Seit Mitte der 1990er-Jahre steht Charly Hübner als Schauspieler auf der Theaterbühne und vor der Kamera. Bei „Sophia, der Tod und ich“ aber führte er mal Regie. Mit ntv.de spricht er unter anderem über die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Buchvorlage sowie seinen persönlichen Antrieb.
Seit Mitte der 1990er-Jahre steht der in Mecklenburg-Vorpommern geborene und in Hamburg lebende Charly Hübner immer wieder auf der Theaterbühne. Doch auch in Kino und TV zählt er zu den beliebtesten Schauspielern unserer Zeit. Den meisten ist er wohl in seiner Rolle als Sascha Bukow aus dem „Polizeiruf 110“ bekannt. Im vergangenen Jahr begeisterte Hübner als heimkehrender Dozent Ingwer Feddersen im Film „Mittagsstunde“ Kritiker wie Publikum, und aktuell spielt er in der RTL+ Serie „Legend of Wacken“ den Festivalgründer Holger Hübner.
Doch auch abseits sowie hinter der Kamera verdingt sich Charly Hübner mehr und mehr. Nicht nur veröffentlichte er 2021 ein Buch über seine Lieblingsband Motörhead, auch führte er unter anderem bei „Wilde Herzen“, einem Dokumentarfilm über Feine Sahne Fischfilet, Regie. Nun kommt mit der Verfilmung des Thees-Uhlmann-Buchs „Sophia, der Tod und ich“ die nächste Regiearbeit des 50-Jährigen in die Kinos. Mit ntv.de sprach er unter anderem über die Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Stoffs und seinen persönlichen Antrieb.
ntv.de: Charly, kanntest du das Buch von Thees bereits, bevor man mit dem Projekt auf dich zukam?
Charly Hübner: Nein, aber ich wollte es gerade lesen. Ich hatte es tatsächlich erst ein paar Tage zuvor gekauft. Bei „Mittagsstunde“ war es genauso. Auch da hatte ich mir das Buch eben erst besorgt. Drei Wochen später rief Lars (Jessen – Regisseur von „Mittagsstunde“ – Anm.d.Red.) an und meinte, er schickt mir mal ein Drehbuch zu. Das war im ersten Corona-Frühling. Und dann kam „Mittagsstunde“ bei mir an.
Du kannst also mit dem Kauf eines Buchs deine Zukunft beeinflussen. Was hat dir dann an „Sophia, der Tod und ich“ so gut gefallen, dass du zugesagt hast?
Ich bin Thees-Uhlmann-Fan – schon seit Tomte-Tagen, weil bei ihm Emotion und Humor so nah beieinanderliegen. Deswegen wollte ich auch das Buch lesen. Schon nach der ersten Szene habe ich gesagt, dass wir das machen müssen. Ist das pure Comedy oder geht es doch eher um Emotionen? Das war für mich die Aufgabenstellung.
Das Buch ist sehr dialoglastig. Wie hat sich dessen Umsetzung als Drehbuch gestaltet? Wie entscheidet man, was reinkommt und was rausfliegt?
Am Anfang haben wir es gemeinsam durchleuchtet. Wir sind ganz langsam vorgegangen und haben geguckt, was wir nicht brauchen. Wir mussten erstmal herausfinden, was von all dem überhaupt die Erzählung ist. Dann war klar: Der Tod kommt, die drei fahren zur Mutter und machen sich auf den Weg nach Süden. Mehr ist nicht drin. Wir mussten unter anderem auf den Vater von Sophia verzichten und auch darauf, dass sie Polin ist. Wir mussten die Regeln verändern, die Kneipe aus dem Buch streichen. Sonst wären wir erst in Minute 45 des Films losgefahren. Deswegen mussten die drei dann eben im Zug trinken. (lacht) So haben wir das Buch nach und nach durchgekämmt, ein bisschen wie beim Haarefärben.
Habt ihr eure Entscheidungen mit Thees als Urheber der Geschichte abgesprochen?
