Seine Freunde kann man sich aussuchen – im besten Fall sollte man das auch ganz gewissenhaft tun. Seine bucklige Verwandtschaft dagegen nicht, die ist wie sie ist. Und irgendwo dazwischen liegt die liebe Nachbarschaft. Natürlich kann ich den Einzug in die 140qm-Altbaubude mit Holzdielen, Stuck und 30qm-Dachterrasse in bester Lage für 350 Euro warm ablehnen, weil mich der Mieter aus dem 3. Stock bei der Wohnungsbesichtigung im Flur schon so schräg von der Seite angeschaut hat.
Mache ich aber nicht.
Wie es um die Nachbarschaft wirklich bestellt ist, erfährt man ohnehin erst einige, meist wenige Wochen nach dem Einzug. Hört der Typ über mir möglicherweise mit Vorliebe um 8 Uhr an jedem Samstagmorgen Happy Hardcore und feilt an seinen Jumpstyler-Quatlitäten? Unterhält die dickbusige Blondine von nebenan nicht nur eine Liebesbeziehung zu drei verschiedenen Männern, sondern lässt sich von denen auch dafür bezahlen und die Werbetrommel für ihr kleines Unternehmen rühren? Sind die Kinder der Hartz-IV-Familie im zweiten Stock möglicherweise gar nicht autistisch, sondern aufgrund er Vernachlässigung durch die in der Kneipe gegenüber stammsitzenden Eltern einfach psychisch gestört und am Ende gemeingefährlich?
Nun ziehe ich bald um, und sind es auch keine 140qm-Altbau mit Holzdielen, Stuck und 30qm-Dachterrasse, so gab ich mich doch dem optimistischen Gedanken hin, dass ich in Sachen guter Nachbarschaft nur gewinnen könne. Leider lernte ich meine Vormieterin erst nach der Mietvertragsunterzeichnung kennen, so dass mir viel zu spät die Information zuteil wurde, dass mein direkter Wohnungsnachbar ein massives Drogen-, Ordnungs- und Sauberkeitsproblem habe. Sprich: Er ist ein Messie-Junkie oder auch Junkie-Messie. Gratulation! Verschwindend nichtig problematisch erscheint mir dagegen die Leidenschaft meiner anderen Etagennachbarn für harte Technobeats zu allen Tages- und Nachtzeiten.
Mit ein bisschen Glück kann ich ja beide Parteien mit meinem laut und dauerhaft kläffenden sowie bissigen Köter, meinem Faible für Unmengen gleichzeitig brennender Patchouli-Räucherstäbchen und dem ständigen Drang zu zündeln davon überzeugen, dass es sicherlich besser ist, sich ganz schnell etwas anderes zu suchen.