Kaum eine Geschichte berührt Musikfans so wie die von Amy Winehouse. 13 Jahre nach ihrem Tod kommt mit „Back to Black“ nun ein erstes Biopic über die britische Soullegende in die Kinos. Hier geht zwar nicht alles mit rechten Dingen zu, doch überzeugt Hauptdarstellerin Marisa Abela.
Wer wirklich etwas über Amy Winehouse erfahren möchte, dem sei vorab schon mal die 2016 erschienene und mit einem Oscar ausgezeichnete Dokumentation „Amy“ von Asif Kapadia empfohlen. Das Biopic „Back to Black“ von Regisseurin Sam Taylor-Johnson dagegen verfolgt nicht den Plan, das tragische Schicksal der einzigartigen Soulsängerin lückenlos aufzuklären, die im Alter von nur 27 Jahren starb. In weiten Teilen ist eher das Gegenteil der Fall. Doch von vorn.
Schon als Teenagerin träumt Amy (Marisa Abela) davon, Sängerin zu werden. Damals aber performt sie vor ihrer Familie und später auch auf kleineren Bühnen in ihrem Londoner Heimatviertel Camden. Dabei geht es ihr nie um den großen Ruhm oder das viele Geld, das sie später trotzdem damit verdienen wird. Sie möchte einfach nur ihre Musik mit anderen Menschen teilen, sie mit ihrer Stimme berühren. Unterstützt von ihrem Vater Mitch (Eddie Marsan), der sie managt, unterschreibt sie schließlich aber einen ersten Plattenvertrag, das Debütalbum „Frank“ erscheint. In das vom Label gewünschte Korsett lässt sie sich dennoch nie pressen, bleibt stets unangepasst und eigen. So wird sie parallel auch bald zur Stil-Ikone.
Der Anfang vom Ende
Als Amy eines Tages in einem Pub auf Blake Fielder-Civil (Jack O’Connell) trifft, nimmt das traurige Schicksal seinen Lauf. Die zwei verlieben sich und landen in einer toxischen On-Off-Beziehung, die geprägt ist von Blakes Drogenkonsum. Immer mehr reißt er Amy mit sich, und das auf keine gute Art. Die Abwärtsspirale nimmt weiter Fahrt auf, als ihre geliebte Großmutter Dynthia (Lesley Manville) stirbt.
2006 erscheint das Album „Back To Black“, auf dem Amy Winehouse ihre gescheiterte Liebe zu Blake und weitere tragische Momente ihres noch jungen Lebens verarbeitet und das zu ihrem größten Erfolg wird, aber auch den Anfang vom Ende markiert. Längst versucht auch sie, ihren Schmerz mit Drogen zu betäuben. Abstürze sind an der Tagesordnung, wobei sie konstant von Paparazzi belagert wird. Bilder von der abgemagerten Amy in desolaten Zuständen gehen durch die Presse.
Marisa Abela schlüpft nicht nur in die Kostüme, die denen von Amy Winehouse detailgetreu nachempfunden wurden. Auch nahm die Schauspielerin – die vorher angeblich nicht singen konnte – Gesangsstunden, um beim Dreh alle Winehouse-Songs so gut performen zu können, dass sie der Figur gerecht wird. Das gelingt ihr tatsächlich. Ist man anfänglich noch aufgrund der optischen Unterschiede zwischen den beiden Frauen irritiert, löst sich dieses Gefühl immer mehr auf. Vor allem mit der an Kraft, Stärke und Sicherheit gewinnenden Stimme Abelas verwischen die äußerlichen Unterschiede.
Marisa Abela spielt Amy Winehouse, ohne sie schlicht zu imitieren. Die 27-Jährige stöckelt zwar wie sie in hohen Schuhen über die Bühne, hält das Mikro auf ihre ganz spezielle Art, greift in die Saiten ihre Gitarre und bepöbelt ihr Publikum. Doch am Ende geht es immer eher um die privaten und emotionalen Momente, in denen man den Eindruck hat, ihr nahe zu sein.
Die Guten und die Bösen
Recht schnell ist in „Back to Black“ der Grund für Amys Absturz in Form von Blake Fielder-Civil ausgemacht. Wer nichts über das Leben und die Vorgeschichte von Amy Winehouse weiß, könnte glauben, dass sie allein an seinem Drogenkonsum und dem Verlassenwerden zerbrochen ist. Dass die Musikerin jedoch schon Jahre vorher unter psychischen Problemen litt, als Teenagerin Medikamente nahm und auch dem Alkohol bereits vor dem ersten Aufeinandertreffen mit Fielder-Civil zuträglich war, ist maximal eine Randnotiz. Man muss schon sehr gut aufpassen, damit einem diese Informationen nicht durch die Lappen gehen.
Auch der schwierigen Rolle, die Vater Mitch in dem Leben von Amy Winehouse spielte, wird kein Platz eingeräumt. Er war es, der seine Tochter in Momenten, in denen sie die Einsamkeit suchte, auf die Bühnen und ins Rampenlicht zerrte und keine Rücksicht auf ihre Gefühle nahm. Dass dieses Verhältnis nun derart unkritisch behandelt wird und Mitch wie ein stolzer Vater daherkommt, der nur das Beste für sein Kind will, ist so schwierig wie logisch. Logisch deshalb, weil der Film von der Amy Winehouse Foundation, die Mitch Winehouse leitet, unterstützt wurde. So entschied wohl auch er, was und vor allem wie die Dinge im Film erzählt werden und wer bei der Entwicklung des Stoffs zu Wort kommen durfte.
Viel Oberfläche, aber auch tolle Musik
„Back to Black“ kratzt also nur allzu oft an der Oberfläche, auch wenn es selbst da schon wehtut. Der Film spart Details aus, die für ein umfassenderes und ehrlicheres Bild wichtig gewesen wären. Ob Sam Taylor-Johnson, die zuvor für die „Shades of Grey“-Streifen oder das ebenfalls eher durchwachsene John-Lennon-Biopic „Nowhere Boy“ verantwortlich zeichnete, die Dinge so entschied, weil sie es wollte oder weil sie es musste, ist fraglich. Ohne die Foundation wäre die Verwendung der Musik beispielsweise so wohl nicht möglich gewesen.
Trotz dieser Abzüge in der B-Note ist das Biopic – wenn man es nicht zwingend als solches versteht – ein gelungener Film. Wir schauen einer jungen, unangepassten und talentierten Musikerin in schönen Bildern von Kamerafrau Polly Morgan dabei zu, wie sie sich immer mehr in Richtung Abgrund bewegt. Und obwohl man weiß, wie es am 27. Juli 2011 in London endet, hofft man manchmal für die Hauptfigur, dass sie die Kurve noch kriegt. Dazu gibt es die Songs vom titelgebenden Album zu hören sowie den von Nick Cave und Warren Ellis komponierten Soundtrack drumherum. Und allein dafür lohnt sich der Gang ins Kino schon.