Ja, klar. Er hat dann immer nur gesagt: „Es ist dein Film.“ Also haben wir das Drehbuch entwickelt und regelmäßig auf Stand gesetzt – auch was die Besetzung anging. Eine Weile ging es noch darum, ob er den Soundtrack macht. Durch Corona war aber alles so durcheinander, dass er touren musste und keine Zeit dafür blieb. Dann habe ich Steiner & Madlaina gehört und dachte, es ist viel passender, wenn der Gesang von einer Frau kommt. Sie ist wie Sophia, die Reiner einspinnt. Beim ersten Lied denkst du bis zur zweiten Strophe, es ginge um eine alte Liebe. Erst dann singt sie „Zu sterben ist die größte Kunst“. Da merkst du dann, worum es wirklich geht. Das macht im Hirn sofort eine Verschraubung. Das ist das, was Sterben ist: Auflösung und Verschraubung. So sollte der Film sein. Er durfte keine einheitliche formale Sprache haben.
Du sagtest eben, dass du bei Thees die Verbindung von Emotion und Humor magst. War es auch das, was dich an diesem Buch gereizt hat? Dass es eben den Tod nicht allzu ernst nimmt? Nimmt das womöglich auch dir die Angst davor?
Ich habe ohnehin eher Angst vor Siechtum als vor dem Tod an sich. Das Schwierige ist, dass dir niemand sagen kann, was wirklich an aktivem Lebensdrang noch da ist, wenn du schwer erkrankst. Wenn man über Todesangst redet, worüber redet man dann wirklich? Das eigene Ableben kann man sich nur schwer vorstellen. Man redet doch immer eher über Abschiedsschmerz. Das ist aber ein anderes Thema. Das ist das Thema von Sophia und Lore, aber nicht das von Reiner. Seins ist, dass er sich das mit dem Tod nicht zu sehr vorstellen will. Er will sich nicht mal bewegen, also ist er eigentlich schon tot. Deswegen kommt der Tod ja überhaupt erst zu ihm und sagt: „Du willst ja gar nicht mehr richtig leben, dann stirbst du jetzt eben.“ Dann sagt die Liebe, Sophia: „Ich lasse ihn nicht gehen“ und zieht ihn wieder ins Leben hinein.
Du bist in erster Linie Schauspieler, hast allerdings auch schon ein Buch geschrieben, und „Sophia, der Tod und ich“ ist nach der Doku „Wildes Herz“ deine nächste Regiearbeit. Ist es dir wichtig, dich breit aufzustellen – um wach und aktiv zu bleiben?
Nein, das ist ein viel zu unternehmerischer Gedanke, der mir sehr fremd ist, auch die Formulierung. Ich habe neulich eine Notiz von 2008 wiedergefunden. Die habe ich in Zürich zu einem Glas Weißwein am Nachmittag geschrieben. Da stand: „Jedes Sujet hat seine eigene Form“ – das heißt, es gibt Themen, da machst du einen Film drüber. Und es gibt andere Themen, darüber schreibst du einen Song. Über wieder ein anderes Thema machst du eine Doku. Ich habe mich nach dieser Notiz nie wirklich darum gekümmert, aber nach 15 Jahren darf ich feststellen, dass die Notiz sich gekümmert hat.
War dir also sofort klar, dass „Sophia, der Tod und ich“ nur ein Kinofilm sein kann?
Genau. Es konnte kein Fernsehfilm und auch keine Serie sein. Du hast eine klare Clowns-Anordnung, die aber ganz versteckt geführt wird. Es ist leicht, den Film zu zerreißen. Es ist viel interessanter, das nicht zu tun. Der Film ist wie Studentenfutter, da sind auch nicht nur Cashewkerne drin. (lacht)
Wenn man sich Projekte von und mit dir anschaut, fällt auf, dass man oft auf dieselben Leute trifft – Marc Hosemann ist ebenso dabei wie deine Frau Lina Beckmann. Ist das Zufall oder magst du es familiär am Set?
Ganz klar Zufall. Wenn ich selber spiele, mache ich ja nicht die Besetzungen, das macht die Regie. Und bei diesem Film brauchte es jetzt Schauspielerinnen und Schauspieler, die verschiedene Spieltechniken beherrschen. Wunderbarerweise haben wir Anna Maria Mühe, Marc Hosemann, Dimitrij Schaad, Johanna Gastdorf, Lina Beckmann, Josef Ostendorf, Carlo Ljubek und Rocko Schamoni für diesen Weg gewinnen können.