„Aus meiner Haut“: Im Wechselbad der Körpergefühle

„Aus meiner Haut“: Im Wechselbad der Körpergefühle

Alexander Schaad bringt mit „Aus meiner Haut“ einen für deutsche Verhältnisse ungewöhnlichen Film ins Kino. Eso-Sci-Fi-Mystery trifft auf Liebesdrama, wenn Menschen ihre Körper tauschen, um Beziehungsprobleme zu bewältigen und ihr Leben zu überdenken.

„Freaky Friday“, „17 again“, „Solo für zwei“, „Big“, „Switch“, „Face/Off“ – Bodyswitch-Komödien gibt es wie Sand am Meer, doch geht Alexander Schaad mit seinem ersten Langfilm den Körpertausch einmal anders an. Statt auf Klamauk zu setzen, macht er aus dem Thema ein esoterisch angehauchtes Science-Fiction-Mystery-Liebesdrama, das viele große Fragen stellt, allerdings nicht alle zu beantworten weiß. Gemeinsam mit seinem Bruder Dimitrij Schaad, der auch eine der Hauptrollen in „Aus meiner Haut“ übernimmt, hat sich der Regisseur und Autor Gedanken darüber gemacht, welchen Einfluss der Körper jedes einzelnen auf sein Leben und seine Entscheidungen hat.

Leyla (Mala Emde) und Tristan (Jonas Dassler) sind von Leylas alter Freundin Stella auf eine abgelegene Insel eingeladen worden. Die lebt dort im Körper ihres Vaters (Edgar Selge) und bietet anderen Menschen ebenfalls an, ihre Körper – zumindest für einen gewissen Zeitraum – zu tauschen, um neue Erfahrungen zu sammeln und den Blick auf das eigene (Liebes)-Leben zu ändern.

Unterstützung erhält Stella dabei von Roman (Thomas Wodianka), dem ehemaligen Freund ihres Vaters. Für die Session haben sich einige Personen auf dem romantischen Eiland versammelt, darunter auch das Paar Fabienne (Maryam Zaree) und Mo (Dimitrij Schaad), die Leyla und Tristan für das Experiment zugewiesen bekommen. Nach der Zeremonie findet sich Tristan in Mos Körper wieder und Leyla in dem von Fabienne und umgekehrt. Doch wird es nicht der einzige Tausch bleiben, und bei allen positiven Erkenntnissen, die das Ganze bringt, tauchen schnell auch so einige Probleme auf.

Komische Momente sind Randerscheinungen

Wer hat nicht schon mal darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, das Leben eines wunderschönen Models, eines erfolgreichen Sportlers oder eines gefeierten Hollywood-Stars zu leben? Den Körper mit einer x-belieben Person zu tauschen, ist einem dabei sicherlich nicht sofort in den Sinn gekommen. Welchen Vorteil sollte das auch bringen? In „Aus meiner Haut“ geht es allerdings nicht darum, über Nacht besondere Fähigkeiten oder Reichtum zu erlangen, sondern sich selbst in einem anderen Licht zu betrachten.

Tristan beispielsweise ist eher ein ruhiger, zurückhaltender Typ, während Mo laut und prollig ist, ein unangenehmes Großmaul, wie es Buche steht. Als diese beiden Körper nun von der Persönlichkeit des jeweils anderen in Besitz genommen werden, hat das auch Auswirkungen auf ihr Umfeld im Allgemeinen und ihre Freundinnen im Speziellen. Das hat durchaus seine komischen Momente. Und auch Edgar Selge, der eine Mittdreißigerin im Körper eines 70-Jährigen spielt, hat etwas Komödiantisches.

Doch um Komik geht es in „Aus meiner Haut“ eigentlich gar nicht. Wer aufgrund der mysteriösen Stimmung einen Horrorfilm wie „Midsommar“ erwartet, liegt allerdings auch daneben. Vielmehr ist es ein ernsthafter Film, dessen komische Momente beinahe wie Fremdkörper und eher ungewollt erscheinen. Es geht um die Frage von Identität und wie viel der Persönlichkeit durch den naturgegebenen Körper geprägt ist. Verändert es das Innere, wenn das Äußere plötzlich ein anderes ist?

Jeder darf mal jeder sein

Ungewöhnlich ist es auf jeden Fall, verschiedenen Schauspielern und Schauspielerinnen dabei zuzuschauen, wie sie im Wechsel immer wieder dieselben Figuren verkörpern. Wenn Männer Frauen und Frauen Männer spielen – genderfluid ganz neu erzählt. Wohl auch deswegen erhielt „Aus meiner Haut“ bei den Filmfestspielen in Venedig den „Queer Lion“, einen der wichtigsten LGBTQIA+-Filmpreise überhaupt.

Es geht um Sehnsüchte, Wünsche und die Liebe an sich. Wie wichtig ist für die Gefühle der Körper, in dem der Geist des anderen steckt? Hierauf eine universelle Antwort zu finden, ist schwierig, und so gibt sie der Film nur im Speziellen für seine Figuren, wenngleich nicht für alle zu gleichen Teilen. So bleibt von Roman nicht viel mehr als der Körper, den er Leyla zur Verfügung stellt. Von ihm selbst erfährt der Zuschauende kaum etwas.

Es ist ohne Frage ein spannendes Gedankenexperiment, das Alex und Dimitrij Schaad hier wagen und das so im deutschen Kino selten ist. Und auch wenn der Film nicht auf alles eine Antwort liefert, er stellt Fragen, über die man im Anschluss bei einem Glas Wein fantastisch diskutieren kann. „Wie wäre dein Leben, würdest du in meinen Körper stecken?“

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