Beim Namen Bülent Ceylan denkt jeder sofort Comedy. Doch der 48-Jährige hat noch eine andere, ziemlich laute Seite und bringt nun ein Heavy-Metal-Album auf den Markt. Wie es dazu kam und warum er alle Menschen außer Nazis liebt, erzählt der Mannheimer im Interview mit ntv.de.
Beim Namen Bülent Ceylan denkt jeder sofort Comedy. Doch der sympathisch-witzige 48-Jährige mit dem langen Haar hat noch eine andere, ziemlich laute Seite und bringt diese nun mit einem Heavy-Metal-Album zum Ausdruck. Für Fans des Mannheimers war das womöglich längst überfällig, denn Metal spielt auch bei seinen Stand-up-Shows immer wieder eine Rolle.
Das Werk trägt den Titel „Ich liebe Menschen“, und zu harten Gitarrenriffs geht es Ceylan in seinen Texten typisch humoristisch an, schlägt zwischen den Zeilen aber auch immer mal ernstere Töne an. Im Sommer wird er nach zwei vorangegangenen Auftritten als Stand-up-Comedian beim Wacken Open Air samt Band dann auf einer der größeren Bühnen stehen. Dem voraus geht eine Clubtour im April mit Stopps in Stuttgart, Frankfurt, Hamburg, Berlin, Hannover und Köln.
Wie es zu all dem kam, was er sich davon verspricht und warum er alle Menschen außer Nazis liebt, erzählt der Mannheimer im Interview mit ntv.de
ntv.de: Bülent, wie lange hast du davon geträumt, ein Metal-Album zu veröffentlichen?
Bülent Ceylan: Wenn du so willst, schon ewig, denn ich habe bereits als Teenager Musik gemacht und in meiner Jugend in Rockbands gespielt. Damals hat es dann aber nicht geklappt, alle sind ihrer Wege gegangen. In der Comedy bin ich auf mich allein gestellt. Ich brauche mich mit niemandem mehr abzusprechen, mache mein Ding, und das hatte ich auch schon immer im Blut. Die Musik habe ich aber immer genauso geliebt, deswegen gibt es am Ende meines Comedy-Programms immer mal ein Lied. Aber ich habe nie jemanden gefunden, der mir hilft und zum Beispiel mal einen Blick auf meine Songtexte wirft, die eventuell anpasst. Jemanden, der mir hilft, auf Deutsch zu singen. Denn das passt zu mir. Es wäre komisch gewesen, wenn ich jetzt plötzlich ein Album auf Englisch gemacht hätte. Es soll schon authentisch sein. Und ich finde, das ist mir gut gelungen. Mein Team und ich sind mega stolz. Jetzt müssen wir es nur noch an die Bevölkerung kriegen. (lacht)
Worauf richtest du dich diesbezüglich ein? Was glaubst du, wie die Reaktionen darauf sein werden?
Wir haben ein sehr gutes Gefühl. Aber ich bin quasi Newcomer mit der Band und muss mich nun erst mal beweisen. Bei den Songs am Ende meines Programms – bei denen ich zum Halbplayback singe – gab es schon Standing Ovations. Dass die Leute so begeistert sind, freut mich. Dazu bekomme ich Bestätigung von Roland Kaiser, Peter Maffay und Saltatio Mortis, mit denen ich Duette gesungen habe. Maffay und Saltatio Mortis sind sogar auf meinem Album dabei. Letztere sind in der Metal-Szene sehr bekannt, und das ist für mich schon ein kleiner Ritterschlag.
Wer sind sonst die Leute, die dir bei der Produktion von „Ich liebe Menschen“ geholfen haben?
