.

Wie habt ihr das hergestellt?

Wir haben einen völlig neuen Ansatz gewählt. Wir wollten die Versionen großartig und aufregend klingen lassen, egal, ob wir einige Teile weglassen oder nur bestimmte Schlüsselelemente der Songs nehmen und darauf aufbauen. Wir sind in die Essenz jedes Songs eingetaucht und haben versucht, herauszufinden, was ihn ausmacht. Dann haben wir diese Elemente aufgenommen und sie auf eine neue Art und Weise präsentiert. Es war sehr aufregend, aber auch eine große Herausforderung. Es gab viele Songs, die wir unbedingt spielen wollten, aber wir mussten feststellen, dass sie in einer apokalyptischen Version einfach nicht großartig klangen. Deshalb haben wir einige dieser Songs übersprungen. Wir wollten, dass jede Version sich wie eine großartige neue Interpretation des Originals anfühlt.

Vor 28 Jahren gab es noch kein Streaming. Hat auch das für euch etwas verändert? Wie hältst du es persönlich?

Mein Musikhören hat sich im Laufe der Zeit verändert. Ich denke, es gibt viele Probleme bei den Vergütungsmodellen, besonders bei Spotify und anderen digitalen Plattformen. Die müssen dringend verbessert werden. Dennoch finde ich es positiv, dass die Musik heutzutage publikumsorientiert ist und es keine Gatekeeper mehr gibt, durch die man hindurch muss. In der Vergangenheit war es oft so, dass viele Künstler es schwer hatten, ihre Musik bekannt zu machen, Demos landeten ungeöffnet bei den Plattenfirmen. Viele Künstler beklagen sich darüber, dass sie kaum Geld für ihre tausend oder zehntausend Streams auf Spotify bekommen. Doch auf der anderen Seite wäre ihre Musik in der alten Welt vielleicht nie gehört worden. Daher versuche ich, die digitale Revolution nicht zu verurteilen. Es gibt gute und schlechte Seiten, aber ich konzentriere mich lieber auf die positiven Aspekte.

Was bedeutet das für euch als Band konkret?

Für uns bedeutet das zum Beispiel, dass wir das Glück haben, eine große Hörerschaft und eine treue Fangemeinde zu haben. Trotzdem geben wir oft mehr Geld aus, um die Musik zu produzieren, als wir direkt einnehmen. Aber die Möglichkeit, unsere Musik einem breiten Publikum zugänglich zu machen, ist eine große Chance, die es früher nicht gab.

Hast du eigentlich einen persönlichen Metallica-Lieblingssong? Hat sich diesbezüglich im Laufe der Zeit etwas geändert?

Ich habe keinen ultimativen Favoriten, aber „The Call Of Ktulhu“ war schon immer einer meiner absoluten Top-Songs von Metallica und ist es immer noch. Es ist ein Stück, das mich immer wieder begeistert. „Blackened“ ist ebenfalls ein erstaunlicher Song, aber er trifft mich nicht in jeder Stimmung. Manchmal passt ein Solo besser, je nach meiner Laune. Daher habe ich keinen speziellen Lieblingssong. Mein Lieblingsalbum ist jedoch „Ride The Lightning“. Dieses Album als Ganzes spricht mich einfach am meisten an und hat eine besondere Bedeutung für mich.

Vielleicht erübrigt sich die Frage angesichts dessen, dass ihr ein zweites Metallica-Coveralbum gemacht habt, aber … gab es auch schon mal Momente, in denen es euch genervt hat, auch Jahrzehnte nach dem ersten fast ausschließlich mit dieser Band in Verbindung gebracht zu werden?

Es ist vielmehr so, dass es ein Teil von uns ist und der Grund, warum wir existieren. Ohne Metallica, unsere Liebe zu ihrer Musik und ohne das Cellospielen würden wir als Band nicht existieren. Daher stört es mich persönlich nicht, wenn Leute auch beim dreitausendsten Mal die gleiche Frage stellen: „Wie seid ihr auf die Idee gekommen, Metallica zu covern?“ Ich habe diese Frage unzählige Male beantwortet. Warum sollte man sich darüber ärgern? Es ist ein Teil dessen, was wir sind, und es gehört zu unserer Geschichte. Es hat uns bekannt gemacht, und deshalb ist es völlig in Ordnung, wenn sie immer wieder danach fragen. Natürlich hoffe ich, dass die, die uns nur von unseren Metallica-Covern kennen, sich die Zeit nehmen, auch unsere anderen Werke zu entdecken. Wir haben eine Menge Musik, die meiner Meinung nach noch interessanter ist als unsere Coverversionen.

Die Leute kommen auf jeden Fall zu euren Konzerten. Im Herbst stehen einige Termine in Deutschland an. Wie ist euer Bezug zu dem hiesigen Publikum?

Deutschland war schon immer großartig für uns. Es war das erste Land, das wir 1997 bereisten, und die Unterstützung der deutschen Fans war über all die Jahre hinweg ungebrochen, unabhängig von den musikalischen Veränderungen, die wir vorgenommen haben. Wir haben so viel Zeit in Deutschland verbracht, dass es sich fast wie ein zweites, drittes oder sogar viertes Heimatland für uns anfühlt. Es ist immer ein bisschen wie nach Hause kommen, da wir dort seit 27 Jahren regelmäßig auftreten. Das deutsche Publikum ist einfach fantastisch. Sie sind sich sehr bewusst, was sie mögen und was nicht, und das schätze ich sehr. Wir freuen uns immer sehr, in Deutschland zu spielen.

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