„Blink Twice“: Auf (Alb)traumurlaub durch Rausch und Zeit

„Blink Twice“: Auf (Alb)traumurlaub durch Rausch und Zeit

Zoë Kravitz wechselt für „Blink Twice“ die Seiten und führt erstmals Regie. Dabei kommt ein Mystery-Thriller heraus, der toxischer Männlichkeit mit weiblicher Finesse und schwarzem Humor begegnet. Naomi Ackie und Channing Tatum überzeugen als ambivalente Hauptfiguren.

Zwar kennt man Zoë Kravitz schon lange nicht mehr nur als „die Tochter von“, doch hat sie sich im letzten Jahrzehnt vor allem vor der Kamera einen Namen gemacht. Ihre Auftritte in Filmen wie „Mad Max: Fury Road“ und „The Batman“ wurden gelobt, ihre Darstellung der Hauptfigur Robyn Brooks in der „High Fidelity“-Serienadaption geradezu gefeiert. Für „Blink Twice“ hat die 35-Jährige nun die Seiten gewechselt. Nicht nur zeichnet sie mit „High Fidelity“-Autor E.T. Feigenbaum für das Drehbuch verantwortlich, auch hat sie die Regie selbst übernommen.

Erzählt wird die Geschichte von Frida (Naomi Ackie), die sich gemeinsam mit ihrer besten Freundin Jess (Alia Shwakat) mit Gelegenheitsjobs mehr schlecht als recht über Wasser hält. Das Geld ist zwar knapp, dafür haben die zwei jede Menge Liebe füreinander und einen schwarzhumorigen Blick auf das Leben an sich. Zudem hat Frida eine Schwäche für Tech-Millionär Slater King (Channing Tatum), der gerade geläutert in die Öffentlichkeit zurückkehrt, nachdem er sich aufgrund von Machtmissbrauchsvorwürfen eine Weile daraus zurückgezogen hatte. Bei einem Event seines Unternehmens läuft die dort kellnernde Frida ihrem Schwarm tatsächlich über den Weg und fällt ihm im beinahe wahrsten Sinne des Wortes ins Auge. Der so aalglatte wie attraktive Geschäftsmann scheint ad hoc echtes Interesse an der passionierten Nageldesignerin zu entwickeln. Und so spricht er ganz spontan eine Einladung auf seine Privatinsel aus, auf der Frida und Jess mit einer Gruppe von Freunden Slaters dekadent die Sau rauslassen.

Verlieben, verloren, vergessen, verzeihen?

Tage, Abend und Nächte verschwimmen im Champagner- und Drogenrausch. Es wird gefeiert, gelacht und viel im und am Pool herumgelegen, geflirtet, gescherzt und gut gegessen; welcher Wochentag ist, ist längst vergessen. Doch so hochglänzend dieses Leben auf den ersten Blick auch wirkt – bald ist klar, dass hier irgendwas nicht stimmt. Schon die Angestellten des noblen Anwesens versprühen einen unheimlichen Vibe. Zudem reihen sich immer mehr Merkwürdigkeiten aneinander, die Erinnerungen der Frauen an die nächtlichen Exzesse scheinen getrübt. Ist das ausufernde Leben und die generöse Gastfreundschaft von Slater King zu schön, um wahr zu sein? Wie ehrlich sind seine Entschuldigungen vor laufenden TV-Kameras gewesen?

Reiche Männer machen Reiche-Männer-Sachen in ihrer privilegierten Welt, in der Frauen Mittel zum Zweck und dem eigenen Vergnügen sind. An dieser Stelle nicht zu spoilern, ist schwierig, doch würde es den Spaß an diesem durchweg amüsanten #MeToo-Thriller vielleicht nicht gleich verderben, aber ihn zumindest mindern. Naomi Ackie mimt die zunächst verstrahlte, dann zweifelnde und später wütende Frida so ambivalent wie glaubwürdig. Channing Tatum schwankt als Slater King zwischen abgebrüht und charmant. Seine Entourage, unter anderem gespielt von Christian Slater und Hailey Joel Osment (der Junge aus „The Sixth Sense“), macht den Eindruck einer Truppe, mit der man auch gern mal feiern würde. Ähnlich überdreht wie die Kerle und nicht minder sympathisch sind die Frauen, die sie begleiten. Bei Slaters Therapeuten Rich (Kyle McLachlan) und seiner Assistentin Stacy (Geena Davis) liegt hingegen von Beginn an irgendwas im Argen. Fast alle bleiben allerdings insgesamt recht eindimensional und sind ebenfalls nur Mittel zum Zweck.

Nichts ist, wie es scheint

So viel sei nämlich dann doch schon mal verraten: Es ist – wie so oft im Leben – nicht alles, wie es scheint. Vielleicht ist sogar nichts so, wie es auf den ersten Blick wirkt. Doch wenn Frauen zusammenhalten, anstatt miteinander in Konkurrenz zu treten, können sie auf der Insel wie auch in der patriarchalen Realität etwas verändern. Das zumindest ist die stark vereinfachte Botschaft, die dieser Film transportieren möchte. Dass das ohne erhobenen Zeigefinger gelingt, ist neben Naomi Ackies Frida auch der von Adria Arjona gespielten Sarah zu verdanken. Auf die ihnen immer wieder gestellte Frage, ob sie sich amüsieren, reagieren die beiden Frauen zwar stets mit denselben Worten, doch verändert sich nach und nach die Temperatur ihrer Antwort.

Überhaupt sind es Details, die zunächst nichtig und vernachlässigbar scheinen, am Ende aber ein großes Ganzes ergeben. Kleine Hinweise, die Kravitz gemeinsam mit Kameramann Adam Newport-Berra auslegt wie Brotkrumen und über die der Zuschauer gemeinsam mit Frida später wieder stolpert. Spätestens dann, wenn die Stimmung auf der Insel kippt und die Ereignisse sich in ihrer Brutalität eines Splatter-Movies würdig erweisen, wünscht man sich manches Mal vielleicht ein bisschen weniger Detailverliebtheit. Aber auch das geschieht alles mit viel bissigem Humor und Selbstironie, sodass die Freude am Gemetzel überwiegt. Vor allem dann, wenn man selbst eine Frau ist. Auf Männer könnte das eine oder andere vielleicht verstörend wirken.

„Blink Twice“, der lange unter dem Arbeitstitel „Pussy Island“ gehandelt wurde, ist ein wirklich gelungenes Regiedebüt, das Zoë Kravitz‘ Blick auf das Patriarchat schonungslos freilegt und dabei in vielerlei Hinsicht praktische Lösungsansätze bietet. Go girl!

Previous post Powerwolf: „Wir haben ein Monster erschaffen“
Next post Chilly Gonzales: „Ich bin ein Meister des Clickbaits“