Produzent Michael Helberger von den Söhnen Mannheims, der auch für „Sing meinen Song“ verantwortlich ist. Er ist ein toller Produzent, kommt aber nicht unbedingt aus der Rockschiene. Aber er war überzeugt davon, dass ich ein Album machen sollte. Wir haben uns erst mal keinen Druck gemacht, sondern langsam geguckt, was passen könnte. Dann haben wir Henning Verlage gefunden. Er ist so ein geiler Produzent und hat schon Unheilig groß gemacht. Es ist super geil, wirklich ein Genie, was das Komponieren angeht. Dann gab es da noch Songwriter Martin Fliegenschmidt, genannt Fly. Auch ein super geiler Typ. Und Christian Neander, der früher bei Selig war, war auch im Team und hat komponiert, ebenso wie Max Ackermann. Es geht uns nicht in erster Linie darum, dass die Singles große Hits werden. Das wäre natürlich schon toll. Wir müssen vielmehr das Schubladendenken brechen. Wir müssen zeigen: „Hey, das, was Bülent da an Musik macht, ist wirklich gut.“ Wir müssen die Leute einfach überzeugen, fertig, aus.
Du warst schon zweimal als Comedian beim Wacken Open Air. Dieses Jahr kehrst du nun mit Band zurück und wirst auf einer der großen Bühnen stehen. Überwiegt die Angst oder die Aufregung?
Es gibt auch Ängste, natürlich. Ich habe aber schon mal zwei Lieder, die gut zum Wacken passen. „Schmutzige Liebe“ und „Wenn Metaller traurig sind“. Die müssten Metaller eigentlich feiern. Dann haben wir drauf geachtet, richtige Festival-Songs zu haben, darunter „Brüder“ mit Saltatio Mortis. Wenn die Leute beim Wacken das nicht lieben, dann weiß ich auch nicht mehr. Und dadurch, dass sie mich eigentlich schon kennen und wissen, dass ich mit Metal zu tun habe, mögen sie mich als Person schon mal. Wenn ich das alles dann noch einigermaßen rüberbringe und nicht total verkacke, dann könnte ich mir vorstellen, dass das wirklich rockt.
Es gibt auch zwei Balladen auf dem Album. Wie sieht es hier mit der Live-Umsetzung beim Wacken aus? Engtanz statt Wall of Death?
„Wohin du gehst“ habe ich für meine große Tochter geschrieben. Ich bin mir sicher, dass sie auch das mögen werden, nur vielleicht nicht gleich zu Anfang. Es sind schließlich auch Väter im Publikum – oder einfach Leute, die jemanden vermissen.
Gehst du selbst noch auf Konzerte – vielleicht auch, um dich „fortzubilden“ in deinem neuen Job?
Wenn es mal zeitlich passt, dann schon. Momentan ist das aber seltener der Fall. Ich wäre gern zu Metallica gegangen, als sie hier in Mannheim waren, aber ich war leider selbst unterwegs. Das hat mich schon geärgert, weil ich sie noch nie live gesehen habe. Ich weiß auch, dass ein Rammstein-Konzert super sein muss, wenn wir mal von der Sache absehen, die da war oder gewesen sein soll. Ich kenne die Jungs persönlich auch gar nicht, aber die Musik und die Show selbst müssen gigantisch sein. Und da sieht man doch, dass das mit deutschen Texten und Rockmusik großen Erfolg haben kann. Aber ich schlage auch Brücken, wenn ich zum Beispiel mit Roland Kaiser auftrete und wir eine Rockversion von „Santa Maria“ machen. Ich denke, der würde sogar auf Wacken gefeiert, einfach, weil er eine Legende ist und eine Haltung hat und sie ausspricht. Gegen Rassismus zum Beispiel.
Etwas, das du als Comedian, aber auch mit deinem Albumsong „Lieder gegen Nazis“ ebenfalls tust. Bei „Ich liebe Menschen“ kritisierst du, was der Mensch so verzapft: Er fischt die Ozeane leer, trägt Tierhaut zu Modezwecken, rodet den Regenwald. In deinem Stand-up hast du dann aber auch ein Bit, in dem du dich über Veganer lustig machst. Wie geht das zusammen?
Es ist interessant, dass du das ansprichst. Ich habe in meinem Programm eine Figur, Manfred, der sagt: „Ich habe nichts gegen Veganer, ich bin froh, dass irgendjemand das Unkraut frisst.“ Aber das ist in der Figur natürlich überspitzt, und ich mache mich über alles Mögliche lustig. Es geht mir auch gar nicht darum, dass jemand Veganer ist, sondern eher um die Extreme. Ich bin zum Beispiel Christ, aber kein Missionar. Ich zwinge niemandem meinen Glauben auf. Doch es gibt eben Leute, die es mit „ekelig“ kommentieren, wenn sie dich Fleisch essen sehen. Um die geht es. Denn im Grunde finde ich es gut, dass mit Veganismus etwas gegen die Fleischindustrie getan wird. Ich gebe dir da vollkommen recht. Und es ist bei mir die Macht der Gewohnheit, das gebe ich zu. Ich merke selbst, dass es mir besser geht, wenn ich weniger Fleisch esse.
Dann kannst du im nächsten Programm ein Bit gegen militante Fleischesser machen, um einen Ausgleich zu schaffen.
Gute Idee. Und ich mache mich auf der Bühne ja auch immer wieder selbst fertig. Was am Ende für mich zählt, ist, dass bei mir jeder sitzen darf, egal welcher Herkunft, welcher Religion oder Sexualität …
… oder Ernährungsform. Du liebst eben alle Menschen – außer Nazis.
Das stimmt. Aber wenn der Nazi dazu bereit ist, zu reden und sich einzugestehen, dass er Scheiße gemacht hat und sich ändern will, dann würde ich nicht sagen, er soll sich verpissen. Ich würde ihm die Chance geben, sich noch einmal in eine andere Richtung zu entwickeln. Denn das ist doch der große Sieg. Es gibt schließlich auch AfD-Mitglieder, die ausgestiegen sind. Das finde ich toll. Diese Personen müssen eine neue Chance bekommen, dem darf man sich nicht verschließen. Dann wären wir nämlich nicht besser als sie, sondern auch bloß Faschisten.
Glaubst du denn, dass du als Künstler Menschen des rechten Lagers erreichst? Ich würde dein Publikum jetzt schon eher liberal oder linksorientiert einschätzen.
Einer hat mal gesagt, er habe immer was gegen Türken gehabt, und dann war er in meiner Show. Er hatte auch im Arbeitsumfeld türkische Kollegen und durch mich seine Vorurteile abgelegt. Aber du hast natürlich recht. Nur wie erreichen wir diese Leute, die oft schon in Familien groß werden, die so denken. Der Hass wird oft anerzogen.
Wir können nur darauf achten, dass dieser Hass nicht wieder salonfähig wird und diese Menschen dann plötzlich keinen Gegenwind mehr erfahren.
Das ist das Wichtigste. Man muss eine Partei wie die AfD enttarnen, wie bei „Die Welle“. Wir haben immer gesagt, das wird uns nicht noch mal passieren, und jetzt guck, wo wir stehen. Leider muss man sagen, dass einige das wohl genau so wollten. Da muss man als Rechtsstaat eingreifen.
Du hast in deiner Jugend Rassismus erlebt, mit steigendem Bekanntheitsgrad hat das sicher abgenommen. Doch was macht dir als Vater gerade die meisten Sorgen? Ist es der Rechtsruck, oder doch eher das Klima? Oder blickst du positiv in die Zukunft?
Ich versuche, meinen Kindern gegenüber optimistisch zu bleiben, aber innerlich habe ich schon meine Ängste. Meine Kinder haben durchaus Rassismus erlebt, und das ist natürlich scheiße. Und es ärgert mich. Da kannst du auch in einer guten Gegend wohnen, egal. Das hat nur mit Erziehung zu tun. Und es gibt gebildete Leute, die rassistisch sind. Das ist das Gefährliche daran.